OGH 14Os134/22w

OGH14Os134/22w14.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Ponath in der Strafsache gegen M* T* wegen Verbrechen der Vergewaltigungnach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 40 Hv 8/22t des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde desGenannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 25. Oktober 2022, AZ 7 Bs 236/22x, 7 Bs 241/22g, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00134.22W.1214.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Schlepperei/FPG

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. September 2022, GZ 40 Hv 8/22t‑40, wurde M* T* jeweils mehrererVerbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (1./a./) und in der geltenden Fassung (1./b./), sowie jeweils eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (2./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (3./) und der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.

[2] Danach hat er in H* und anderen Orten Österreichs

1./ von 16. September 2015 bis 31. Dezember 2019 (a./) und von 1. Jänner 2020 bis April 2021 (b./) J* T* in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl, durchschnittlich jedoch mindestens einmal im Monat, gegen ihren erkennbaren Willen mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indemer die Schlafzimmertüre versperrte, ihr gegenüber äußerte, sie umzubringen, sie und die Kinder zu schlagen oderdiesen die Rippen zu brechen, sollte sie den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht vollziehen, sie mit den Händen an den Schultern packte und kräftig festhielt, sie gewaltsam ins Bett zurückzog, aus dem sie sich mehrfach zu entfernen versuchte, dort ihre Schultern festhielt, sie am Rücken liegend ins Bett drückte und an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, wodurch sie blaue Flecken an den Handgelenken und an den Schultern erlitt;

2./ von 16. September 2015 bis 20. Juni 2021 gegen J* T* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich durch fortlaufende körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen, gefährliche Drohungen und Nötigungen, indem er

a./ sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2018/2019 durch gefährliche Drohung zum Unterlassen der Aufnahme einer Beziehung mit einem anderen Mann nötigte, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie eine neue Beziehung zu einem anderen Mann haben werde;

b./ ihr zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 mehrere Faustschläge und mehrere Schläge mit der flachen Hand gegen den Kopf versetzte, wodurch sie mehrere Tage Schmerzen verspürte;

c./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 eine Zigarette auf ihrem linken Bein ausdrückte, wodurch sie eine Brandwunde erlitt;

d./ sie zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten im genannten Zeitraum mehrfach gefährlich mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde ihr die Wirbelsäule brechen, dass sie anschließend behindert sei und er werde sie auch umbringen;

e./ zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten im genannten Zeitraum zumindest einmal wöchentlich ihr mit der flachen Hand und der Faust gegen den Kopf schlug, sie an den Haaren zog und zu Boden stieß, wodurch sie Hautrötungen und Hämatome am gesamten Körper erlitt;

3./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 * N* am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, indem er ihr ein Mund-Piercing sowie einen Ohrstecker herausschlug, wodurch sie blutende Wunden erlitt;

4./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2018/2019 Jo* T* am Körper zu verletzen versucht, indem er ihr mit dem Fuß in den Bauch trat.

[3] Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (soweit gegenständlich relevant) wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 39 S 31), über die der Oberste Gerichtshof noch nicht zu entscheiden hatte.

[4] Über Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete der Vorsitzende des Schöffengerichts am 26. September 2022 (im Anschluss an die Hauptverhandlung) die Festnahme des Angeklagten aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 170 Abs 1 Z 2 StPO an (ON 39 S 31, ON 41) und verhängte (nach Festnahme und Vernehmung desselben) mit Beschluss vom selben Tag aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO die Untersuchungshaft (ON 42 S 2, ON 43).

[5] Der gegen beide Beschlüsse gerichteten Beschwerde des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 25. Oktober 2022, AZ 7 Bs 236/22x, 7 Bs 241/22g, nicht Folge und setzte unter einem die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, die den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt.

[7] Indem der Beschwerdeführer durch wörtliche Wiederholung des gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch vom 26. September 2022 erstattetenRechtsmittelvorbringens die Annahmen des Erstgerichts zum Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr kritisiert, argumentiert er nicht auf Basis der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Haft, die aber (allein) Grundlage des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist (RIS‑Justiz RS0121605 [T3]).

[8] Die rechtliche Annahme einer der in § 170 Abs 1 Z 2 bis 4 und § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet [vgl dazu RIS‑Justiz RS0118317]) angesehen werden müsste (RIS‑Justiz RS0117806, RS0120458; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49).

[9] Diesen Vorgaben trägtdie Beschwerde nicht Rechnung, weil sie bloß behauptet, das Oberlandesgericht zitiere keine konkreten Umstände, die eine Fluchtgefahr indizieren, sich aber mit den (in der Beschwerde bloß wiedergegebenen) Annahmen des Oberlandesgerichts (ON 60 S 8) inhaltlich nicht auseinandersetzt.

[10] Indem der Beschwerdeführer die (vom Oberlandesgericht ins Kalkül gezogenen) Umstände hervorhebt, dass er gerichtlich unbescholten ist, sich in Österreich aufhält und hier (weiterhin) arbeiten kann, darüber hinaus einerseits die Erfolgsaussichten seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie andererseits seine familiäre Situation eigenständig thematisiertund eine „Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsbürgerschaft“ behauptet, zieht er bloß – ohne Willkür der Begründung zum Haftgrund der Fluchtgefahr anzusprechen – andere Schlüsse als das Oberlandesgericht.

[11] Die in derBeschwerdeschrift vorgenommene Wiedergabe von „Guidelines“ des EGMR (überdies) in englischer Sprache (vgl aber Art 8 Abs 1 B‑VG und § 53 Abs 1 Geo) ist einer inhaltlichen Erwiderung ebenso wenig zugänglich wie die Zitierung von Kommentarstellen zu Fragen des Haftrechts.

[12] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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