OGH 14Os73/07b

OGH14Os73/07b28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst B***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. März 2007, GZ 6 Hv 17/07k-22, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Horst B***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Voitsberg mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf ordnungsgemäße Vollziehung der Steiermärkischen Jagdgesetze 1986 zu schädigen, als Aufsichtsjäger, sohin als Jagdschutzorgan im Sinne des § 34 Abs 1 Stmk JagdG 1986, sohin als Beamter, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte (§ 76 Abs 1 iVm § 35 Abs 2 Stmk JagdG 1986) vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass er dem ihm am 4. April 2006 von der jagdrechtlich übergeordneten Bezirkshauptmannschaft Voitsberg ausdrücklich erteilten Auftrag, die Beseitigung der verbotenen Lockfütterung im Bereich Revier Eigenjagd Kirchberg-Lori zu überwachen und darüber bis zum 10. April 2006 Bericht zu erstatten, nicht nachkam und am 10. April 2006 wahrheitswidrig vor der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg angab, am 8. April 2006 vor Ort festgestellt zu haben, dass das Kirrfutter zur Gänze entfernt worden wäre.

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt (bereits) insofern Berechtigung zu, als sie unter Z 9 lit a einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zu einem wissentlichen Befugnismissbrauch aufzeigt.

Rechtliche Beurteilung

Fallbezogen erfordert ein Schuldspruch wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt die (formell fehlerfrei begründeten) Feststellungen, dass der Beamte wider besseres Wissen gegen eine bestimmte Dienst- oder Verfahrensvorschrift verstoßen, den Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg also wissentlich normwidrig erfüllt oder zu erfüllen unterlassen hat, sodass durch die unvertretbare Bearbeitung des Falles ein Hoheitsakt seiner Behörde verhindert wurde (Bertel in WK² § 302 Rz 26 ff) und er es darüber hinaus ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, das Verfahren hinsichtlich der verbotenen Lockfütterung werde infolge der Gesetzesverletzung mit einer unrichtigen Entscheidung enden, die Lockfütterung also ohne weiteres Einschreiten der Behörde weiter bestehen (vgl Bertel, WK² § 302 Rz 99; in diesem Sinn auch 13 Os 84/93; 14 Os 74/03).

Nach den wesentlichen Konstatierungen leistete der Angeklagte dem ihm von der Bezirkshauptmannschaft erteilten Auftrag auf Überwachung der Beseitigung bereits festgestellter verbotener Lockfütterung sehr wohl Folge, indem er „tatsächlich" an Ort und Stelle Nachschau hielt (US 6). Nach Auffassung der Tatrichter kam er dem Auftrag aber dennoch „nicht" nach, weil er sich „nicht sorgfältig vergewisserte" (US 5) und „nachlässig schaute" (US 9), ob die Futterstelle beseitigt wurde. „Bei aufmerksamer Begehung hätten ihm nämlich Spuren von Rotwild und aufgestoßene Stellen in der Schneedecke auffallen müssen, die darauf hingewiesen hätten, dass die Futterstelle noch immer besteht" (US 5). „Er hätte den tatsächlichen Zustand der Kirrfütterung sehen müssen" (US 6). Den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter ist außerdem zu entnehmen, dass sie von der Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten ausgingen, dass anlässlich der Begehung „aufgrund des Schneefalls keine Lockfütterungen sichtbar waren", er sich aber „auf die Zusage des Jagdpächters verließ, dass dieser die Stelle bereits entfernt hätte, ohne sich weiter von deren Bestehen oder Nichtbestehen zu vergewissern" (US 7). „Dennoch gab er am 10. April 2006 bei der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg niederschriftlich an, er hätte am 8. April 2006 festgestellt, dass das Lockfutter zur Gänze entfernt worden wäre" (US 5).

Diese - Nachlässigkeit bei der Auftragserfüllung, Schlamperei und Desinteresse, demnach aber gerade nicht wissentlichen Befugnismissbrauch (und Schädigungsvorsatz) indizierenden (vgl 13 Os 74/98; ähnlich: 14 Os 74/03) - Konstatierungen vermögen den Schuldspruch auch in Verbindung mit den erst im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen und der rechtlichen Beurteilung nachgetragenen Feststellungen nicht zu tragen. Danach „wusste" der Angeklagte nämlich bloß, „dass er seine Befugnisse als Jagdschutzorgan gem § 34 Abs 1 JagdG 1986 missbraucht, wenn er dem behördlichen Auftrag nicht nachkommt und über die Erfüllung des Auftrags sogar einen wahrheitswidrigen Bericht erstattet" (US 7 f). Er wusste „welchen Inhalts der Auftrag der BH Voitsberg vom 3. 4. 2006 war" und dass es seine Pflicht war, „ordentlich" nach der Futterstelle zu sehen und darüber zu berichten. „Trotzdem erfüllte er den Auftrag pflichtwidrig" (US 9). Ein durch das konkrete Verhalten des Angeklagten bewirkter - über die bloß fahrlässige „nicht ordentliche", „nachlässige" oder „nicht gewissenhafte" Auftragserfüllung hinausgehender - wissentlicher Missbrauch von Befugnissen im aufgezeigten Sinn wird damit nicht konstatiert. Die Anführung der Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs 1 StGB im Tenor ändert übrigens nichts am aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen: Die Erwähnung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die die Feststellung entscheidender Tatsachen nicht zu ersetzen vermag (RIS-Justiz RS0114639; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 15, 19), reicht auf Basis der zitierten Sachverhaltsgrundlage fallaktuell auch nicht zu deren Verdeutlichung aus.

