OGH 14Os181/08m

OGH14Os181/08m20.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trebuch als Schriftführer in der Strafsache gegen Dobrisav D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Momcilo J***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. August 2008, GZ 123 Hv 95/08d-102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im den Angeklagten Momcilo J***** betreffenden Schuldspruch C sowie demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Momcilo J***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuld- und Freisprüche der Mitangeklagten Dobrisav D***** und Veselin V***** enthaltenden Urteil wurde Momcilo J***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 (richtig:) dritter und vierter Fall, 15 StGB (A/I) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (B) sowie „der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB oder der Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB" (C) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

A/ im Zeitraum von 17. November 2007 bis zum 2. Jänner 2008 teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dobrisav D***** und Veselin V***** (A/I/a), teils alleine (A/I/b), mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von jeweils schweren und durch Einbruch begangenen Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in sechzehn Fällen siebzehn im Urteil namentlich genannten Personen durch Einbruch in deren Einfamilienhäuser Bargeld, Schmuck, Elektronikgeräte, Waffen, Briefmarken, ein Modellauto, Geschirr, Kleidung und andere verwertbare Gegenstände in überwiegend jeweils 3.000 Euro (A/I/a/aa/1 und 2; A/I/b/ba/2/a, b, c, e; A/I/b/ba/5), insgesamt 50.000 Euro übersteigendem Wert (Gesamtwert von zumindest 65.226,99 Euro) weggenommen bzw wegzunehmen versucht (A/I/a/ab/1 und 2; A/I/b/bb);

B/ im Zeitraum von 3. April bis 27. Juli 2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem bislang nicht ausgeforschten Mittäter („Marko") mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von jeweils schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Angestellte im Urteil näher bezeichneter Kreditinstitute durch die Vorgabe, verfügungsberechtigter Kontoinhaber zu sein, und unter Verwendung mit falschen Namen unterzeichneter Überweisungsbelege in zahlreichen Angriffen zur Überweisung von Beträgen in überwiegend (außer B/a/2 und 3; vgl US 4 iVm US 9) jeweils 3.000 Euro und insgesamt 50.000 Euro übersteigender Höhe (nämlich 91.409 Euro) von elf Konten im Urteil namentlich genannter Kunden dieser Kreditinstitute auf vier vom Angeklagten unter verschiedenen Namen eingerichtete Girokonten verleitet bzw zu verleiten versucht, wodurch den Kreditinstituten ein Schaden in Höhe dieser Überweisungen entstand oder entstehen sollte; C. „den Dobrisav D***** und den Veselin V***** bezüglich der Fakten der Anklageschrift A/I/5 bis 15 (= Fakten zu A/1/b des Urteilsspruchs) im konkreten Strafverfahren durch wissentlich falsche Angaben entweder anlässlich seiner Vernehmung vor der Polizei am 30. Jänner 2008 und am 6. Februar 2008 falsch belastet und diese sohin einer behördlichen Verfolgung wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung ausgesetzt, oder anlässlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung am 13. August 2008 durch die wahrheitswidrige Angabe, dass die beiden nicht Mittäter dieser Einbruchsdiebstähle waren, der Strafverfolgung wegen dieser Verbrechen absichtlich entzogen."

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen nominell aus den Gründen der Z 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Momcilo J***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Fehl geht zunächst das auf Z 11 (der Sache nach Z 5 und Z 10) gestützte Beschwerdevorbringen.

