OGH 14Os3/02

OGH14Os3/029.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gabriele H***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. September 2001, GZ 7 a Vr 6.269/01-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gabriele H***** von der Anklage (ON 20), sie habe in Wien

I. im September 1997 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Jozef V***** Berechtigten der Verlassenschaft nach Roland J***** fremde bewegliche Sachen in einem 500.000 S übersteigenden Wert, nämlich im Urteil näher bezeichnete Juxtenbons, einen Wertpapierbon sowie ein Wertpapierbuch im Gesamtwert von 7,393.416,68 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. im November 1997, Februar 1998 sowie zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der C***** AG und der B***** AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe rechtmäßige Inhaberin der von ihr vorlegten vinkulierten Juxtenbons und Sparbücher zu sein, zu Handlungen nämlich zur Auszahlung von insgesamt 3,500.000 S verleitet, wodurch die Verlassenschaft nach Roland J***** um einen 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt worden sei und wobei sie den schweren Betrug in der Absicht begangen habe, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

III. zwischen September 1997 und dem 4. Mai 1998 Urkunden, über die sie nicht verfügen durfte, nämlich zur Verlassenschaft nach Roland J***** gehörende, im Urteil näher bezeichnete sieben vinkulierte Juxtenbons der B***** AG mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache, nämlich zur Vorlage im Verlassenschaftsverfahren und anschließenden Einlösung, gebraucht werden,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der gegen dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft erhobenen, ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Dem von der Anklagebehörde wiederholt erhobenen Einwand der Aktenwidrigkeit ist vorweg zu entgegnen, dass ein solcher Begründungsfehler nur dann vorliegt, wenn der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird, nicht aber, wenn die Beschwerde bloß behauptet, dass zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und den diesen zu Grunde gelegten Beweismitteln ein Widerspruch bestehe (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185, 190 f).

Das Erstgericht hat den Freispruch mehrfach begründet: Einerseits sei vom Fehlen der subjektiven Tatseite auszugehen, da die Angeklagte gutgläubig gehandelt habe. Andererseits habe sie - rechtzeitig und freiwillig - den gesamten Schaden gutgemacht und die (unterdrückten) Wertpapiere der Verlassenschaft zur Verfügung gestellt. Schließlich hätten sich die erbserklärten (und in der Folge auch eingeantworteten) gesetzlichen Erben Elfriede J***** und Roland J***** in einer "Haftungserklärung" vom 4. Mai 1998 gegenüber dem Verlassenschaftskurator verpflichtet, Gabriele H***** hinsichtlich allfälliger Forderungen der Verlassenschaft schad- und klaglos zu halten und deren Rückzahlungsverpflichtung als ihre eigene zu übernehmen (S 305/II). Damit hat das Erstgericht der Angeklagten - ohne dies ausdrücklich anzuführen - der Sache nach den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 Abs 2 Z 1 und Abs 4 StGB (zu den Freispruchfakten I. und II.) und nach § 229 Abs 2 StGB (zum Freispruchfaktum III.) zugebilligt.

Wenngleich einzelnen Beschwerdeeinwänden unter dem Gesichtspunkt unzureichender und unvollständiger Begründung die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann, erweist sich die Mängelrüge doch im Ergebnis als nicht zielführend.

Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass das Schöffengericht bei der Feststellung der fehlenden subjektiven Tatseite wesentliche Verfahrensergebnisse, insbesondere die Aussage der Zeugin Elfriede J***** (S 385/II), unerörtert gelassen habe, wogegen die Annahme der gutgläubigen Zueignung der Wertpapiere - der Beschwerde zuwider - nicht im Widerspruch zu den nachfolgenden Feststellungen über die Schadensgutmachung steht. Die der Konstatierung einer vollständigen Schadensgutmachung durch die Angeklagte (US 11) entgegenstehenden Verfahrensergebnisse (insbesondere S 393/II) wurde tatsächlich mit Stillschweigen übergangen.

Diesen nur auf einzelne Gesichtspunkte abstellenden, jedoch die gebotene Gesamtbeurteilung der Urteilsgründe außer Acht lassenden Einwendungen kann aber ein Erfolg nicht beschieden sein, weil das Erstgericht - wie bereits ausgeführt - ersichtlich auch vom Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue (§§ 167 Abs 4; 229 Abs 2 StGB) ausgegangen ist. Abgesehen davon, dass durch das inkriminierte Verhalten der Angeklagten wegen der noch nicht erfolgten Einantwortung ein Vermögensschaden nur zum Nachteil der Verlassenschaft eintreten konnte, sollte durch die erwähnte "Haftungserklärung" vom 4. Mai 1998 (US 18, 22) die Restitution der der Verlassenschaft vorenthaltenen Beträge (US 17: ca 80.000 S) durch dritte Personen (Elfriede und Roland J*****) vertraglich sichergestellt werden. Die im Ersturteil fehlenden Feststellungen zum Erfordernis des ernstlichen Bemühens der Angeklagten um Schadensgutmachung im Sinne des § 167 Abs 4 StGB ließ die Beschwerdeführerin aber ungerügt.

Schließlich versagt der Beschwerdeeinwand, aus der "Haftungserklärung" könne der Nichteintritt eines Vermögensschadens der erbserklärten Erben Elfriede und Roland J***** nicht abgeleitet werden, weil die gegenständliche Verpflichtungserklärung sinngemäß auch deren Verzicht auf die Restforderung enthält (US 17). Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung nach § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte