OGH 14Os77/13z

OGH14Os77/13z9.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Frank S*****, AZ 32 HR 418/12p des Landesgerichts Wiener Neustadt, über den Antrag der betroffenen Person auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2012, GZ 32 HR 418/12p-20, erklärte das Landesgericht Wiener Neustadt die Auslieferung des Frank S***** zur Strafvollstreckung der nach dem Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Münster-Zweigstelle Bocholt, AZ 29 Js 424/02 (540 AR 385/12) mit Beschluss des Landesgerichts Münster vom 20. März 2008 (rechtskräftig seit dem 9. April 2008) aus mehreren Verurteilungen zusammengeführten Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und acht Monaten sowie von drei Jahren und drei Monaten, von denen infolge des mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 11. April 2011 ausgesprochenen Widerrufs die zunächst zur Bewährung ausgesetzten Strafreste von 397 Tagen und 577 Tagen zu vollziehen sind, für zulässig (Punkt 1 des Beschlusses). Gleichzeitig wurde die Auslieferungshaft nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO (§ 29 ARHG) fortgesetzt (Punkt 2 des Beschlusses).

Der (nach ausdrücklicher Rückziehung des im Anschluss an die Beschlussverkündung uneingeschränkt angemeldeten Rechtsmittels in Ansehung der Haftfortsetzung [ON 19 S 3; ON 23]) nur gegen Punkt 1 des Beschlusses erhobenen Beschwerde der betroffenen Person gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 16. April 2013, AZ 22 Bs 473/12p, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der auf § 363a Abs 1 StPO gestützte Antrag des Frank S*****, in dem er Unzulässigkeit der Auslieferung (nominell) wegen Verletzung der Art 5 und 6 MRK zufolge unterlassener Überprüfung der eingewendeten und (mittels eines Privatgutachtens) bescheinigten Haftunfähigkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie geltend macht.

Soweit in der unterlassenen Beweisaufnahme zur Klärung der Vollzugstauglichkeit der betroffenen Person eine Verletzung von Art 6 MRK erblickt wird, genügt der Hinweis, dass das Auslieferungsverfahren selbst nicht in den Anwendungsbereich dieser Konventionsbestimmung fällt. Deren Verfahrensgarantien können für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nur dann Relevanz erlangen, wenn die betroffene Person nachweist, dass ihr im ersuchenden Staat ein faires Verfahren offenkundig verweigert würde („flagrant denial of a fair trial“, RIS-Justiz RS0123200; Göth-Flemmich in WK² ARHG § 19 Rz 14; Meyer-Ladewig, EMRK³ Art 6 Rz 18 und 167; Vogler, IntKomm EMRK Art 6 Rz 247), was der Antragsteller hier gar nicht anspricht.

Ein in diesem Zusammenhang weiters behaupteter Verstoß gegen Art 5 MRK ist hinwieder schon wegen der Subsidiarität des Erneuerungsantrags gegenüber der - hier nicht erhobenen (und zufolge Rückziehung der gegen die Haftfortsetzung angemeldeten Beschwerde auch mangels Ausschöpfung des Instanzenzugs unzulässigen; vgl RS0114487) - Grundrechtsbeschwerde nicht Gegenstand der Prüfung (wie im Übrigen auch behauptete krankheitsbedingte Vollzugsuntauglichkeit im Rahmen der Untersuchungs- [Auslieferungs-]haft; RIS-Justiz RS0123350, RS0113913; Drexler, StVG² § 5 Rz 6).

Unter dem - der Sache nach alleine thematisierten - Aspekt des Art 3 MRK aber hat der Antragsteller - vom Oberlandesgericht zutreffend erkannt - weder eine mit der zwangsweisen Durchführung der Auslieferung verbundene Lebensgefahr angesprochen (vgl zur Transportunfähigkeit im Übrigen: § 37 Z 1 ARHG), noch behauptet, dass er im Fall seiner Auslieferung keinen Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung seiner - vom Beschwerdegericht ohnehin berücksichtigten (BS 5) - psychischen Erkrankung (in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden mit einer schizodepressiven Störung und schwerer depressiver Episode mit synthymen und parathymen psychotischen Symptomen) hätte (vgl Göth-Flemmich in WK² ARHG § 19 Rz 18 mwN, § 37 Rz 2, § 22 Rz 2; Frowein-Peukert, EMRK³ Art 3 Rz 23; Lagodny in Schomburg/Hackner, IntRH5 § 73 Rz 106).

Der Antrag ist daher in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 MRK, im Umfang des auf Art 5 bezogenen Vorbringens im Sinn des Art 35 Abs 1 MRK, unzulässig und war schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl dazu 17 Os 11/12i).

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