OGH 14Os7/17m

OGH14Os7/17m28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Naim E***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 29. September 2016, GZ 6 Hv 65/16g‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00007.17M.0228.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Naim E***** vom Vorwurf, er habe am 9. Dezember 2012 in Graz Mag. Anna D***** mit Gewalt, nämlich durch Verabreichung von bewusstseinsbeeinträchtigenden Wirkstoffen (sogenannten KO‑Tropfen) sowie „durch Festhalten des Opfers durch Anwendung von Körperkraft“, zur Duldung des Beischlafs oder einer beischlafähnlichen Handlung (Analverkehr) genötigt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die eine anklagekonforme Verurteilung wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) orientiert sich mit der Behauptung eines inneren Widerspruchs der zur Frage einer Gewaltanwendung des Angeklagten getroffenen Feststellungen nicht am Urteilssachverhalt, sind diesem doch weder die von der Beschwerde behaupteten Konstatierungen, wonach das Opfer bemerkt habe, „vom Angeklagten“ festgehalten worden zu sein, noch jene, wonach der Angeklagte das Umdrehen der Mag. Anna D***** verhinderte, „da er sie festhielt“, zu entnehmen. Die vom Schöffengericht tatsächlich getroffenen Feststellungen wiederum, wonach einerseits Mag. Anna D***** bemerken konnte, „dass sie festgehalten wurde und (…) der Angeklagten seinen steifen Penis in ihre Vagina einführte“, und andererseits nicht festgestellt werden kann, „ob der Angeklagte dabei Gewalt ausübte“ und dass er „gegen den Willen der Mag. Anna D*****“ deren Hose hinuntergezogen hatte und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog“, sowie die Konstatierung, wonach der Angeklagte mehrmals in das Opfer eindrang, „wobei Mag. Anna D***** versuchte, sich umzudrehen, da sie auf die Toilette musste, was der Angeklagte jedoch verhinderte“ (US 3), schließen einander im Übrigen nach den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung (RIS‑Justiz RS0117402) nicht aus.

Die Konstatierungen, wonach nicht festgestellt werden könne, „ob bzw wer Mag. Anna D***** bewusstseinsbeeinträchtigende Tropfen verabreicht hat“ und „ob der Angeklagte“ die Wehrlosigkeit des Opfers „erkennen konnte“ (US 3), hat das Schöffengericht auf die „unwiderlegbaren Angaben des Angeklagten im Zusammenhalt mit den vagen Angaben des Opfers“ gestützt (US 4). Soweit die Beschwerde (nominell Z 5 vierter Fall) einerseits eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen des toxikologischen Sachverständigen vermisst, wonach die Schilderungen der Zeugin Mag. Anna D***** mit der Verabreichung eines KO‑Mittels gut in Einklang zu bringen sind (vgl dazu US 5), und andererseits die Gedankenausfälle der Zeugin als unzulässige Argumentation erachtet, weil das Auftreten von Erinnerungslücken für die Verabreichung von KO‑Tropfen charakteristisch sei, bekämpft sie in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Bleibt mit Blick auf das Fehlen von (positiven) Feststellungen zu allen von § 201 Abs 1 StGB geforderten subjektiven Tatbestandsmerkmalen die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Erinnerung zu rufen, dass es für den Erfolg einer gegen einen Freispruch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde erforderlich ist, nicht nur zu (sämtlichen) verneinten oder der angestrebten Subsumtion entgegenstehenden Tatbestandselementen (erfolgreich) einen Begründungsmangel geltend zu machen, sondern auch hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse einen Feststellungs-mangel (Z 9 lit a) – fehlen dafür nötige Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 – mit Erfolg zu reklamieren (vgl RIS‑Justiz RS0127315, RS0118580 [T17 und T20], siehe auch RS0130509).

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