OGH 14Os80/15v

OGH14Os80/15v15.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ismail Y***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ismail Y***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1. April 2015, GZ 37 Hv 160/14k‑22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00080.15V.0915.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen

Unterstellung der vom Schuldspruch I umfassten Taten auch nach § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB, demzufolge auch im Ismail Y***** betreffenden Strafausspruch sowie im diesen Angeklagten betreffenden Adhäsionserkenntnis aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ismail Y***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ Ismail Y***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I) schuldig erkannt.

Danach hat er sich in B***** von Jänner 2013 bis April 2014 in zahlreichen Angriffen Waren in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, die ihm als Leiter der M‑*****-Filiale B***** anvertraut worden waren, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er diese auf eigene Rechnung verkaufte und den Verkaufserlös einbehielt.

Rechtliche Beurteilung

Der ausschließlich gegen die Annahme der Qualifikation des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB gerichteten, aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt schon aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Die Mängelrüge zeigt nämlich zutreffend unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zu einem 50.000 Euro übersteigenden Wert der veruntreuten Waren auf.

Die Tatrichter stützten diese Urteilsannahme im Wesentlichen auf die schriftliche Schadensaufstellung des geschädigten Unternehmens, wobei sie davon ausgingen, dass die dort ausgewiesenen Warenfehlbestände im Gesamtwert von 71.043,02 Euro (ON 2 S 145 bis 151) zu einem 20.000 Euro nicht übersteigenden Teil aus ‑ nicht vom Angeklagten zu verantwortenden ‑ Diebstählen resultierten. Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung des Umstands, dass Ismail Y***** ursprünglich die Verursachung eines Schadens in Höhe von „ca 50.000 Euro“ eingeräumt hatte (ON 2 S 139), kamen sie zum Schluss, dass der ‑ wenn auch nicht exakt feststellbare ‑ Wert der von ihm veruntreuten Waren jedenfalls 50.000 Euro überstieg (US 11 ff).

Durch die Bezugnahme auf die Schadensberechnung der M-*****GmbH, derzufolge die Fehlbestände auf ungeklärten Schwund, Verderb (329 Euro; ON 2 S 149), „Umlagerungen in andere Filialen“ (6.279,62 Euro; ON 2 S 151) sowie „Lieferreklamationen“ im Gesamtwert von 4.423 Euro (Sekt und Spirituosen 2013: 2.627 Euro und 2014: 348 Euro [ON 2 S 149] sowie alkoholfreie Getränke 2013: 1.448 Euro [ON 2 S 150]) zurückzuführen waren, brachte das Erstgericht unmissverständlich seine Überzeugung zum Ausdruck, dass sämtliche der dort aufgelisteten Waren, also auch jene, die im Deliktszeitraum vom Beschwerdeführer (oder seinen Mitarbeitern) in der Zentrale als nicht geliefert beanstandet worden waren („Lieferreklamationen“), von ihm veruntreut wurden, ohne sich jedoch mit gegen diese Annahme sprechenden Verfahrensergebnissen auseinander zu setzen.

Zwar haben die Tatrichter die ‑ die Verursachung eines Schadens von über 27.000 Euro leugnende ‑ Verantwortung des Angeklagten sowie jene der Mitangeklagten Danijela F***** zur Gänze als unglaubwürdig verworfen (US 6 ff, US 11 ff) und waren damit unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht verpflichtet, die von der Rüge hervorgehobenen Details deren Aussagen, nach denen es im Unternehmen tatsächlich häufig (alleine im Jahr 2013 mindestens 15 Mal) zu Fehllieferungen kam und bei vier von fünf Lieferungen falsche Waren oder zu geringe Warenmengen übergeben wurden (ON 21 S 15 f, S 23), gesondert zu erörtern (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS-Justiz RS0098642,

RS0098778).

Diese Behauptungen wurden jedoch durch die ‑ im Urteil unberücksichtigt gebliebenen ‑ Aussagen der Zeuginnen Daniela O***** (wonach kleinere Mengen „eigentlich schon“ bei vielen Lieferungen fast jeden Tag fehlten und es auch vorkomme, dass Waren, die angeblich angeliefert wurden, tatsächlich gar nicht ankamen; ON 21 S 25) und Manuela S***** (nach der es oft zu derartigen Fehllieferungen komme und dies selbst in Bezug auf größere Mengen, wie 30 Kartons Whiskey nicht auszuschließen sei; ON 21 S 36; vgl im Übrigen auch die Depositionen der Zeugin Tristessa K*****, denen zufolge in Bezug auf Lieferreklamationen aufgrund des unverhältnismäßigen Aufwands nicht hinsichtlich aller angeführten Getränke Bestandsaufnahmen im Zentrallager durchgeführt wurden [ON 21 S 25 iVm ON 2 S 102]) bestätigt, worauf die Beschwerde mit Recht verweist.

Ausgehend von den oben zitierten Feststellungen zur Schadenshöhe und dem Wert der auf Lieferreklamationen zurückzuführenden Fehlbestände bezieht sich der Einwand auf eine für die Subsumtion nach § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB entscheidende Tatsache, womit der aufgezeigte Begründungsmangel die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Verweisung der Sache an das Erstgericht erforderlich macht, ohne dass es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeeinwände bedürfte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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