OGH 14Os173/98

OGH14Os173/9818.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Leitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter K***** und Mario Kurt N***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Juli 1998, GZ 15 Vr 400/97-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Günter K***** und Mario Kurt N***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie von 1995 bis 20. März 1997 in Klingenbach als Zollwachebeamte mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf Einhebung der Umsatzsteuer zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die zollrechtliche Abfertigung durch Überprüfung der Touristenexporte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht, daß sie die ihnen von den abgesondert Verfolgten Anton J***** und Jenö I***** vorgelegten U-34 Formulare mit dem Abfertigungsstempel versahen, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere den tatsächlichen Export der darin angeführten Waren durch die ausländischen Abnehmer, die die Waren auch gekauft hatten, zu überprüfen, wobei durch die Tat ein jeweils 500.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt wurde, nämlich von Günter K***** in der Höhe von 1,765.145.02 S und von Mario Kurt N***** von 5,270.613,27 S (insgesamt 7,035.758,29 S).

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen kauften die ungarischen Staatsangehörigen Anton J***** und Jenö I*****, beide (ersichtlich) aus Budapest, in Wien bei den Firmen Georg S***** KG und Erwin A***** GmbH in großen - über den privaten Gebrauch hinausgehenden - Mengen Parfumerieartikel und führten sie am Grenzübergang Klingenbach im persönlichen Reisegepäck nach Ungarn aus, wobei sie mit den beiden Angeklagten, den Zollwachebeamten Günter K***** und Mario Kurt N*****, vereinbart hatten, daß in den als Ausfuhrnachweise verwendeten U-34 Formularen als Abnehmer fingierte Personen angegeben sein werden. Grund dieser auf Dauer angelegten Vereinbarung war, daß J***** und I***** die in Österreich gekauften Parfumerieartikel zur Zollersparnis nach Ungarn zu schmuggeln beabsichtigten und verhindern wollten, daß bei einer allfälligen Betretung in Ungarn durch Rückfrage in Österreich das gesamte Ausmaß des Schmuggels aufgedeckt werden könnte. Dafür sollten die Angeklagten "Parfums und andere Geschenke" erhalten.

In der Zeit von 1995 bis 20. März 1997 exportierten J***** und I***** gemäß dieser Vereinbarung Parfumeriewaren von Österreich nach Ungarn, wobei in den U-34 Formularen als Abnehmer teils fingierte, teils beim Export nicht anwesende Personen angegeben waren. Die beiden Angeklagten versahen diese Formulare teils sofort beim Grenzübertritt, teils später mit dem "Abfertigungsstempel", obwohl sie wußten, daß "lediglich I***** und J***** die Ausfuhr durchführten, nicht jedoch die in den Rechnungen angeführten Personen" (US 17). Für ihre Dienste erhielten die Angeklagten vereinbarungsgemäß Parfumerieartikel und andere Geschenke.

Die Angeklagten handelten - so stellt das Erstgericht fest - wissentlich in Ansehung des Befugnismißbrauches und mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf Einhebung der Umsatzsteuer zu schädigen. J***** und I***** ließen sich solcherart vorher bezahlte Umsatzsteuer in der Höhe von insgesamt 7,035.758,29 S rückvergüten.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht als wertqualifiziertes Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz StGB. Den Befugnismißbrauch erblickte der Schöffensenat in dem Umstand, daß die Angeklagten die ihnen von J***** und I***** vorgelegten U-34 Formulare "mit dem Abfertigungsstempel versahen, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere den tatsächlichen Export der darin angeführten Waren durch die ausländischen Abnehmer, die die Waren auch gekauft haben, zu überprüfen", und erachtete dadurch "das Recht der Republik Österreich auf Einhebung der Umsatzsteuer" mit der angegebenen Schadenssumme als beeinträchtigt (Urteilsspruch).

Im Ergebnis zutreffend weisen beide Beschwerdeführer in ihren Rechtsrügen (nominell K***** Z 10, N***** Z 9 lit a) darauf hin, daß diese Urteilskonstatierungen den Schuldspruch nicht zu tragen vermögen:

Rechtliche Beurteilung

Von den gemäß § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG steuerbaren Umsätzen sind die Ausfuhrlieferungen gemäß § 6 Abs 1 Z 1 UStG steuerfrei. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein (§ 6 Abs 1 letzter Satz UStG).

