OGH 14Os45/03

OGH14Os45/0310.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut K***** und Marianne L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 14 Ur 130/02h des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerden der beiden Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 27. Februar 2003, AZ 18 Bs 40, 41/03 (= ON 154, 155 des Ur-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Helmut K***** und Marianne L***** wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Helmut K***** und Marianne L***** befinden sich seit 12. Juni 2002 (ON 33; Festnahme jeweils am 11. Juni 2002, S 143, 183 [ON 27, 28] /V; Haftfortsetzungsbeschlüsse ON 46, 58, 80, 88, 122, 123, 131) in Untersuchungshaft. Gegen beide wird Voruntersuchung wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG geführt. Danach sind sie dringend verdächtig, in Paldau, Bad Radkersburg, Bad Blumau und anderen Orten

1. von Oktober 1995 bis Sommer 2001 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung persönlich und durch Mittelsmänner 500 Personen durch die Vorgabe, sie könnten eine 18-prozentige Vermögensanlage durch Vermittlung der Vermögensverwaltung "W***** C***** M***** P*****" erwirken, dazu veranlasst zu haben, entsprechende Anträge an diese Firma zu richten und Beträge in einem (jeweils) 2.000 EUR übersteigenden Betrag zu überweisen, wobei die Gelder in der Folge nicht entsprechend veranlagt bzw mangels Verzinsung lediglich Teilbeträge zurückbezahlt wurden (Gesamtschaden über 40.000 EUR), und

2. von 1993 bis 2000 vorsätzlich unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht der §§ 119 ff BAO durch Nichterklärung der ihnen im Zuge der Anlageberatungstätigkeit zugeflossenen Gelder eine Verkürzung der Einkommenssteuer in einem 75.000 EUR übersteigenden Betrag bewirkt zu haben.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz einer (weiteren) Beschwerde der beiden Beschuldigten gegen die von der Untersuchungsrichterin gefassten Beschlüsse (ON 150, 151) auf Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO nicht Folge und ordnete seinerseits an, dass die Haft aus den genannten Gründen mit Wirksamkeit bis 28. April 2003 fortzusetzen ist (ON 154). In den dagegen von den Beschuldigten in einem gemeinsamen Schriftsatz gleichlautend erhobenen Grundrechtsbeschwerden erachten sie sich "in ihrem in Artikel 5 MRK garantierten Recht auf Freiheit und Sicherheit dadurch verletzt, dass sie a) trotz zwischenzeitigen Wegfalls sämtlicher Haftgründe im Sinne des § 180 StPO b) [wegen] mangelnder Unvermeidbarkeit der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus im Sinne des § 194 Abs 3 StPO nicht enthaftet wurden" (ON 157).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerden verfehlen ihr Ziel.

Mit Recht hat das Oberlandesgericht bei beiden Beschuldigten fortbestehende Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO als Grundlage für die Fortsetzung der Untersuchungshaft herangezogen (S 5 f der ON 154). Danach ergibt sich dieser Haftgrund einerseits aus dem außerordentlichen Umfang der Betrugshandlungen, derer die Beschuldigten dringend verdächtig sind, und zwar sowohl von der quantitativen, eine Vielzahl von Personen in großem Ausmaß schädigenden Vorgangsweise her als auch mit Blick auf die zeitliche Ausdehnung der über mehrere Jahre gesetzten gleichartigen deliktischen Angriffe. Dazu kommt die im bekämpften Beschluss dargelegte finanzielle Situation, in der sie sich nunmehr befinden, nämlich des Konkurses der Beschuldigten L***** und des - bezogen auf die Bereicherungssummen aus den mutmaßlichen Betrügereien - relativ geringen Einkommens des Beschuldigten Käfer bei hohen Schulden mit zahlreichen Gläubigern.

Des weiteren weist der Gerichtshof zweiter Instanz zu Recht auf den Umstand hin, dass der Beschuldigte K***** noch im Jahr 2002 unmittelbar vor Verhängung der Untersuchungshaft durch Erlangung zweier Gewerbeberechtigungen weiterhin versucht hat, als "Anlageberater" tätig zu werden. Insgesamt betrachtet ist daher auf der Basis der vom Oberlandesgericht angenommenen "bestimmten Tatsachen" mit Grund zu befürchten, beide Beschuldigten würden auf freiem Fuß - ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens und der bisher in Haft zugebrachten Zeit - weiterhin strafbare Handlungen mit (zumindest) nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die ihnen nunmehr in wiederholter Begehung angelasteten strafbaren Handlungen (§ 180 Abs 1 Z 3 lit b StPO).

