OGH 14Os48/14m

OGH14Os48/14m17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Tanja H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Oktober 2013, GZ 23 Hv 96/13v‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107746

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter K***** eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er „in ***** und anderen Orten Tanja H*****

I) am 8. Dezember 2012 durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie mit Gewalt, indem er, als sie sich weigerte an ihm den Oralverkehr durchzuführen, ein Jausen‑/Steakmesser an sich nahm, zu ihr zurück kehrte und sich in bedrohlicher Art und Weise vor ihr positionierte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich Vornahme des Mundverkehrs an seinem Penis genötigt, wobei er während des Vollzugs zwei Mal ihren Kopf nach unten drückte und sie auf ihre verbale Gegenwehr hin auf den Boden drückte, festhielt, ihr die Unterhose und das Trägerleibchen wegriss, ihr, als sie um Hilfe schrie, den Mund zuhielt und äußerte, 'er könne sie auch bewusstlos schlagen, dann bekomme sie gar nichts mit', wobei sein Ansinnen zunächst auf die Durchführung eines Analverkehrs gerichtet war, letztlich zur Fortführung des Mundverkehrs an seinem Penis genötigt, wobei er währenddessen äußerte, 'er könne das Messer wieder holen' und letztlich in ihren Mund ejakulierte;

II) zu nicht mehr genau feststellbaren Tatzeitpunkten zumindest zwischen August 2012 und 28. Dezember 2012 in wiederholten Angriffen, indem er sie im Zuge von Streitereien heftig am Körper er‑/anfasste und schubste, am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine Verletzung, nämlich Hämatome, bewirkt.“

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Aus Z 3 reklamiert der Beschwerdeführer, dass die Aussage der Tanja H***** im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung am 20. Juni 2013 (ON 11) im Urteil ungeachtet dessen verwertet wurde, dass die Genannte auf die ihr als Lebensgefährtin zukommende Aussagebefreiung (§ 156 Abs 1 Z 1 StPO) nicht ausdrücklich verzichtet habe, weshalb diese Aussage nichtig sei (§ 159 Abs 3 StPO). Er übersieht, dass im Strafverfahren zwar frühere Ehepartner und Partner einer eingetragenen Partnerschaft von der Aussage befreit bleiben, nicht aber eine frühere Lebensgefährtin (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 156 Rz 12). Dass der Beschwerdeführer aber am 20. Juni 2013 eine Lebensgemeinschaft mit Tanja H***** unterhalten hätte, wird selbst von ihm nicht behauptet.

Der zum Schuldspruch II behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zufolge Verwendung des unbestimmten Begriffs „eine“ vor dem Wort „Verletzung“ im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) lässt sich bei einer Gesamtschau der Urteilsausfertigung durch den Obersten Gerichtshof dahingehend klarstellend auflösen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440), dass Tanja H***** anlässlich der festgestellten wiederholten Gewalttätigkeiten des Angeklagten ihr gegenüber jeweils eine Verletzung erlitt (US 5).

Die weitere Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zum Schuldspruch I wendet sich mit der Behauptung, das Wort „bedrohlich“ und die Wortfolge „was machen werde“ würden nicht erkennen lassen, ob der Angeklagte mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben drohte, angesichts der Konstatierungen zu der vom Angeklagten anlässlich der Vergewaltigung (zusätzlich) ausgeübten Gewalt (US 4) nicht gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Tatsachenrüge des Angeklagten einzelne Passagen in der belastenden Aussage der Tanja H***** isoliert herausgreift und darauf den Einwand gründet, dass „diese Umstände zeigen, dass der Angeklagte die Privatbeteiligte nicht in Furcht und Unruhe versetzen bzw deren Willen brechen wollte“, erweckt sie keine solcherart erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Die gegen den Schuldspruch I gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, nach den tatrichterlichen Feststellungen könne „jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben vorgelegt hat“, ohne jedoch darzulegen, weshalb dies angesichts dessen, dass der Angeklagte nach den ‑ von der Rüge prozessordnungswidrig übergangenen (vgl RIS‑Justiz RS0099810) ‑ Feststellungen zur Verwirklichung des Tatbilds (auch) Gewalt angewendet hat (US 4 f), für die rechtsrichtige Subsumtion entscheidend sein sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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