Nach § 7 Abs 1 UStG in der derzeit geltenden Fassung der Umsatzsteuergesetznovelle 1996, BGBl Nr 756/1996, (anzuwenden auf Umsätze und sonstige Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 1996 ausgeführt werden bzw sich ereignen - § 28 Abs 12 lit f UStG) liegt - fallbezogen - eine Ausfuhrlieferung vor, wenn (Z 2) der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrunde liegt, mit einem ausländischen Abnehmer (nach § 7 Abs 2 lit a UStG ein solcher Abnehmer, der keinen Wohnsitz im Inland hat) abgeschlossen und der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittland befördert oder versendet hat. Wird in den Fällen der Z 2 der Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erworben und durch den Abnehmer im persönlichen Reisegepäck ausgeführt, liegt (Z 3) eine Ausfuhrlieferung nur vor, wenn (a) der Abnehmer keinen Wohnsitz (Sitz) oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat, (b) der Gegenstand der Lieferung vor Ablauf des dritten Kalendermonates, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausgeführt wird und (c) der Gesamtbetrag der Rechnung für die von einem Unternehmer an den Abnehmer gelieferten Gegenstände 1.000 S übersteigt.

Gemäß § 7 Abs 4 UStG muß über die erfolgte Ausfuhr ein Ausfuhrnachweis erbracht werden, den der Unternehmer nach Abs 6 (idgF) in folgender Weise zu führen hat:

(Z 1) "im Falle des Abholens (Abs 1 Z 2 und Z 3) ... b) durch eine vom liefernden Unternehmer ausgestellte und mit der zollamtlichen Ausgangsbestätigung versehene Ausfuhrbescheinigung, wenn es sich um eine Ausfuhr im Reiseverkehr handelt oder eine schriftliche Anmeldung nach den zollrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich ist,

(Z 2) im Falle der Beförderung des Gegenstandes in das Drittland durch ... b) eine vom liefernden Unternehmer ausgestellte und mit der zollamtlichen Ausgangsbestätigung versehene Ausfuhrbescheinigung, wenn eine schriftliche Anmeldung nach den zollrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich ist".

Gemäß § 7 Abs 7 UStG haben die Belege für den Ausfuhrnachweis alle für die Beurteilung der Auslieferung erforderlichen Angaben, insbesondere auch Angaben zur Person des ausländischen Abnehmers und desjenigen, der den Gegenstand in das Drittland verbringt, zu enthalten.

Für Umsätze und sonstige Sachverhalte, die bis zum 31. Dezember 1996 ausgeführt wurden bzw sich ereigneten, liegt - fallbezogen - eine Ausfuhrlieferung nach § 7 Abs 1 UStG 1994, BGBl Nr 663/1994, vor, wenn (Z 2) der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrundeliegt, mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen hat und der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittland befördert oder versendet hat, ausgenommen jene Fälle, in welchen der Gesamtbetrag der Rechnung für die von einem Unternehmer an einen ausländischen Abnehmer gelieferten Gegenstände 1.000 S nicht übersteigt.

Durch die Umsatzsteuergesetznovelle 1996, trat in der Z 1 des § 7 Abs 6 UStG 1994, jeweils an die Stelle des Wortes "Austrittsbestätigung" das Wort "Ausgangsbestätigung" und an die Stelle der Zitierung "Abs 1 Z 2" die Zitierung "Abs 1 Z 2 und Z 3". Die lit b der Z 2 des § 7 Abs 6 UStG 1994 wurde um den zweiten Halbsatz erweitert.

Diesen Verpflichtungen wurde vorliegend dem Urteilssachverhalt zufolge insofern Rechnung getragen, als Anton J***** und Jenö I*****, ausländische Abnehmer im Sinn des § 7 Abs 2 lit a UStG, die angekauften Parfumeriewaren tatsächlich nach Ungarn ausgeführt haben. Dieser unter dem Gesichtspunkt der Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs 1 Z 1 UStG entscheidende Umstand (§§ 21, 22 BAO) wurde von den Angeklagten in den Ausgangsbestätigungen vermerkt. Daß die Angeklagten - mißbräuchlich - die Angabe fingierter Personen als Abnehmer bewußt tolerierten, ist für die Frage der Steuerfreiheit ohne Belang; maßgeblich ist allein der - nach den Urteilsfeststellungen anzunehmende - fehlende inländische Wohnsitz des Abnehmers. Die primäre Rechtsansicht des Erstgerichts, schon die Falschbekundung habe zufolge "nicht abgeführter Umsatzsteuer" eine Vermögensschädigung der Republik Österreich bewirkt, ist demzufolge nicht haltbar.