Dies führt zur Aufhebung des Urteils zur Gänze samt Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e erster Satz StPO).

Demnach bedarf die weitere Nichtigkeitsbeschwerde keiner Erörterung. Die Berufung des Angeklagten ist angesichts der erforderlich gewordenen Aufhebung des Schuldspruches ebenfalls gegenstandslos. Soweit die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) einen weiteren Rechtsfehler mangels Feststellungen zum „Tatbestandsmerkmal der Vollziehung der Gesetze" mit der Begründung behauptet, der Angeklagte sei als Aufsichtsjäger mit bloßer Meldepflicht kein Erhebungsorgan der Bezirkshauptmannschaft gewesen, ist der Vollständigkeit halber anzumerken:

Nach § 35 Abs 1 und Abs 2 Stmk JagdG 1986 ist das bestätigte und beeidete Jagdschutzpersonal ein Wachpersonal im Sinne des Reichsgesetzes betreffend die amtliche Stellung des zum Schutz einzelner Zweige der Landeskultur aufgestellten Wachpersonals, RGBl Nr. 84/1872, und als solches zum Schutz des Lebensraums des Wildes verpflichtet, schädigende Einflüsse durch unsachgemäßen Jagdbetrieb oder durch das Wild selbst auf seinen Lebensraum tunlichst zu vermeiden und festgestellte Wildschäden unverzüglich dem Jagdberechtigten (Eigenjagdbesitzer oder Jagdpächter) bzw. dem Jagdverwalter zu melden. Das Jagdschutzpersonal ist außerdem verpflichtet, die Einhaltung der Bestimmungen des Stmk JagdG 1986 zu überwachen und wahrgenommene Übertretungen der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Übertretungen dieses Gesetzes und der aufgrund desselben erlassenen Vorschriften oder besonderen Anordnungen werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis 2.200 Euro bestraft (§§ 76 und 77 leg cit). Nach den Urteilsannahmen war der Angeklagte von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Aufsichtsjäger bestätigt und beeidet (US 5) und damit Jagdschutzorgan iSd § 34 Abs 1 Stmk JagdG 1986. Als solches erhielt er am 3. April 2006 von der Bezirkshauptmannschaft den Auftrag, über die Beseitigung einer der Behörde bereits bekannten verbotenen Lockfütterung Bericht zu erstatten (US 4). Diese Intervention stellte ein Amtsgeschäft in Vollziehung der Gesetze dar, zu dem der Angeklagte beauftragt und somit auch befugt war. Denn der Begriff des Amtsgeschäftes ist keineswegs auf Rechtshandlungen, schon gar nicht auf die Ausübung einer Entscheidungsbefugnis oder einer Befehls- und Zwangsgewalt beschränkt (RIS-Justiz RS0095963). Unter zur Hoheitsverwaltung gehörenden Amtsgeschäften iSd § 302 Abs 1 StGB sind nach der Rechtsprechung auch Verrichtungen rein tatsächlicher Art zu verstehen, mit denen keine Befehls- oder Zwangsgewalt verbunden ist, sofern sie zur Erreichung der amtsspezifischen Vollzugsziele sachbezogen und relevant sind (Fabrizy StGB9 § 302 Rz 7 f; 12 Os 70/06w); hiezu kommt als weitere Anforderung, dass die von einem Beamten vorzunehmenden sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen (wenigstens einigermaßen) gleichwertig zu sein haben (SSt 60/45). Diesen Voraussetzungen entspricht die vom Beschwerdeführer vorgenommene Verrichtung als mögliche Grundlage eines zur Durchsetzung der Beseitigung der verbotenen Lockfütterung in Aussicht genommenen Hoheitsakts der Behörde.

Die - vom Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerde zitierten Erkenntnis (vom 17. Juni 1998, GZ 96/03/0130, VwSlg 14912 A/1998) gelöste - Frage, wer als Normadressat des Verbots des Betreibens von Lockfütterungen im Sinne des § 50 Abs 4 Stmk JagdG 1986 anzusehen ist und solcherart einer Bestrafung nach § 77 Stmk JagdG 1986 unterliegt, hat damit nichts zu tun.

Unter Schädigung eines konkreten öffentlichen Rechtes ist im Übrigen die Vereitelung einer bestimmten in der Rechtsordnung festgelegten staatlichen Maßnahme zu verstehen, wenn damit der bestimmte Zweck beeinträchtigt werden soll, den der Staat mit der Erlassung der dieser Maßnahme zugrundeliegenden Vorschrift erreichen will (vgl Fabrizy9 § 302 Rz 24a).

Im Falle der Erweislichkeit eines wissentlichen Befugnismissbrauchs wird das Erstgericht im zweiten Rechtsgang auch (mängelfrei begründete) Feststellungen dazu zu treffen haben, welcher konkrete Anspruch des Staates - neben dem abstrakten Recht auf „ordnungsgemäße Vollziehung des Stmk JagG 1986" - dadurch unterlaufen werden sollte, auf die Schädigung welchen konkreten Rechtes der Vorsatz des Angeklagten also gerichtet war.

Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zur Gänze zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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