OGH 14Os40/99 (14Os80/99)

OGH14Os40/99 (14Os80/99)14.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erna B***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10. November 1998, GZ 27 Vr 2.017/97-48, sowie über die Beschwerde der Angeklagten gemäß § 494a Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (Punkt B) und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Beschlusses aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen und der Beschwerde werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Erna B***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat Erna B*****

A) im Sommer/Herbst 1996 in Kematen und Innsbruck ihr Vermögen zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 500.000 S nicht übersteigenden Schaden herbeiführte, indem sie gegenüber den andrängenden Gläubigern behauptete, sie hätte ihr Inventar mit 30. Juni 1996 an die Firma W***** M***** GmbH um einen Betrag von 972.000

S verkauft und zur Untermauerung dieser Behauptung eine mit 30. Juni 1996 datierte Rechnung mit der Nummer 8a vorlegte;

B) am 17. Oktober 1996 in Sillian nach Eintritt ihrer

Zahlungsunfähigkeit den Gläubiger Josef Florian W***** begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, indem sie ihm einen Geldbetrag von 625.000 S "für Schulden aus den Jahren 1994 und 1995 (betreffend den Verkauf von Bauernstuben)" übergab.

Hingegen wurde Erna B***** von weiteren Anklagevorwürfen in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB (Punkt A der Anklageschrift iVm Punkt A des freisprechenden Teils des Urteils) und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (Punkt D der Anklageschrift iVm Punkt B des freisprechenden Teils des Urteils) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegenstand des - für das vorliegende Rechtsmittelverfahren relevanten - zuerst angeführten (Teil-)Freispruches war die Anklage, Erna B***** habe

A) in Kematen und Innsbruck und allenfalls anderen Orten ab Anfang

1994 als Schuldnerin mehrerer Gläubiger in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert, insbesondere dadurch, daß sie neue Schulden einging, Schulden bezahlte und das Ausgleichsverfahren und die Eröffnung des Konkurses nicht beantragte.

Dieses Urteil wird von der Angeklagten im schuldig sprechenden Teil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Die Staatsanwaltschaft ficht mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde den Freispruch vom Anklagevorwurf des Vergehens nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB aus dem Grund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO an.

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zu der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Nachdem Erna B***** bereits am 5. Juni 1997 im Verfahren AZ 27 Vr 1.819/95 des Landesgerichtes Innsbruck von dem mit Strafantrag vom 3. März 1997 erhobenen Vorwurf von Kridahandlungen im Sinn des § 159 Abs 1 Z 2 StGB ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu Beginn des Jahres 1994 gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen wurde, lagen ihr nunmehr nach der Anklageschrift vom 11. Mai 1998 abermals Kridahandlungen im Sinn der vorbezeichneten Gesetzesstelle ab Anfang 1994 zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Wenngleich das Erstgericht fälschlich den gesamten inkriminierten Kridazeitraum als Gegenstand des früheren Urteils bezeichnet und folglich den nunmehrigen Freispruch scheinbar undifferenziert mit dem Vorliegen einer entschiedenen Rechtssache (res iudicata) begründet, hat es dennoch festgestellt, daß die in der Anklage als kridarelevant bezeichneten Handlungen durchwegs vor dem 3. März 1997 gesetzt wurden und der in der Beschwerde relevierte Ankauf von Schulartikeln für die Kinder der Angeklagten (Punkt D der Anklageschrift) - ohne sie selbst wirtschaftlich zu betreffen - auf Rechnung der Firma ihres Gatten erfolgte (vgl hiezu insbesondere US 12 iVm S 247/II).

