OGH 14Os177/95

OGH14Os177/955.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Bartholner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jorge Costa G***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Juli 1995, GZ 3 d Vr 5.512/94-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jorge Costa G***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Ihm liegt nach dem Inhalt des Schuldspruches zur Last, zwischen Feber 1993 und Mitte Feber 1994 in Wien

A) eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben, indem er seinen am 30.Oktober 1989 geborenen Sohn Sascha G***** am Penis streichelte bzw dessen Vorhaut zurückschob;

B) sein mj. Kind, nämlich den zu A) genannten Sascha G***** auf die

dort beschriebene Weise zur Unzucht mißbraucht zu haben, "um sich geschlechtlich zu erregen".

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO; den Schuldspruch ficht er mit Berufung an.

In der Hauptverhandlung vom 26.Mai 1995 hat der Sachverständige Univ.Prof.Dr.Max F***** sinngemäß ausgeführt, daß die Befragung von Kindern im Vorschulalter über Ereignisse, die drei bis sechs Monate zurückliegen, wegen des inzwischen fortgeschrittenen Verarbeitungsprozesses nicht zielführend ist. Angaben eines Kindes knapp nach dem Ereignis - hier: die Mitteilungen des Buben gegenüber seiner Mutter und einer Psychotherapeutin - sind "höher relevant" einzustufen als solche über länger zurückliegende Vorfälle (S 111).

Daraufhin stellte der Verteidiger den Antrag auf Beischaffung der (ihm als dortigem Privatbeteiligtenvertreter bekannten) Akten AZ 34 Vr 2.462/91, Hv 3.413/92 des Landesgerichtes Salzburg zum Beweis dafür, daß (vom selben Sachverständigen) "Untersuchungen eines Kindes auch außerhalb der genannten Frist erfolgreich durchgeführt wurden" (S 113).

Da zugleich eine ergänzende Befragung des mj.Sascha G***** durch den Sachverständigen Dr.F***** nicht beantragt worden ist, kann nicht ersehen werden, inwiefern durch die bloße Einsichtnahme in jenen Strafakt die Erkenntnisgrundlagen in diesem Verfahren hätten verbreitert werden können.

In der Beschwerdeschrift versucht die Verteidigung zwar, die Relevanz

ihres Beweisantrages nachträglich damit zu begründen, daß "im

Salzburger Prozeß ... der Sachverständige Dr.F***** den Verdacht von

Unzuchtshandlungen expressis verbis zum Ausdruck brachte", es aber

dennoch zu einem Freispruch gekommen ist, während hier ein

Schuldspruch erfolgte, obwohl sich das "Gutachten ... lediglich auf

die Aussagefähigkeit des Kindes beschränkte, der Sachverständige aber die Glaubwürdigkeit der gerichtlichen Entscheidung anheimstellte".

Dabei übersieht die Verteidigung jedoch, daß bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrages und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, weshalb erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art keine Berücksichtigung finden können. Davon abgesehen verkennt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen, daß die Beweislage in voneinander völlig unabhängigen Verfahren grundsätzlich nicht vergleichbar ist. Mit Recht hat daher das Erstgericht sein abweisliches Zwischenerkenntnis damit begründet, daß jene Strafsache "mit dem gegenständlichen Fall weder sachlich noch rechtlich etwas zu tun hat und auch andere Beschuldigte, Kinder und Zeugen betrifft" (S 115).

Verteidigungsrechte (Z 4) des Angeklagten sind damit also keinesfalls verletzt worden.

Ebenso verfehlt ist die Mängelrüge (Z 5). Soweit der Beschwerdeführer auch in diesem Rahmen gegen die Stichhältigkeit des Zwischenerkenntnisses remonstriert, ist er auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Im übrigen übersieht der Angeklagte, daß die Tatrichter ihren Schuldspruch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen allein gestützt haben, sondern auf Grund der von ihm attestierten Aussagefähigkeit des Kindes dessen außerprozessualen Angaben gefolgt ist, wie sie von seiner Mutter Verena G***** und der Psychotherapeutin Rosa H***** als Zeugen wiedergegeben worden sind (US 5).

Gegen die nach freier, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung (§ 258 Abs 2 StPO) des Schöffensenates festgestellten, dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen haben sich nach Prüfung des noch übrigen Beschwerdevorbringens (Z 5 a) an Hand der Akten auch keine erheblichen Bedenken ergeben.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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