OGH 14Os74/07z

OGH14Os74/07z28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald R***** wegen der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 1. März 2007, GZ 20 Hv 7/07t-10, nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Tögl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2 und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO in der Sache selbst erkannt:

Gerald R***** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 31. Mai 1998 Raphaela M***** durch gefährliche Drohung zur - besonders wichtige Interessen verletztenden - Unterlassung der Anzeigenerstattung und Information einer Vertrauensperson genötigt, indem er sie im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an ein an ihr verübtes Verbrechen (1 b) an eine ihr zuvor gezeigte Faustfeuerwaffe erinnerte und sie aufforderte, von der Tat niemandem zu erzählen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach den unberührten Teilen des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl Nr 60/1974 (1) wird Gerald R***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl Nr 60/1974 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Übrigen verworfen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Gerald R***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl Nr 60/1974 (1) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Leibnitz

1. eine unmündige Person, nämlich die am 22. November 1984 geborene Raphaela M***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er

a. sie in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1998 in einem Lokal unter der Bekleidung im Genitalbereich betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte und

b. sie am 31. Mai 1998 im Keller seines Wohnhauses wiederum im Genitalbereich betastete und massierte, mehrfach einen Finger in ihre Scheide einführte und sie veranlasste, seinen entblößten Penis in die Hand zu nehmen und bis zur Ejakulation zu masturbieren,

2. am 31. Mai 1998 Raphaela M***** durch gefährliche Drohung zur - besonders wichtige Interessen verletztenden - Unterlassung der Anzeigenerstattung und Information einer Vertrauensperson genötigt, indem er sie im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an ein an ihr verübtes Verbrechen (1 b) an eine ihr zuvor gezeigte Faustfeuerwaffe erinnerte und sie aufforderte, von der Tat niemandem zu erzählen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 60/1974 eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, deren Teil von neun Monaten es gemäß § 43a Abs 3 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Die vom Angeklagten gegen das Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist in Ansehung des Schuldspruchpunktes 2 berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Denn im Ergebnis zutreffend wird reklamiert, dass die Strafbarkeit der diesem Urteilspunkt zugrunde liegenden schweren Nötigung (mit Ablauf des 31. Mai 2003) verjährt ist. Da im Urteil auch keine Feststellungen zu verjährungshemmenden Tatsachen enthalten sind, ist der bezeichnete Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO nichtig. Die Rechtsbetrachtung des Erstgerichts, wonach die schwere Nötigung „als (untypische) Begleittat zur (zweiten) Unzuchtshandlung begangen" und daher die Verjährung dieser Tat bis zur Volljährigkeit des Opfers gehemmt wurde (US 16), hat keine gesetzliche Grundlage. Die (Anlauf-)Hemmung der Verjährungsfrist gemäß der Z 3 des § 58 Abs 3 StGB gilt für die in dieser Bestimmung aufgelisteten strafbaren Handlungen, nicht aber für zeitlich spätere, dazu in (ungleichartige) Realkonkurrenz tretende strafbare Handlungen, die in der bezeichneten Vorschrift nicht aufscheinen (zu mit Katalogdelikten des § 58 Abs 3 Z 3 StGB in Idealkonkurrenz verwirklichten strafbaren Handlungen vgl E. Fuchs in WK2 § 58 [2007] Rz 33).

Die Verjährungsbestimmungen nach § 58 StGB stellen (materielle) Strafaufhebungsgründe und keine (prozessualen) Verfolgungshindernisse dar. Da aber angesichts der Aktenlage der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen fallaktuell auch in einem erneuerten Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Gründen von der Rückverweisung an die Tatsacheninstanz abzusehen, in der Sache selbst zu entscheiden und insoweit mit Freispruch zum Urteilspunkt 2 vorzugehen (Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24; 14 Os 5/06a mit weiteren Judikaturnachweisen).

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu. In der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wird eine Auseinandersetzung mit einer - den Urteilsannahmen entgegen stehenden - Tatzeitangabe der Raphaela M***** („erste Juliwoche 1999", S 23; vgl aber S 11 und S

79) und zudem eine Erklärung vermisst, „warum die Zeugin M***** dennoch glaubwürdig sein soll".

Abgesehen davon, dass der Schöffensenat Erinnerungsunschärfen in seine Überlegungen zur Zuverlässigkeit der Aussage der Zeugin in den relevanten Bereichen ohnedies einbezogen hat (US 10) und es auch nach der Aussage des Angeklagten unzweifelhaft ist, dass sich die Vorwürfe auf Taten im Anschluss an dessen Eheschließung (30. Mai 1998) beziehen (S 99 ff, 133), wird mit dieser Kritik kein Mangel in der Begründung entscheidender Tatsachen aufgezeigt, sondern nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in Zweifel gesetzt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

In der Tatsachenrüge (Z 5a) wird gegen die Zuverlässigkeit der belastenden Aussage der Raphaela M***** eingewendet, dass ihre fehlende Erinnerung an einen Kaffeehausbesuch mit dem Angeklagten und einen Vorfall mit einer Tänzerin vor der Tat „schlichtweg unerklärlich" sei, ihre Aussage, wonach sie von den Vorfällen niemanden erzählt habe, jener ihrer Mutter, die eine Andeutung nach der Tat schilderte, entgegenstehen würde, ihr jahrelanges Schweigen und Zuwarten mit der Anzeigenerstattung „unerklärlich" sei und sie auch nach den Taten „problemlos" Kontakt zum Angeklagten hatte. Solcherart werden nicht aktenkundige Beweisergebnisse gegen die Feststellung einer relevanten Tatsache vorgetragen, sondern erneut außerhalb der Anfechtungsmöglichkeiten Argumente isoliert gegen die tatrichterlich angenommene Glaubwürdigkeit der entscheidenden Beweisperson dargetan.

Bei der durch den Teilfreispruch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe (innerhalb des Strafrahmens des § 207 Abs 1 StGB idF BGBl Nr 60/1974: sechs Monate bis fünf Jahre) war das Zusammentreffen von zwei Verbrechen als erschwerend zu werten, mildernd war, dass der Angeklagte bis zu den Taten einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat. Zudem hat er die Taten schon vor langer Zeit teils in berauschtem Zustand begangen und sich seither wohl verhalten. Die Gewichtung dieser Umstände und die Berücksichtigung der Täterschuld sowie des sozialen Störwertes lassen im Hinblick auf den Entfall eines Schuldspruchs wegen eines Verbrechens eine geringfügige Reduzierung der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe als angemessen erscheinen. Einer (vom Angeklagten in seiner Berufung angestrebten) gänzlichen bedingten Strafnachsicht stehen ausgehend von der beschriebenen Fallgestaltung generalpräventive Erwägungen entgegen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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