Hingegen ist für den (weitgehend bloß auf spekulativen Überlegungen und eigenen Beweiswerterwägungen fußenden) Standpunkt der Beschwerdeführer aus ihrem - unter Hinweis auf TZ 82 bis 98 des Sachverständigengutachtens (ON 92, S 101 ff/VI; betrifft bereits Vorgänge ab 1992) erhobenen - Einwand, die Annahme des Oberlandesgerichtes, wonach sie bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit im "Anlagengeschäft" mit Betrugsvorsatz gehandelt hätten, treffe nicht zu, im Ergebnis ebensowenig zu gewinnen wie mit dem Vorbringen, das Beschwerdegericht sei unrichtigerweise von einer über sieben Jahre dauernden Tatbegehung ausgegangen, weil damit die Tatsachengrundlage für die Prognoseentscheidung nicht formgerecht in Frage gestellt wird (§ 10 GRBG iVm §§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a, 285a Z 2 zweiter Halbsatz StPO; s. 13 Os 135/99 uvam).

Insofern erweist sich auch der Hinweis als nicht stichhältig, die unbescholtenen Beschuldigten hätten bereits im "Juni 2001" bzw "ab etwa Mai 2001" von weiteren Anlagegeschäften und Betrugshandlungen Abstand genommen, obwohl es ihnen in einem Zeitraum von rund 14 Monaten bis zu ihrer Verhaftung noch möglich gewesen wäre, (weitere) größere Summen zu lukrieren. Gleiches gilt für die nach Meinung der Beschwerde gegen die Tatbegehungsgefahr sprechenden Einwände, das monatliche Nettoeinkommen des Beschuldigten K***** in Höhe von 1.400 EUR (19.264,42 S) reiche für den Unterhalt der Beschuldigten als Lebensgefährten und ihrer beiden minderjährigen Kinder aus, die zwischenzeitigen Berichte in den größeren Zeitungen würden potentielle Anleger von Geschäften mit den Beschuldigten abhalten und K***** habe im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes die von ihm 2002 erworbenen Gewerbeberechtigungen "offenkundig" nicht mehr besessen, wobei diese ohnehin lediglich der "Vermittlung von Verträgen" gedient und "keinesfalls die Entgegennahme irgendwelcher Vermögenswerte" umfasst hätten. Indem die Beschwerden aus den mit den Anlegern abgeschlossenen Verträgen schlussfolgern "Soweit und solange diese [anvertrauten] Gelder daher für konkrete Anlageformen und nicht für eigene Zwecke verwendet würden, kann ein Betrugsvorwurf gegenüber den beiden Beschwerdeführern nicht erhoben werden" (S 368 oben/XVIII), argumentieren sie nicht auf Basis der Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichtes und missverstehen zudem den Tatbestand des Betruges.

Der Beschwerde zuwider waren im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen für eine Überschreitung der sechsmonatigen Haftbegrenzung nach § 194 Abs 3 StPO (noch) gegeben, weil - im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichtes - wegen des besonderen Umfangs der notwendigen, nach Deutschland und Frankreich reichenden Untersuchungshandlungen im Hinblick auf das Gewicht des zu Recht herangezogenen Haftgrundes gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus unvermeidbar war. Dennoch wird weiterhin sorgfältig darauf zu achten sein, dass die Voruntersuchung im Sinne des Schleunigkeitsgebotes (§ 193 Abs 1 StPO) durch gezielten, konzentrierten und effizienten Arbeitseinsatz aller Beteiligten so kurz wie möglich dauert, wobei grundrechtsrelevante Verfahrensverzögerungen der Untersuchungsrichterin vom Obersten Gerichtshof bisher nicht festzustellen sind.

Da die achteinhalbmonatige Untersuchungshaft bei beiden Beschuldigten (noch) nicht unangemessen war (die Forderung nach rascherer Verfahrensabwicklung für sich allein ist hier nicht aufgreifbar), wurden diese im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodass ihre Beschwerden ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen waren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte