OGH 14Os35/05m

OGH14Os35/05m10.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Celal K***** und andere Verurteilte wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 17. Mai 2004, GZ 602 Hv 11/04g-36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, in Abwesenheit der Verurteilten Celal K*****, Sabine M***** und Christian Jürgen F*****, jedoch in Anwesenheit ihrer Verteidiger Dr. Weidinger und Dr. Vallender zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 17. Mai 2004, GZ 602 Hv 11/04g-36, verletzt in den wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG ergangenen Schuldsprüchen B. I. bis III. § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG.

Dieses - im Übrigen unberührt bleibende - Urteil wird im Umfang der Schuldsprüche B. I. bis III., demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 17. Mai 2004, GZ 602 Hv 11/04g-36, wurden Celal K*****, Sabine M***** und Christian Jürgen F***** der Verbrechen der vollendeten und der versuchten (§ 15 StGB) Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (A. I.) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen:) zweiter Fall SMG (B. I. bis III.), die beiden Erstgenannten darüber hinaus auch des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A. II.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 144 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, die hinsichtlich Sabine M***** und Christian Jürgen F***** jeweils für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Infolge Rechtsmittelverzichts erwuchs dieses Urteil unmittelbar nach seiner Verkündung in Rechtskraft (S 351).

Die Schuldsprüche nach dem Suchtmittelgesetz erfolgten, weil Celal K*****, Sabine M***** und Christian Jürgen F***** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift besessen hatten, und zwar:

(B. I.) Celal K***** von Juni 2003 bis 27. Februar 2004 in Wien, Petronell und Hainburg an der Donau wöchentlich 1 Gramm Speed, 10 Gramm Cannabiskraut oder -harz, eine braune Kugel Heroin (0,25 Gramm) und eine weiße Kugel Kokain (0,25 Gramm);

(B. II.) Christian Jürgen F***** von Juni 2002 bis 27. Februar 2004 in Wien und Hainburg an der Donau in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Einzelangriffen jeweils kleine Mengen Suchtgift, und zwar insgesamt 200 Gramm Cannabisharz, 20 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain;

(B. III.) Sabine M***** Anfang Oktober 2003 in Berg eine Dosis Heroin.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzen die zu B. ergangenen Schuldsprüche das Gesetz im § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG:

Ihnen mangelt es nämlich an einer bereits der Staatsanwaltschaft obliegenden, nach Anklageerhebung gemäß § 37 SMG aber vom Gericht vorzunehmenden Prüfung des temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG (vgl 12 Os 116/04; 11 Os 20/04; 13 Os 15/04; 14 Os 23/03; 15 Os 128/02), dem nach der Aktenlage keine die genannte Privilegierung hindernden Umstände entgegenstehen. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach die Verurteilten mehr als geringe, bei mehrfachen Tathandlungen nicht zusammenzurechnende (vgl 15 Os 25/04; 15 Os 128/03; 14 Os 150/99; Schroll, WK-StPO §§ 90 f Rz

20) Mengen der genannten Suchtgifte zum eigenen Gebrauch besessen hatten. Die mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehenden Schuldsprüche wegen zweier Verbrechen und eines Vergehens schließen eine vorläufige (bedingte) Anzeigezurücklegung bzw eine gerichtliche Verfahrenseinstellung ebenso wenig aus wie die einschlägigen Vorstrafen des Celal K***** (vgl 15 Os 85/04; 15 Os 21/04). Die Tatrichter wären daher gemäß § 37 SMG verhalten gewesen, vorerst Auskünfte bzw Stellungnahmen gemäß § 35 Abs 3 SMG sowie die Zustimmung der Angezeigten zu allfällig notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen einzuholen und sodann abschließend zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG hinsichtlich der einzelnen Angeklagten gegeben sind.

Im Hinblick auf diese aufgezeigte, die Verurteilten benachteiligende Gesetzesverletzung war der Entscheidung auch konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil im Umfang der Schuldsprüche B. I. bis III., demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg zu verweisen.

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