OGH 14Os34/17g

OGH14Os34/17g23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Milovan B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Jänner 2017, GZ 9 Hv 123/15g‑207, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00034.17G.0523.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der

rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat (auch) nach § 143 Abs 1 erster Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über seine gegen das Adhäsionserkenntnis und den Ausspruch über den Verfall gerichtete Berufung obliegt dem

Oberlandesgericht Graz.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Milovan B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 10. Februar 2015 in G***** im einverständlichen Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigten des Juweliers S***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen weggenommen, indem er den Geschäftsinhaber und dessen Angestellte unter Vorhalt einer gegen sie in Anschlag gebrachten, täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole aufforderte, sich auf den Boden zu legen und anschließend Bargeld in der Höhe von 500 Euro aus der Geschäftskassa sowie 129 Stück Rolex-Uhren im Gesamtwert von 767.821,69 Euro aus den Vitrinen entnahm und einsteckte, wobei er den Raub als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung beging.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt schon aus dem zweitgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass die Feststellungen die Subsumtion der dem Angeklagten angelasteten Tathandlung (auch) nach § 143 Abs 1 erster Fall StGB nicht zu tragen vermögen.

Die Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung setzt Konstatierungen zu sämtlichen Vereinigungsmerkmalen voraus, und zwar zu einem auf

längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen (oder andere im Gesetz – namentlich in § 278 Abs 2

StGB – aufgezählte Straftaten) ausgeführt werden. Der Zusammenschluss darf demnach nicht bloß auf einige Stunden oder Tage beschränkt sein. Unter „längere Zeit“ ist vielmehr nach ständiger Rechtsprechung und damit übereinstimmender Lehre ein Zeitraum von zumindest einigen Wochen zu verstehen (RIS‑Justiz RS0125232; für viele: Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 8; Fabrizy, StGB12 § 278 Rz 3 f). Im Fall der kriminellen Ausrichtung nur auf eine einzige Katalogtat muss diese einer längeren (demnach gleichermaßen zumindest mehrwöchigen) Vorbereitung bedürfen (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 4; Hintersteininger, SbgK § 143 Rz 7).

Vorliegend stellte das Erstgericht in zeitlicher Hinsicht zwar fest, dass die – auf die Begehung „zumindest“ eines Raubüberfalls in G***** ausgerichtete – kriminelle Vereinigung, als deren Mitglied der Angeklagte agierte, auf längere Zeit angelegt war (US 3).

Nach den weiteren Konstatierungen plante Milovan B***** mit zwei weiteren, abgesondert verfolgten Mitgliedern der Vereinigung „zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Anfang 2015 einen Raubüberfall auf das Juweliergeschäft S***** in G*****“, diese Tat „wurde über eine längere Zeit geplant“. Sodann mietete der Beschwerdeführer am 5. Februar 2015 in W***** ein Fahrzeug an, kundschaftete am 7. und am 9. Februar 2015 den Tatort in G***** aus und setzte sodann am 10. Februar 2015 – im Urteil konkret beschriebene – Ausführungshandlungen beim Raub (US 3 f).

In der Beweiswürdigung verwiesen die Tatrichter weiters darauf, dass Milovan B***** nach den Erhebungsergebnissen im Jänner und Februar 2015 „mehrmals“ mit einem der mutmaßlichen Mittäter „von Serbien nach Ungarn und auch wieder zurück“ fuhr und gemeinsam mit dieser Person am 5. Mai 2015 verhaftet wurde, sowie auf weitere (nur hinsichtlich solcher am 5. und 13. Februar 2015 konkretisierte) „Reisebewegungen“ des Genannten zwischen Ungarn, Serbien und Kroatien. Darüber hinaus stützten sie ihre Überzeugung vom Vorliegen einer kriminellen Vereinigung auf die Sicherstellung von Handgranaten, vier Mobiltelefonen und vier SIM-Karten anlässlich einer am 6. Mai 2015 durchgeführten Hausdurchsuchung an der Wohnadresse des Angeklagten in Belgrad und von 200.000 Euro in einem von seiner Lebensgefährtin angemieteten Banksafe (ON 82 S 31 in ON 73) sowie auf Telefonate vom 29. April 2015 (ON 69 S 4 in ON 73), inhaltlich derer er dem (vermutlich am hier aktuellen Raubüberfall beteiligten; US 12 iVm ON 69 S 3 in ON 73) Miloslav V***** über gescheiterte Versuche, „ein Auto zu knacken“, berichtete (US 11 f).

Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen reichen diese Sachverhaltsannahmen für die vorgenommene Subsumtion nicht aus. Während nämlich die einzigen konkret festgestellten Vorbereitungshandlungen des Angeklagten sowie seine terminlich fixierten „Reisebewegungen“ (zudem mit nicht unmittelbar am Raubgeschehen beteiligten Personen) nach den Feststellungen bloß wenige Tage vor (und drei Tage nach) der hier aktuellen Tat (sohin keinen „längeren Zeitraum“ im dargestellten Ausmaß) umfassen, ist ein Zusammenhang zwischen diesem Raubüberfall und gemeinsam mit einem Mittäter erfolgten Überschreitungen der ungarisch/serbischen Grenze nicht erkennbar. Hinsichtlich der „längeren“ Planung der Tat fehlt es hinwieder sowohl an der – mit Blick auf den (im weitesten Sinn gleichfalls „Anfang 2015“ gelegenen) Tatzeitpunkt am 10. Februar 2015 erforderlichen – Konkretisierung deren Beginns als auch an der näheren Umschreibung der insoweit gesetzten Aktivitäten im Sinn von der Vorbereitung des Raubes dienenden und einen längerfristigen Zusammenschluss ernsthaft begründenden Handlungen. Auf Basis der oben zitierten Feststellungen zur Ausrichtung der Vereinigung auf die Begehung bloß eines Raubüberfalls in G***** tragen die in der Beweiswürdigung angeführten Ermittlungsergebnisse, die sich auf April und Mai 2015 beziehen, zur Lösung der einzig relevanten Frage, ob bereits zum Tatzeitpunkt ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss bestand, nichts bei.

Die unter Verwendung der verba legalia getroffenen entsprechenden Konstatierungen (US 3) bleiben damit ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090, RS0098936; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 8).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen macht die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht erforderlich. Eines Eingehens auf die weiteren, ausschließlich die Qualifikation nach § 143 Abs 1 erster Fall StGB sowie den Sanktionsausspruch betreffenden Rechtsmittelausführungen bedurfte es daher nicht.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Entscheidung über seine

gegen das Adhäsionserkenntnis und den Ausspruch über den Verfall gerichtete

Berufung kommt dem

Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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