OGH 14Os65/19v

OGH14Os65/19v25.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Binder in der Strafsache gegen Michael S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. März 2019, GZ 170 Hv 21/18w‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00065.19V.0625.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael S***** von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen, er habe „am 27. Oktober 2017 in Graz als Polizeibeamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich Anzeigen über Verkehrsunfälle aufzunehmen, Ermittlungen zu tätigen und an die Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung (SVA) weiterzuleiten, wissentlich missbraucht, indem er bei der Meldung des Verkehrsunfalles vom 9. Oktober 2017, an dem Yvonne F***** und ein zunächst flüchtiger Fahrzeuglenker beteiligt war, an das Strafamt der SVA bekanntgab, dass Yvonne F***** sich die Nummerntafel des flüchtigen Fahrzeuges nicht notieren konnte, weil sie zu aufgeregt gewesen sei, obwohl ihm von ihr ein Foto übergeben worden war, auf dem das Fahrzeug und dessen KFZ‑Kennzeichen eindeutig ersichtlich waren, und er durch Abfrage in der Datenanwendung 'Kraftfahrzeugzentralregister' (KZR) die Identität des Fahrzeuglenkers bereits kannte, sodass dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf Einhebung von Verwaltungsstrafen und Yvonne F***** in ihrem Recht auf Schadenersatz durch den flüchtigen Fahrzeuglenker geschädigt werden sollte“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht im Recht.

Das Erstgericht verneinte – im Wesentlichen – Wissentlichkeit des vorgeworfenen Befugnisfehlgebrauchs.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Peter M***** (ON 29) ausreichend auseinandergesetzt (US 3 f). Die Frage, ob ein Löschen von Daten (im PAD) „auch unabsichtlich durch eine Verwendung der Tastaturknöpfe F1 bis F10 möglich“ sei, ist – ungeachtet des verfehlt in diesem Sinn formulierten Gutachtensauftrags (ON 24 S 1) – vom Gericht in freier Beweiswürdigung, allenfalls auf Basis der vom Sachverständigen dargestellten technischen Voraussetzungen, zu beantworten. Vom Sachverständigen dazu geäußerte Mutmaßungen sind nicht Gegenstand der Beweisaufnahme und daher im Urteil nicht zu erörtern. Im Übrigen stehen die ins Treffen geführten Äußerungen des Sachverständigen (ON 29 S 25) den Erwägungen der Tatrichter, die von einem Löschvorgang durch (unbeabsichtigtes) Betätigen (bloß) dieser Tastaturknöpfe (Funktionstasten) gar nicht ausgingen (vgl US 3), nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).

Das kritisierte Unterbleiben einer Erörterung einzelner Details der – ohnehin berücksichtigten (US 3) – Verantwortung des Angeklagten stellt schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keine Unvollständigkeit dar (RIS‑Justiz RS0106642). Im Übrigen wendet sich der Verweis auf bestimmte Aussagepassagen (ON 4 S 31 [zur vernachlässigbaren Arbeitsersparnis durch eine solche Löschung] und ON 23 S 3) gegen beweiswürdigende Erwägungen der Tatrichter, die bloß in ihrer Zusammenschau (und nicht je für sich) die Grundlage für die Negativfeststellung zur Wissentlichkeit des Befugnisfehlgebrauchs bilden (US 3) und solcherart einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen sind (RIS‑Justiz RS0116737).

Einschätzungen von Zeugen (hier von Martin P***** und Yvonne F*****) in Bezug auf die subjektive Tatseite des Angeklagten stellen ebenfalls kein erörterungspflichtiges Beweisergebnis dar (RIS‑Justiz RS0097540 [T18]). Davon abgesehen ist die (Tatsachen-)Schilderung der Zeugin F*****, der Angeklagte sei bei der Anzeigenaufnahme „ein bisschen genervt“ gewesen (ON 4 S 53 ff und ON 12 S 4), nicht erheblich. In Summe erschöpft sich dieses Vorbringen der Mängelrüge darauf, aus – vom Erstgericht ohnehin berücksichtigten (US 4) – Zeugenaussagen für den Angeklagten nachteilige Schlüsse nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu ziehen.

Der Verweis auf eine (den Angeklagten angeblich belastende) „Auswertung der Protokollierungen des PAD‑Systems“ unterlässt das deutliche und bestimmte Vorbringen, welches Ergebnis des Beweisverfahrens das Erstgericht bei seinen Erwägungen übergangen haben soll (RIS‑Justiz RS0118316 [T5]).

Da die Mängelrüge gegen die einem Schuldspruch entgegenstehende Negativfeststellung (zur Wissentlichkeit des vorgeworfenen Befugnismissbrauchs) erfolglos bleibt, erübrigt sich eine Antwort auf das zu Z 9 lit a erstattete Vorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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