OGH 14Os132/09g

OGH14Os132/09g17.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas L***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. Juli 2009, GZ 16 Hv 67/09i-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas L***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und zweier Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 2005 und 8. April 2009 in F***** jeweils zwei Mal

1. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an seiner am 27. August 2002 geborenen, sohin unmündigen Tochter Christine L***** vorgenommen, indem er sie unter der Unterhose an der entblößten Scheide intensiv streichelte und

2. durch diese Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 1 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Einwand, das Schöffengericht sei in der Hauptverhandlung vom 1. Juli 2009 zufolge „Einbringung" der Anklage vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2009 mit einem Berufs- und zwei Laienrichtern nicht gehörig besetzt gewesen (Z 1), ist einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich, weil der Beschwerdeführer zur Erhebung einer Besetzungsrüge mangels Erfüllung der Rügeobliegenheit nicht legitimiert ist (§ 281 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz StPO). An einer solchen Rüge im Verlauf der Hauptverhandlung nicht gehindert gewesen zu sein, sie vielmehr bewusst unterlassen zu haben, „um nicht schlechte Stimmung ... zu machen", räumt er selbst ein (S 1 der BS; RIS-Justiz RS0119225). Auf die von der Staatsanwaltschaft zu Beginn der Hauptverhandlung erhobene Rüge des angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umstandes (ON 26 S 2) kann er sich - seinem Standpunkt zuwider - nicht berufen (vgl Z 1: dem Beschwerdeführer … von ihm … geltend gemacht wurde).

Im Übrigen ist das Schöffengericht - unabhängig vom Zeitpunkt der Einbringung oder Rechtswirksamkeit der Anklage - seit dem Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52) mit nur einem Berufs- und zwei Laienrichtern gehörig besetzt, womit die Senatszusammensetzung auch vorliegend dem Gesetz entsprach. Die Tatsachenrüge (Z 5a) spricht mit ihrem Vorbringen, das Erstgericht hätte unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Manfred W*****, wonach der Angeklagte im Tatzeitraum diskretions- und dispositionsfähig war, seine Taten zutiefst bereue und mit großer Wahrscheinlichkeit keine gleichgelagerten Straftaten mehr begehen werde, „unter Relativierung der Schuld des Beschuldigten das Schuldausmaß entsprechend reduzieren müssen und damit auch das Ausmaß der Strafe", keine entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände) an und bringt damit nicht den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund, sondern bloß ein Berufungsvorbringen zur Darstellung.

Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Tatrichter dem Angeklagten den Milderungsgrund bisher ordentlichen Lebenswandels ohne gesetzlichen Schuldnachweis und damit gegen Art 6 Abs 2 MRK ausschließlich mit Blick auf angeblich strafbares bereits verjährtes (gar nicht unter Anklage gestelltes) Verhalten („sexuelle Übergriffe gegenüber seiner damals sechs- bis siebenjährigen Nichte Carina Z*****" in den Jahren 1987 und 1988; US 6 ff; 10) ausdrücklich in Rechnung zu stellen abgelehnt haben (vgl auch E. Fuchs in WK² § 57 Rz 16). Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer nur in seiner - gemeinsam mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen - Berufung geltend gemacht, sodass für den Obersten Gerichtshof keine Veranlassung bestand, im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren auf die dadurch bewirkte Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall einzugehen (RIS-Justiz RS0119220, RS0114427; Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1 mwN und Auseinandersetzung mit der kritischen Stellungnahme Medigovic, WK-StPO § 433 Rz 25). Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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