OGH 14Os142/22x

OGH14Os142/22x16.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel LL.M. und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen * A* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG, AZ 64 Hv 103/21d des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten * N* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 6. Dezember 2022, AZ 8 Bs 194/22v (ON 1607 der Hv‑Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00142.22X.0116.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. März 2022, GZ 64 Hv 103/21d‑1417, wurde – soweit für das Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde von Bedeutung – * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft vom 22. März 2021, 07:01 Uhr bis zum 21. März 2022, 18:55 Uhr) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt (ON 1417 S 5).

[2] Danach hat sie in B* und andernorts ab einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 22. Juni 2016 bis Ende August 2018 unter Beteiligung von sieben Mitangeklagten, zwei abgesondert verfolgten, im Urteil namentlich genannten sowie weiteren unbekannten Tätern zur vorschriftswidrigen Ein‑ und Ausfuhr von Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 3.323.530 Stück Captagon‑Tabletten (darin enthalten 107.350 Gramm Amphetamin Reinsubstanz), in wiederholten Angriffen durch jeweils grenzüberschreitenden Transport vom Libanon über Belgien, Dänemark und Deutschland nach Österreich und – nach Umverpackung der Captagon‑Tabletten in Pizzaöfen, Industriewaschmaschinen und Industriewäschetrockner – weiter nach Saudi-Arabien dadurch beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass sie das angelieferte Suchtgift in ihren Hotels in N* und P* lagerte und in der Folge für den Weitertransport nach B* und V* in Fahrzeuge verlud, wobei sie die Taten als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG begangen hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Über die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten N* (ON 1587) sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 1553) wurde noch nicht entschieden, das Rechtsmittelverfahren ist beim Obersten Gerichtshof zu AZ 14 Os 110/22s anhängig.

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde der Angeklagten N* gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21. November 2022, GZ 64 Hv 103/21d‑1597, mit dem die über die Genannte am 24. März 2021 verhängte (ON 406) Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO erneutfortgesetzt (und deren Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft als Hausarrest gemäß § 173a StPO abgewiesen) worden war, nicht Folge und ordnete aus demselben Haftgrund die Fortsetzung der Untersuchungshaft an.

[5] Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten N*, die den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt.

[6] Indem die Beschwerdeführerin durch weitestgehend wortwörtliche Wiederholung des gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21. November 2022 erstatteten Rechtsmittelvorbringens (ON 1600) die Annahmen des Erstgerichts zum Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr sowie zur Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und zu deren Substituierbarkeit durch gelindere Mittel kritisiert, argumentiert sie nicht auf der Basis der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Haft, die aber (allein) Grundlage des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist (RIS‑Justiz RS0121605 [T3]; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 13 und 46 f sowie § 2 Rz 14).

[7] Im Übrigen sei dem umfangreichen diesbezüglichen Beschwerdevorbringen erwidert, dass für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Überlegungen zu einer allfällig zu erwartenden bedingten Entlassung sowie zu den Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln ohne Bedeutung sind (RIS‑Justiz RS0108401, RS0123343 [insb T3]; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO § 173 Rz 14).

[8] Zur Frage der Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) hat eine Grundrechtsbeschwerde konkret darzulegen, worin dem Beschwerdegericht, das diese verneint hat, insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen sei (RIS‑Justiz RS0116422 [T1]). Mit dem pauschalen Einwand, die Verneinung der Substituierbarkeit der Haft durch das Beschwerdegericht stelle einen „weiteren Grundrechtseingriff“ dar und der wörtlichen Wiedergabe des insoweit in der Haftbeschwerde erstatteten Vorbringens (vgl aber RIS‑Justiz RS0116422 [T2]) unterlässt die Beschwerde demnach die gebotene Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Argumentation des Beschwerdegerichts (BS 3 iVm BS 2; Kier in WK2 GRBG § 3 Rz 13 f, RIS‑Justiz RS0106464 [T3 und T4]).

[9] Beim elektronisch überwachten Hausarrest (§ 173a StPO) handelt es sich um eine besondere Form des Vollzugs der Untersuchungshaft, nicht aber um ein diese substituierendes gelinderes Mittel. Da die Bedingungen des Vollzugs von Freiheitsentzug nicht in den Schutzbereich des GRBG fallen (RIS‑Justiz RS0122737 [T16], RS0123350 [T3]; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 54), kann die von der Beschwerde kritisierte Ablehnung des Begehrens, die Untersuchungshaft in Form des Hausarrests fortzusetzen, somit nicht mit Grundrechtsbeschwerde bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0126401).

[10] Die Beschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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