OGH 14Os5/99

OGH14Os5/992.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Riegler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mingdui Z***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mingdui Z***** und Fan W***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12. Oktober 1998, GZ 30e Vr 5.185/98-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurden mit dem Urteil des Geschworenengerichtes Mingdui Z***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (5), Fan W***** aber der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 (1), der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 2 (2) und der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Darnach haben in Wien

Mingdui Z***** am 14. oder 15. Mai 1998 die Rongzhu X***** durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er sie "im Zuge der zu Hauptfrage 3 angeführten erpresserischen Entführung" mit einem Messer bedrohte (5);

Fan W*****

(1) von 13. bis 15. Mai 1998 als Mittäter des Mingdui Z***** zusammen mit den abgesondert verfolgten Linqi W*****, Xiaoming H***** und Guoqing L***** den Zhuwei M***** auf eine Weise, die diesem besondere Qualen bereitete, widerrechtlich gefangen gehalten, indem Fan W***** und Linqi W***** ihn "unter einem Vorwand in eine Wohnung lockten, wo er von Mingdui Z***** und Guoqing L***** mit einem Messer sowie einer Pistole bedroht, geschlagen und mit Handschellen über einen Zeitraum von etwa 24 Stunden gefesselt" wurde";

(2) am 14. Mai 1998 als Mittäter des Mingdui Z***** zusammen mit den abgesondert verfolgten Linqi W*****, Xiaoming H***** und Guoqing L***** "mit Gewalt, indem sie Zhuwei M***** mit dem Tod oder einer auffallenden Verunstaltung drohten bzw. ihn durch diese Handlungen längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzten", dazu genötigt, Lirong Y*****, Guanmin X*****, Rongzhu X***** und Feilan Z***** aufzufordern, Fan W***** und Linqi W***** vom Hotel Hilton "in eine Wohnung zu folgen",

(3) von 14. bis 15. Mai 1998 als Mittäter des Mingdui Z***** zusammen mit den abgesondert verfolgten Linqi W*****, Xiaoming H***** und Guoqing L***** Lirong Y*****, Guanmin X*****, Rongzhu X***** und Feilan Z*****, nachdem sie deren Einwilligung durch List erlangt hatten, "entführt bzw. (sich) ihrer sonst bemächtigt, um einen Dritten" zur Bezahlung von je 100.000 Yuan Lösegeld zu nötigen, indem sie diese in eine Wohnung lockten, einsperrten, mit dem Umbringen bedrohten und von ihnen verlangten, "ihre Verwandten in China" telefonisch dazu aufzufordern.

Die von Mingdui Z***** aus Z 10a, von Fan W***** aber aus Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mingdui Z*****:

Rechtliche Beurteilung

Daß die Hauptfrage anklagekonform (auch) nach Bedrohung mit einem Messer gestellt wurde, kann aus Z 10a nicht angefochten werden. Die Tatsachenrüge steht nur gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen offen, zu denen weder Tatzeit noch für die Subsumtion irrelevante - zudem nicht konkret bezeichnete - "Einzelheiten des Tatherganges" gehören.

Weil Rongzhu X***** zudem entgegen der solcherart aktenwidrigen Beschwerde bei ihrer Vernehmung vom 16. Juni 1998 ausdrücklich davon sprach, der Angeklagte habe sie "mit einem Messer bedroht und vergewaltigt" (S 28/II), geht das Rechtsmittel ins Leere.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Fan W*****:

Die Fragenrüge (Z 6) behauptet kein vom Inhalt der Hauptfragen 6 und 7 abweichendes tatsächliches Vorbringen in der Hauptverhandlung und verfehlt daher mit ihrem Ziel einer anderen rechtlichen Beurteilung (als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) eine Ausrichtung am Gesetz. Allfällige Mängel des tatsächlichen Substrats dieser Hauptfragen entziehen sich als ungerügt einer Überprüfung.

Weil § 321 Abs 2 StPO für die den Geschworenen zu erteilende Rechtsbelehrung nur eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes neben der Klarlegung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander und der Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage verlangt, verfehlt auch die Kritik daran, daß "die Beteiligungsformen des § 12 StGB, insbesondere das Wesen der Beitragstäterschaft" und der "'Mittäter'-Begriff" neben jenem des unmittelbaren Täters nicht erläutert wurden, eine gesetzmäßige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes (Z 8). Eine Frage nach einer der Beteiligungsformen des § 12 zweiter und dritter Fall StGB wurde nämlich nicht gestellt, und der Begriff des Mittäters kommt im StGB nicht vor.

Rechtsbelehrung über (angebliche) - indes nicht mit Bestimmtheit behauptete ("in Betracht kam"; §§ 285 Abs 1, 344 StPO), aus Z 6 und Z 12 ungerügt gebliebene - Verdrängung einer strafbaren Handlung (hier: § 99 Abs 1 und Abs 2) infolge Scheinkonkurrenz (hier: mit schwerer Nötigung) sieht das Gesetz ebensowenig vor (s § 312 Abs 2 StPO).

Ob mit dem Tod gedroht wurde (2), ist als Tatsachenfrage Gegenstand der Besprechung nach § 323 Abs 2 erster Satz StPO, nicht der Rechtsbelehrung.

Mit der Behauptung, die zur erpresserischen Entführung (3) erteilte Rechtsbelehrung habe nicht nur bezüglich der Nötigung des Dritten, sondern des gesamten Tatbildes bloß bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) nicht genügen lassen und Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) verlangt, wird die Beschwerde vom Angeklagten schließlich unzulässig (§§ 282 Abs 2, 344 StPO) zu seinen Lasten ergriffen. Weil das Rechtsmittel solcherart die - gleich darauf substratlos bestrittene - Richtigkeit der Belehrung über das Erfordernis der auf Nötigung eines Dritten gerichteten Absicht einräumt, gebricht es ihm an der vom Gesetz geforderten Deutlichkeit (§§ 285 Abs 1, 344 StPO). Der Vorwurf, diese habe "mit Stillschweigen übergangen", daß erpresserische Entführung nicht auf Nötigung des Entführten, sondern eines Dritten abzielt, entbehrt des erforderlichen Vergleichs der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit dem von § 321 Abs 2 StPO geforderten Inhalt und damit der Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 12) nicht vom Wahrspruch ausgeht, der gar wohl auf die beabsichtigte Nötigung Dritter, nämlich "der Verwandten" der Entführten abstellt, entzieht auch sie sich einer sachbezogenen Erwiderung.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§§ 285d Abs 1 Z 1, 344 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

Dem Antrag des Fan W***** vom 16. Feber 1999, "der Generalprokuratur aufzutragen, ihre Gründe für die empfohlene Beschlußfassung nach §§ 285d, 344 StPO offenzulegen und deren Begründung darzustellen" (§ 35 Abs 2 StPO), konnte nicht entsprochen werden, weil dem Obersten Gerichtshof ein derartiges Weisungsrecht nicht zusteht.

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