OGH 14Os138/93

OGH14Os138/9314.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Paul Nikolaus K* wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 7.Juni 1993, GZ 18 Vr 1701/87‑70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00138.9300000.0914.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Abwesenheitsurteil wurde Paul Nikolaus K* der Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG und des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs. 1 lit. c FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er Anfang November 1987 "dadurch, daß er 775 Kartons bzw. 15,500.000 Stück Zigaretten der Marke Winston, auf welchen Eingangsabgaben in der Höhe von 23,979.817 S lasten, von Ungarn über Österreich in die Schweiz per Bahn transportieren ließ,

1. eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen,

2. in Tateinheit hiemit vorangeführte Tabakwaren, sohin Monopolgegenstände, einem monopolrechtlichen Ein‑, Aus‑ oder Durchfuhrverbot zuwider ein‑, durch‑ und wieder ausgeführt".

 

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 3, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 3) bestreitet der Angeklagte das Vorliegen sämtlicher für die Fällung eines Abwesenheitsurteiles nach § 427 StPO erforderlichen Voraussetzungen mit der Argumentation, daß bei seiner am 26.September 1991 erfolgten Einvernahme durch den Untersuchungsrichter die vom Zeugen Zoltan B* erstmals am 11. bzw. 12.November 1992 gemachten Angaben über ein Zusammentreffen mit ihm in Budapest (in einem Hotel beim Abendessen und später im Freihafengelände Csepel) noch nicht aktenkundig gewesen seien; er sei daher vom Gericht nicht zu allen entscheidungswesentlichen Tatsachen und Beweismitteln gehört worden. Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß die ‑ mit seiner Zustimmung (S 552) erfolgte ‑ Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in seiner Abwesenheit nur dann eine Nichtigkeit (Z 3) begründet, wenn die im § 427 Abs. 1 StPO unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion normierten Voraussetzungen fehlen, wobei hinsichtlich der erforderlichen gerichtlichen Vernehmung eine in Abwesenheit des Angeklagten neu hervorgekommene Änderung des Sachverhaltes die Urteilsfällung gemäß § 427 StPO dann hindert, wenn sie eine weitere Qualifikation der Tat begründet oder zu einer Ausdehnung der Anklage führt. Dies trifft vorliegend nicht zu; im übrigen hat der Verteidiger bei der Vernehmung des Zeugen B* am 12.November 1992 vor dem Landesgericht Feldkirch von dem ihm zustehenden Fragerecht ohnedies Gebrauch gemacht (ON 55) und die in Rede stehenden Umstände im Einspruch (ON 57) gegen die Anklageschrift (ON 56) sowie in den Beweisanträgen (vom 25.Jänner 1993) ON 59 und (vom 26.Feber 1993) ON 61 ausdrücklich releviert. Die Beantwortung der Frage aber, ob ohne persönliche Vernehmung des Angeklagten (in der Hauptverhandlung) eine "vollkommen beruhigende" Aufklärung des Sachverhaltes erwartet werden kann (§ 427 Abs. 2 StPO), ist dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes überlassen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr. 73 zu § 427).

Der behauptete Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.

Das Vorbringen in der undifferenziert ausgeführten Mängel‑ und Tatsachenrüge läuft inhaltlich bloß auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der tatricherlichen Beweiswürdigung hinaus, indem versucht wird, die Glaubwürdigkeit des Zeugen B*, auf dessen Angaben die Tatrichter im wesentlichen den Schuldspruch gründeten und durch welche sie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachteten, nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen. Wenn der Beschwerdeführer mit Einwänden wie, das in den Eisenbahnwaggons neben den Zigaretten festgestellte Isoliermaterial "Isolith" habe nicht ‑ wie vom Erstgericht angenommen ‑ der Tarnung des Schmuggelgutes, sondern der "Bekämpfung bzw. Verhinderung von Diebstahl" gedient, ferner für die ihm im angefochtenen Urteil zugeschriebene "Rolle als Organisator" enthielten die "früheren Aussagen" des Zeugen B* (noch) keine Hinweise sowie die (ua) gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen M*, J*, P* und V* herangezogene Verwicklung in ungarische Verfahren treffe ebenso für den Zeugen B* zu, der Sache nach eine unvollständige bzw. aktenwidrige und widersprüchliche Begründung reklamiert, verkennt er das Wesen eines Begründungsmangels in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO; er übt vielmehr solcherart bloß Kritik daran, daß das Schöffengericht aus den Verfahrensergebnissen keine für ihn günstigeren Schlußfolgerungen gezogen hat. Im übrigen mußte sich das Urteil nicht im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen auseinandersetzen, sofern es nur ‑ wie vorliegend geschehen ‑ jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) , aus welchen die Tatrichter diesem Zeugen Glauben schenkten (vgl. US 8, 11).

Dem bezüglichen Beschwerdevorbringen fehlt aber auch, soweit es als Tatsachenrüge (Z 5 a) gewertet werden kann, die Eignung, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Feststellungen zu erwecken.

Bei dem Einwand schließlich, das Ersturteil lasse "jegliche Feststellungen" zur subjektiven Tatseite vermissen (inhaltlich Z 9 lit. a), übergeht die Beschwerde jene ausdrücklichen Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte, als "mit diesen Dingen ganz offensichtlich vertrauter Kaufmann", den hier aktuellen Durchfuhrschmuggel von Monopolgegenständen ‑ für den eine Abgabenhinterziehung nicht erforderlich ist (EvBl. 1983/156 ua) ‑ unter Verletzung der (im § 48 ZollG vorgeschriebenen) Stellungs- und Erklärungspflicht "bewußt und gewollt zusammen mit P* veranlaßt und organisiert" hat (US 7, 12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck (§ 285 i StPO).

 

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