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde diese Konstatierungen übergeht bzw auf keine Beweisergebnisse hinweist, die als Grundlage für die Annahme anderer - übrigens nicht individualisierter - Kridaaktivitäten in Frage kämen, verfehlt sie die prozeßförmige Darstellung des materiellen Nichtig- keitsgrundes. Sie war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Zu der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Mit dem in der Mängelrüge (Z 5) gegen den Schuldspruch Punkt A (wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB) erhobenen Einwand, das Erstgericht hätte dem glaubwürdigen Vorbringen der Angeklagten folgen und annehmen müssen, daß sie das Inventar ihres Unternehmens tatsächlich und nicht bloß zum Schein an die Firma W***** M***** GmbH verkaufte und dieses Geschäft im Ausmaß eines Teilbetrages von 750.000 S mittels eines bei der R***** T***** beschafften Betriebsmittelkredites finanziert worden ist, zeigt sie keinen formalen Begründungsmangel auf, sondern kritisiert sie - zudem die Bekundungen des Zeugen Alois K***** negierend, über die Verwendung der Kreditbeträge keine Angaben machen zu können (S 337 f/III) - die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Soweit die Beschwerdeführerin gegen den Schuldspruch Punkt B (wegen des Vergehens der Begünstigungen eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB) einwendet, zum Ankauf einer Bauernstube "zumindest im Ausmaß von 80.000 DM" vom Kunden Dr. G***** ausschließlich zum Zweck dieser Anschaffung anvertrautes und damit dem Zugriff sonstiger Gläubiger entzogenes Geld verwendet zu haben, findet dieses Vorbringen weder in ihrer Einlassung im erstinstanzlichen Verfahren noch in den Depositionen des Lieferanten Josef Florian W***** Deckung, weshalb sie damit gegen das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt. Hat sich die Angeklagte doch in allen Verfahrensstadien stets gleichbleibend damit verantwortet, die Kaufsumme - nach einem Zahlungsversuch mit einem nicht einlösbaren Wechsel - schließlich durch Heranziehung eines Teiles des aufgenommenen Betriebsmittelkredits (bzw des Erlöses aus dem Verkauf ihres Inventars) und demnach jedenfalls nicht durch widmungsgemäße Verwendung des mit eigenen Barmitteln unvermengt gelassenen Anzahlungsbetrages des Dr. G***** abgedeckt zu haben (vgl S 305 ff/II sowie das im wesentlichen bestätigende Vorbringen des Zeugen Josef Florian W*****, S 487 ff/I und 3l7/II).

Abgesehen davon, daß das Erstgericht ohnedies die Leistung einer Akontozahlung von 80.000 DM durch Dr. G***** an die Angeklagte zur Beschaffung einer Bauernstube als erwiesen angenommen hat (US 11), reklamiert die Beschwerdeführerin demnach auch im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozeßordnungswidrig das Unterbleiben von Feststellungen über die Bezahlung des erwähnten Kaufpreises durch die bloße Weitergabe eines treuhändig und zweckbestimmt überlassenen Geldbetrages.

Soweit die Angeklagte Feststellungen über den tatsächlichen Verkauf ihres Betriebsinventars an die Firma W***** M***** GmbH sowie über die entsprechende finanzielle Abwicklung moniert (Schuldspruchsfaktum A), setzt sie sich über die ein solches Geschäft ausschließenden gegenteiligen Urteilsannahmen des Erstgerichtes hinweg und bringt damit ihre Rüge mangels Orientierung am Urteilssachverhalt abermals nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), mit der die Angeklagte die Unterstellung des als Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB angelasteten Tatgeschehens unter den Tatbestand der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB mit der Begründung anstrebt, daß sie bloß als Schuldnerin den Gläubiger Josef Florian W***** bezahlt und damit den Gläubiger-Befriedigungsfonds nicht vermindert habe. Denn mit der solcherart (neuerlich) unterstellten Finanzierung des Ankaufes von Möbeln für eine Bauernstube aus dem Erlös des Verkaufes ihres Betriebsinventars negiert die Angeklagte die bereits erwähnten gegenteiligen Urteilsannahmen, nach denen ein solcher Verkauf nicht stattgefunden hat.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Baratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden zeigte sich jedoch, daß dem Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (B) ein nicht gerügter, von Amts wegen wahrzunehmender Feststellungsmangel anhaftet.

Geht man davon aus, daß einen Gläubiger begünstigt, wer die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger zueinander durch Veränderung des gemeinsamen Befriedigungsfonds verschiebt (10 Os 171/83), so ist es vorliegend von entscheidender Bedeutung, ob die Bauernstube (auf US 11 wird in Übereinstimmung mit ON 9 und S 317/II klargestellt, daß die Zahlung nur den Verkauf der zweiten Bauernstube betraf) Zug um Zug gegen Bezahlung eines angemessenen Geldbetrages den Aktiven der Gemeinschuldnerin zugeführt, oder schon früher geliefert, oder tatplanmäßig unter Anrechnung der Anzahlung an (den solcherart begünstigten) Dr. G***** weitergegeben wurde, weil im ersten Fall das Tatbilderfordernis der Benachteiligung wenigstens eines Gläubigers zu verneinen wäre. Es könnte aber auch von der Begünstigung des Lieferanten nur dann die Rede sein, wenn er eine Befriedigung erlangt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte (§ 30 Abs 1 Z 1 KO), was auf das oben dargestellte Zug-um-Zug-Geschäft nicht, wohl aber auf die - von der Anklage umfaßte - allfällige Auslieferung an Dr. G***** unter Abzug der Anzahlung vom Kaufpreis zuträfe (vgl König, Die Anfechtung2 Rz 225, 241, 244; 4 Ob 514/88; 8 Ob 545/91).

Da im angefochtenen Urteil die Tatsachen nicht festgestellt sind, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären, war das Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (B) und demgemäß im Strafausspruch einschließlich des Beschlusses nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung aufzutragen.

Mit den Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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