OGH 14Os55/96

OGH14Os55/969.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juli 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hawlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anna Sz***** und Rosa S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter SatzStGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 29.Feber 1996, GZ 13 Vr 1.113/95-83, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Anna Sz***** werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil, und zwar wegen des untrennbaren Zusammenhanges auch in Ansehung der Angeklagten Rosa S*****, sohin zur Gänze aufgehoben und es wird die Sache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Klagenfurt zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden die Angeklagten Rosa S***** mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und beide Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Anna Sz***** und Rosa S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter SatzStGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Darnach haben sie am 12.Juli 1995 in St.Veit a.d.Glan im bewußten und gewollten Zusammenwirken dadurch, daß sie dem Johann L***** Flunitrazepam in Form von Rohypnol oder Somnubene verabreichten und einen Bargeldbetrag von 430 S an sich nahmen, sohin mit Gewalt gegen eine Person, dem Johann L***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Körperverletzung des Johann L*****, nämlich einen stuporösen Zustand, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Beide Angeklagten bekämpfen dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde, die von der Angeklagten Sz***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 8 und von der Angeklagten S***** auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützt wird; den Strafausspruch fechten sie mit Berufung an.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Sz*****:

Zu Recht macht die Beschwerdeführerin die Verletzung der Vorschrift des § 314 Abs 1 StPO - die nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO mit Nichtigkeit bedroht ist - durch die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage nach versuchtem schweren Raub geltend. Sie verantwortete sich nämlich in der Hauptverhandlung dahin, daß sie Johann L***** das Schlafpulver zu einem Zeitpunkt in das Bier gegeben habe, als die Angeklagte S***** - ohne ihr Wissen - dem Opfer das Bargeld bereits weggenommen hatte. Folgte man dieser Verantwortung, so wäre der von der Beschwerdeführerin zugegebene Raub (zur subjektiven Tatseite s S 187/II) im Versuchsstadium geblieben, weil sich die Tatausführung auf die Gewaltanwendung durch Verabreichung eines berauschenden Mittels (EvBl 1979/181) beschränkt hätte. Dieser Versuch wäre aber nicht zur Tatbestandsverwirklichung absolut untauglich im Sinne des § 15 Abs 3 StGB, weil die Vollendung der Tat auf die vorgesehene Weise nicht geradezu denkunmöglich gewesen wäre; vielmehr hätte der Umstand, daß die Angeklagte S***** das Bargeld vor Beginn der Ausführung des Raubes bereits an sich genommen gehabt hätte, die bloß relative Untauglichkeit des Raubversuchs zur Folge gehabt. Somit hat das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung die Stellung einer Eventualfrage nach dem versuchten Verbrechen des schweren Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter SatzStGB indiziert.

Für die Stellung einer auf Rücktritt vom Versuch gerichteten Zusatzfrage zur erwähnten unterlassenen Eventualfrage bestand hingegen kein Anlaß, weil es an einem entsprechenden Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung mangelte. Denn nach deren Verantwortung war die Vollendung des Raubes deshalb unmöglich, weil die Zweitangeklagte sich bereits vor Beginn der Ausführung der erwähnten strafbaren Handlung der Beute bemächtigt hatte, sodaß der Deliktsvollendung ein tatsächliches Hindernis entgegengestanden wäre. Somit wäre die Beschwerdeführerin gar nicht in der Lage gewesen, freiwillig die Ausführung des Raubes aufzugeben. Das weitere, gegen die Unterlassung der erwähnten Zusatzfrage gerichtete Beschwerdevorbringen ist daher verfehlt.

Die aufgezeigte Nichtigkeit zwingt zur Aufhebung des Wahrspruchs der Geschworenen und des darauf beruhenden Urteils, und zwar nicht nur in Ansehung der Angeklagten Sz*****, sondern mangels Sonderungsmöglichkeit (§ 349 Abs 2 StPO) auch in Ansehung der Angeklagten S*****, weil mit einer allfälligen Bejahung der zu stellenden Frage nach Raubversuch durch die Angeklagte Sz***** als Alleintäterin der Wahr- und Schuldspruch der Angeklagten S***** wegen vollendeten mittäterschaftlichen Raubes unvereinbar wäre (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 E 18 zu § 349).

Auf das übrige Beschwerdevorbringen der Angeklagten Sz***** sowie auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten S***** war darnach nicht mehr einzugehen. Auch die Berufungen der beiden Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft sind zufolge Mitaufhebung des Strafausspruches gegenstandslos.

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