Der Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe zum Schuldspruch A einen 50.000 Euro übersteigenden Wert der Diebsbeute angenommen, ohne „dazu jedoch die erforderlichen Beweisergebnisse gewürdigt, bewertet und festgestellt" zu haben (der Sache nach Z 5 vierter Fall), unterlässt die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; statt aller: 13 Os 39/08x). Die Tatrichter haben die kritisierte Konstatierung nämlich - teilweise schon im Rahmen der Feststellungen - aus den (jeweils durch Bezugnahme auf die entsprechenden Aktenstellen spezifizierten) Ergebnissen der polizeilichen Erhebungen, den Angaben der Geschädigten und der insoweit geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers abgeleitet (US 13 ff, 18), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Soweit die Beschwerde der Sache nach behauptet, dass die Urteilsannahmen zum Schuldspruch B die Qualifikation des § 147 Abs 3 StGB nicht zu tragen vermögen (Z 10), entzieht sie sich schon deshalb einer sachbezogenen Erörterung, weil sie von der urteilsfremden Prämisse ausgeht, der Beschwerdeführer habe nach den Feststellungen „lediglich einen Schadensbetrag von maximal 43.000 Euro zu vertreten" und damit nicht auf den vom Gesetz verlangten Vergleich von festgestellten Tatsachen (vgl nämlich US 9 ff, wonach den geschädigten Bankinstituten durch die täuschungskausalen Vermögensverfügungen der Bankbeamten ein Schaden in Höhe von insgesamt 91.409 Euro entstand oder entstehen sollte, wobei der Angeklagte den Eintritt eines Vermögensnachteils in Höhe der Überweisungen ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand) und darauf angewendetem Gesetz abzielt (RIS-Justiz RS0099810). Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit Recht wendet sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) jedoch gegen die „alternative" Verurteilung wegen „der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB oder der Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB" (Schuldspruch C).

Hiezu stellten die Tatrichter im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer habe die beiden Mitangeklagten anlässlich seiner polizeilichen Einvernahmen vom 30. Jänner und vom 6. Februar 2008 in Betreff mehrerer von ihm begangener Einbruchsdiebstähle der Mittäterschaft bezichtigt, diese belastenden Angaben jedoch in der Hauptverhandlung vom 13. August 2008 widerrufen und deponiert, dass die Genannten definitiv nicht an diesen Straftaten beteiligt gewesen wären. Diese unterschiedlichen Angaben habe er jeweils in Kenntnis der wahren Identität seiner Mittäter gemacht und damit Dobrisav D***** und Veselin V***** „wissentlich falsch entweder be- oder entlastet" (US 17 f).

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, dass wahldeutige Feststellungen nur dann möglich sind, wenn jede der wahlweise getroffenen Annahmen zum gleichen rechtlichen Schluss führt, mit anderen Worten die selbe strafbare Handlung begründet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 23; Fabrizy StPO10 § 262 Rz 6), wovon - entgegen der vom erkennenden Schöffengericht vertretenen Auffassung (US 22) - bei den hier in Rede stehenden völlig verschiedenen und mit unterschiedlichen Strafdrohungen versehenen Tatbildern keine Rede sein kann. Abgesehen davon, dass das Urteil damit keinen klaren Ausspruch darüber enthält, welcher Taten sich der Angeklagte nach Ansicht des Erstgerichts schuldig gemacht hat und welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren er schuldig befunden wurde, begründet wird (§ 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO, § 281 Abs 1 Z 3 StPO), vermögen die zitierten - in sich widersprüchlichen - Konstatierungen weder den Schuldspruch nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB noch jenen nach § 299 Abs 1 StGB zu tragen, was Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bewirkt und Aufhebung des Urteils im Schuldspruch C und demzufolge auch des den Beschwerdeführer betreffenden Strafausspruchs samt Rückverweisung an das Erstgericht schon bei nichtöffentlicher Beratung nach sich zieht (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht - allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens - klare und eindeutige Feststellungen darüber zu treffen haben, welche bestimmte Tat der Angeklagte begangen hat und ihn demgemäß auch nur einer (oder mehrerer gleichartiger) strafbaren Handlung(en) schuldig erkennen können, sofern die Beweisergebnisse für einen Schuldspruch hinreichen. Weil eine Alternativanklage - wie sie im gegebenen Fall vorliegt - bereits dadurch erledigt wird, dass bezüglich einer der alternativ gegenübergestellten Handlungen ein Schuldspruch erfolgt, wäre im Übrigen in einem solchen Fall ein Freispruch wegen der anderen Tat entbehrlich (SSt 15/43; RIS-Justiz RS0097717, RS0097711). Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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