Inwieweit die Angeklagten "durch den Mißbrauch ihrer dienstlichen Befugnisse die Republik Ungarn in ihrem Recht auf Einhebung der Einfuhrabgaben in einem erheblichen Ausmaß geschädigt" haben (US 12; 15), ist dem Urteil nicht zu entnehmen, zumal ein ursächlicher Zusammenhang der hier zu beurteilenden Handlungen mit einem späteren Schmuggel der Parfumeriewaren nach Ungarn nicht zu erkennen ist und eine allfällige Beteiligung an einem zum Nachteil des ungarischen Staates begangenen Finanzvergehen in Österreich nicht strafbar wäre.

Verfehlt ist auch der Vorwurf, die Angeklagten hätten bei dem ihnen bekannten Sachverhalt "den tatsächlichen Export" der deklarierten Waren "durch die ausländischen Abnehmer" .... "überprüfen" müssen (Urteilsspruch), zumal insoweit die von ihnen bestätigten Umstände ja tatsächlich zutrafen.

Letztlich kann auch keine Rede davon sein, daß die Angeklagten die ihnen vorgelegten U-34 Formulare "nicht mit dem Abfertigungsstempel" hätten versehen dürfen (US 17). Denn auch bei korrekter Vorgangsweise hätten die Angeklagten - zumal ein Versagungsgrund (siehe Punkt 6. des U-34 Formulars, das als Beleg für den Ausfuhrnachweis mangels Vorliegens eines vom Bundesminister für Finanzen durch Verordnung zu bestimmenden Musters im Sinne des § 7 Abs 7 UStG nach wie vor in Verwendung steht; vgl Erlässe AÖF 87/1995 und AÖF 230/1997) nicht vorlag - die Ausgangs- bzw Austrittsbestätigung erteilen, dabei aber zum Abnehmer in der Rubrik 8.2. des U-34 Formulars entsprechend den zollbehördlichen Vorschriften (DAZ/Ausfuhr; vgl auch Erlaß AÖF 230/1997) nur feststellen müssen, daß Name und Anschrift des Abnehmers mit dem Grenzübertrittsdokument nicht übereinstimmen. Dieser Vermerk hätte zwar einen anderen manipulativen Vorgang nach sich gezogen, die Tatsache des Vorliegens der für die Befreiung von der Umsatzsteuer relevanten Voraussetzungen von Ausfuhrlieferungen aber nicht tangiert.

Der vom Erstgericht angenommene Befugnismißbrauch der beiden Angeklagten konnte demzufolge keine Schädigung der Republik Österreich an ihrem konkreten Recht, Steuern einzuheben bzw rückzuvergüten, herbeiführen und auch nicht von einem Vorsatz (s Leukauf/Steininger Komm3 § 7 RN 21) dahingehend getragen sein. Ein anderes konkret faßbares Recht, dessen Schädigung allenfalls in Betracht kommen könnte, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Damit fehlt dem Schuldspruch eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung, sodaß in Stattgebung der beiden Nichtigkeitsbeschwerden wie im Spruch zu entscheiden war.

Die den Entscheidungsgründen zu entnehmende illustrative Feststellung, daß die beiden Angeklagten als Entgelt für ihr Fehlverhalten diverse Parfumeriewaren erhalten haben, verlangt eine - vom Erstgericht verabsäumte - Prüfung, ob auch hinsichtlich dieser Waren die Befreiung von der Umsatzsteuer in Anspruch genommen worden ist; zutreffendenfalls wäre allein in Ansehung dieser Parfumerieartikel eine Vermögensschädigung des Staates möglich, was - bei entsprechendem Vorsatz - eine Beurteilung als Amtsmißbrauch nach sich ziehen könnte.

Sollten die angeführten Prämissen nicht objektivierbar sein, wird das Tatverhalten der beiden Angeklagten im zweiten Rechtsgang unter dem Gesichtspunkt der Tatbestände nach § 311 StGB und § 304 StGB zu prüfen sein.

Mit ihren Berufungen waren die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

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