OGH 14Os142/14k

OGH14Os142/14k20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Tischler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alpaslan E***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ibrahim A***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juni 2014, GZ 062 Hv 52/13i‑273, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00142.14K.0120.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Ibrahim A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit hier wesentlich ‑ Ibrahim A***** im zweiten Rechtsgang wegen der von der (Teil-)Aufhebung im ersten Rechtsgang (vgl dazu 14 Os 165/13s) betroffenen Tat erneut des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I) schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. August 2012 in W***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib „und“ Leben unter Verwendung einer Waffe Gerhard J***** als Pächter einer Tankstelle 1.447,92 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er eine Gaspistole gegen die Angestellte Cornelia M***** richtete, ihr einen Stoß versetzte, sie aufforderte, die Kasse zu öffnen und das Bargeld an sich nahm.

Das Schöffengericht verhängte hiefür unter

Einbeziehung der bereits im ersten Rechtsgang in (Teil-)Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf eine Vorverurteilung und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Zusatzstrafe von 11 ½ Jahren und ordnete gemäß § 21 Abs 2 StGB die Unterbringung des Ibrahim A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich gegen die Unterbringungsanordnung gerichtete, aus den Gründen der Z 3 und 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Dem Standpunkt der Verfahrensrüge (Z 3; vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 261) zuwider hat das Schöffengericht den in § 439 Abs 2 (unter Verweis auf § 429 Abs 2 Z 2) StPO bei sonstiger Nichtigkeit normierten Erfordernissen für die Anordnung einer freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB durch die in der Hauptverhandlung durchgeführte Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. D***** zu seinem ‑ die Unterbringungsvoraussetzungen betreffenden ‑ schriftlich erstatteten Gutachten (ON 203; ON 272 S 19 ff) entsprochen. „Beiziehung zumindest eines Sachverständigen“ im Sinn dieser Bestimmung bedeutet nämlich nichts anderes, als dass der von der Maßnahme Betroffene im Laufe des Verfahrens durch (zumindest einen) psychiatrischen Sachverständigen begutachtet werden und der Experte in der Hauptverhandlung vernommen oder dessen Befund und Gutachten nach Maßgabe des § 252 Abs 1 Z 2 und 4 StPO verlesen werden muss (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 259 f; [aM nur hinsichtlich der Verlesung von Befund und Gutachten] Murschetz, WK-StPO § 439 Rz 4 ff). Welche Untersuchungsmethoden ein Sachverständiger nach den Erfahrungen seiner Wissenschaft im einzelnen anwendet und in welcher Form sie durchgeführt werden, obliegt demgegenüber ‑ auch unter dem Aspekt der in § 127 Abs 3 erster Satz StPO beschriebenen Mängel von Befund und Gutachten, die (Antragstellung vorausgesetzt) aus Z 4 beachtlich wären ‑ alleine dem Experten selbst (RIS-Justiz RS0097355). Dass sich der psychiatrische Sachverständige Dr. D***** bei der testpsychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers einer Hilfskraft (nämlich der Psychologin Mag. F*****) bediente, deren Beiziehung das Gesetz im Übrigen ausdrücklich vorsieht (vgl §§ 24, 30 GebAG), begründet Nichtigkeit aus Z 3 demnach ebenso wenig wie die ‑ nach Ansicht des Beschwerdeführers unangemessen kurze ‑ etwa einstündige Dauer der Exploration durch den Experten persönlich (vgl dazu auch dessen Erläuterungen ON 200 S 27 ff).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (nominell Z 4, der Sache nach Z 4 iVm Z 11 erster Fall; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21-25 Rz 9) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Psychologin der Justizanstalt Garsten, Mag. Daniela S*****, als Zeugin zum Beweis dafür, dass beim Beschwerdeführer „die diagnostischen Kriterien einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht vorliegen und er nicht an einer seelisch-geistigen Abartigkeit höheren Grades im Sinn des § 21 Abs 2 StGB leidet“ (ON 272 S 27 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Gemäß § 154 Abs 1 StPO ist nämlich Zeuge eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende Tatsachen mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im Verfahren aussagen soll. Demgemäß hat eine Zeugenvernehmung nur Wahrnehmungen von Tatsachen zum Gegenstand, nicht aber - wie hier angestrebt - die Überprüfung von (alleine gerichtlich beeideten Sachverständigen vorbehaltenen) Schlüssen des Experten Dr. D***** aufgrund eigener Schlussfolgerungen oder Wertungen (RIS-Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 8; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351 f).

Fachliche Zweifel an der Expertise eines Sachverständigen sind ‑ wie bereits dargelegt ‑ nach § 127 Abs 3 erster Satz StPO durch dessen Befragung, falls diese nicht zum Ziel führt, durch Beiziehung eines weiteren Sachverständigen auszuräumen. Mängel im Sinn der genannten Norm, dass also der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft wäre (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16 ff), wurden im Antrag im Übrigen gar nicht behauptet.

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot ebenso auf sich zu beruhen wie der Verweis auf die ‑ in der Hauptverhandlung nicht wiederholten ‑ Ausführungen in einem Schriftsatz (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 310; für viele: RIS-Justiz RS0118060, RS0099099).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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