OGH 14Os151/03

OGH14Os151/0327.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Silviu-Petru P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Silviu-Petru P***** und Sevdail A***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 2. Juni 2003, GZ 25 Hv 5/03b-41, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Silviu-Petru P***** und Sevdail A***** wurden des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil sie am 12. Oktober 2002 in Neuhofen an der Krems (zu ergänzen: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB) Silvia H***** mit Gewalt, nämlich dadurch, dass P***** sie entkleidete, an den Händen festhielt, seinen Penis in ihren Mund einführte und danach mit ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog, zur Vornahme eines Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, und Duldung des Beischlafes, und A***** dadurch, dass er ihr die Beine auseinander drückte und mit ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog, zur Duldung des Beischlafes genötigt haben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von P***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO, von A***** aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Beschwerde des Angeklagten P*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der von diesem Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge seine Verteidigungsrechte nicht verkürzt.

Den Antrag auf Einholung einer aktiven und passiven Rufdatenauswertung (des Mobiltelefonanschlusses Silvia H*****s vom 12. Oktober 2002, 0.00 Uhr bis 13. Oktober 2002, 24.00 Uhr) "zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes der Aussagen der Zeuginnen H***** und Z*****" hat das Schöffengericht mit der zutreffenden Begründung (S 322, US 9) abgewiesen, sei es unstrittig, dass zwei oder drei Telefonate von der Zeugin H***** geführt worden seien; die genaue Anzahl und Dauer der Telefonate stünden einerseits mit der Tathandlung in keinem Zusammenhang, andererseits könnten daraus keine Rückschlüsse auf den Grad ihrer Alkoholisierung, auf ihre Glaubwürdigkeit und ihre Handlungsfähigkeit gezogen werden. Vom durch die Führung zahlreicher Telefonate unter Beweis zu stellenden Umstand, dass H***** "keine völlig widerstandsunfähige Person gewesen sei", sind die Tatrichter - auch gestützt auf das gerichtsmedizinische Gutachten ON 38 - ohnehin ausgegangen (US 9). Letztlich wird in erster Instanz eine Zustimmung H***** zur Überwachung ihrer Telekommunikation nicht behauptet (§ 149a Abs 2 Z 1 StPO).

Der Antrag auf Vernehmung des Damir und der Ramiza M***** zum Inhalt des von Ersterem "mit H***** gegen 4.00 Uhr früh getätigten Telefonates" verfiel als reine Erkundungsbeweisführung zu Recht der Abweisung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Was die Behauptung, H***** habe M***** nach Beendigung der Beziehung durch Vortäuschen einer Schwangerschaft zur Rückkehr bewegen wollen, zur Beurteilung ihrer auf die hier in Rede stehende Tat bezogene Glaubwürdigkeit beitragen sollte, legt die Beschwerde nicht substanziiert dar. Die Interpretation einer Kurzmitteilung des Opfers an einen Angeklagten, nichts von der Tat zu erzählen, fällt nicht in den Bereich eines fachpsychologischen Gutachtens, sondern ist vielmehr von den erkennenden Richtern in freier Beweiswürdigung vorzunehmen. Zudem wird nicht behauptet, H*****, welche bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung erklärt hatte, nicht mehr zu Befragungen kommen zu wollen (S 191), werde sich dennoch zu einer Befundaufnahme durch einen Sachverständigen bereit finden (Ratz aaO Rz 350). Dies gilt auch für die hilfsweise begehrte neuerliche Vernehmung der Genannten (S 245 iVm S 320; Ratz aaO Rz 331). Angesichts des Umstands, dass die Zeugen Z***** (S 314) und J***** (S 318) den Hund der Familie H***** als zutraulich bezeichneten und das Tatopfer keine deutlich wahrnehmbaren Abwehrreaktionen schilderte, hätte der Antrag auf Einholung eines kynologischen Gutachtens einer besonderen Begründung zum Thema bedurft, der Hund hätte für den Fall einer Vergewaltigung "interveniert" bzw auch ein leises "Au" oder gar schmerzbedingte Schreie wären für den Hund "Anlass zur Interention" gewesen.

Zur Mängelrüge (Z 5) ist auszuführen, dass kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 zweiter Fall vorliegt, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse in extenso erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, erst im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt (vgl 13 Os 120/98).

In welchem Bereich des Körpers des Tatopfers - zumal bei einem dynamischen Vergewaltigungsvorgang - dessen Hände festgehalten werden, betrifft ebensowenig eine entscheidungswesentliche Tatsache wie Einschätzungen der Zeugen Z***** und J***** über Konsequenzen der Alkoholisierung H*****s.

Undeutlichkeit liegt vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Dem angefochtenen Urteil ist aber eindeutig zu entnehmen, dass der Angeklagte P***** die Hände der Zeugin gewaltsam festhielt, seinen Penis gegen den Willen des Mädchens zunächst in dessen Mund, dann in die Scheide einführte und ihm dadurch große Schmerzen zufügte (US 4). In Anbetracht der den Feststellungen zugrundegelegten Aussagen der als glaubwürdig erachteten Silvia H***** zur Gewaltanwendung sowohl hinsichtlich des Oral- als auch des Vaginalverkehrs (S 23) und zu ihrem Abwehrverhalten (S 175 ff), auf welche sich die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung bezogen (insbes US 6 f), liegt auch keine offenbar unzureichende Begründung der Urteilsfeststellungen zur Gewaltkomponente vor.

Der Beschwerde zuwider werden in den Gründen sowohl die innere Tatseite als auch behauptete Anbahnungsversuche von Seiten des Tatopfers logisch und empirisch einwandfrei erörtert (US 5 ff). Nach Prüfung des weiteren Beschwerdevorbringens (Z 5a) anhand der Akten ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:

Die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines fachpsychologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, "dass die Zeugin deshalb eine Kurzmitteilung an den Zweitangeklagten sendete, weil ihr im Nachhinein das freiwillige sexuelle Erlebnis unter Alkoholeinfluss peinlich war, nicht aber, weil sie vergewaltigt worden war" (S 321), stellt - wie bereits oben zur Beschwerde P*****s ausgeführt wurde - gleichfalls keine Einschränkung der Verteidigungsrechte A*****s dar (Z 4).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Über die von den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft außerdem erhobenen Berufungen wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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