OGH 14Os27/11v (14Os28/11s)

OGH14Os27/11v (14Os28/11s)5.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Enrico S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB, AZ 31 Hv 26/04p des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 2. Dezember 2010, GZ 31 Hv 26/04p-25, und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Geymayer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 31 Hv 26/04p des Landesgerichts Salzburg verletzen

1. die Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des Urteils am 2. Dezember 2010 in Abwesenheit des Angeklagten § 427 Abs 1 StPO,

2. die Verlesung der von der Gendarmerie aufgenommenen Aussage der Zeugin Ilse P***** in der Hauptverhandlung vom 2. Dezember 2010 § 252 Abs 1 und Abs 2 StPO.

Das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. Dezember 2010, GZ 31 Hv 26/04p-25, wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Strafverfahren gegen den deutschen Staatsangehörigen Enrico S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB, AZ 31 Hv 26/04p des Landesgerichts Salzburg, führte der Einzelrichter des Landesgerichts Salzburg die Hauptverhandlung gemäß § 427 Abs 1 StPO in Abwesenheit des Angeklagten durch; dieser war trotz eigenhändig zugestellter Ladung (Art 52 SDÜ - ON 1/S 1g) nicht erschienen. Nach Verlesung des „wesentlichen Akteninhalts gem. § 252 Abs 2 StPO“ (ON 24/S 2) wurde Enrico S***** mit - in Rechtskraft erwachsenem - Abwesenheitsurteil (ON 25) des genannten Verbrechens schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Urteilsbegründung stützt sich im Wesentlichen auf die seinerzeitigen Angaben der Anzeigerin Ilse P***** vor der Gendarmerie.

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht die beschriebene Vorgangsweise des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 427 Abs 1 StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des nicht erschienenen Angeklagten unter anderem nur dann vorgenommen und das Urteil gefällt werden, wenn es sich um ein Vergehen (§ 17 Abs 2 StGB) handelt. Vorliegend gelangte jedoch ein Verbrechen (§ 17 Abs 1 StGB) zur Aburteilung.

Überdies war die in der Hauptverhandlung vom 2. Dezember 2010 vorgenommene Verlesung des Protokolls über die Vernehmung der Ilse P***** durch die Gendarmerie unzulässig. Amtliche Protokolle über die Vernehmung von Zeugen gehören nicht zu den im Abs 2 des § 252 StPO bezeichneten Urkunden (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 122), sondern dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nur in den im Gesetz genannten Fällen (§ 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO) verlesen werden. Einer der dort genannten Ausnahmefälle lag nicht vor; insbesondere kann aus dem Nichterscheinen des Angeklagten zur Hauptverhandlung keine Verlesungszustimmung iSd § 252 Abs 1 Z 4 StPO abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0117012; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 103).

Da die unzulässige Verlesung nach der Beweiswürdigung des Landesgerichts Grundlage des Schuldspruchs war, gereichte die Formverletzung dem Angeklagten auch zum Nachteil. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das bezeichnete Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO). Die vom kassierten Urteil rechtslogisch abhängigen Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte