OGH 14Os13/02

OGH14Os13/0228.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Oliver P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Zeljko K***** und Istvan V***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 20. Oktober 2001, GZ 37 Hv 522/01y-162, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Angeklagten Zeljko K***** und Istvan V***** sowie ihrer Verteidiger Dr. Breuer und Dr. Maurer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zeljko K***** wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage VII und das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch II, demzufolge auch im Ausspruch über dessen Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und die Sache an das Geschworenengericht beim Landesgericht Wiener Neustadt zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Zeljko K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Istvan V***** wird

verworfen.

Seiner Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten Istvan V***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der Mitangeklagten Oliver P***** und Hans Peter K***** sowie Teilfreisprüche enthaltenden - Urteil wurden Zeljko K***** und Istvan V***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (II) und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB (IV bzw V), Istvan V***** auch noch des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2 StGB (III B und C) schuldig erkannt.

Darnach haben Zeljko K***** (soweit für sein Rechtsmittelverfahren von Bedeutung) und Istvan V*****

II. am 28. März 2001 in Baden zur Ausführung der zu I angeführten Tat des Oliver P***** und des Hans Peter K*****, welche dort am selben Tag im einverständlichen Zusammenwirken den Franz P***** und die Margot P***** dadurch vorsätzlich getötet haben, dass Oliver P***** dem Franz P***** neun wuchtige Hammerschläge gegen den Schädel versetzt und ihm mit einem Messer achtmal ins Gesicht, einmal in den Hals, vierzehnmal in den linken Brustbereich, einmal in den rechten Brustbereich und in den Schulter- und Nackenbereich gestochen, danach der Margot P***** mit einem Messer sechsmal in den Augen- und Nasenbereich, einmal in die Achselhöhle und fünfmal in die Brust gestochen hat und Hans Peter K***** der Margot P***** vier wuchtige Hammerschläge gegen den Schädel versetzt und den Franz P***** festgehalten hat, während ihm Oliver P***** die bezeichneten neun Schläge gegen den Schädel versetzt hat, dadurch beigetragen, dass sie sich zur Tatzeit im Lokal "F*****" aufhielten und dort den Anschein erweckten, Oliver P***** und Hans Peter K***** wären gleichfalls im Lokal, um ihnen dadurch ein Alibi zu verschaffen und Istvan V***** zuvor die beiden mit seinem PKW zum Tatort brachte; sowie Istvan V*****

III. in Baden fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

B) zwischen 8. und 19. Feber 2001 im einverständlichen Zusammenwirken

mit Oliver P***** Verfügungsberechtigten der Pädagogischen Akademie Baden einen Videorecorder und eine Stereoanlage im Gesamtwert von 13.500 S sowie

C) zwischen 28. Dezember 2000 und 28. Jänner 2001 im

einverständlichen Zusammenwirken mit Hans Peter K***** in wiederholten Angriffen unbekannten Geschädigten einen Bargeldbetrag in der Höhe von 2.000 S, indem sie ca 40 versperrte Spinde, sohin Behältnisse, aufbrachen; sowie

V. am 23. März 2001 in Vösendorf zwei Autoradios im Wert von 12.000 S und einen Taschencomputer im Wert von 8.900 S, die Oliver P***** und Hans Peter K***** durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen, nämlich durch in III A 1 und 2 näher bezeichnete Diebstähle zum Nachteil der Firmen S***** und C***** erlangt hatten, an sich gebracht.

Lediglich gegen den stimmeneinhellig gefassten Schuldspruch in Bezug auf die Beitragstäterschaft zum Mord (II) richten sich jeweils auf die Gründe des § 345 Abs 1 Z 6, 8, 10a und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zeljko K*****:

Unter Hervorhebung einzelner die ursprünglichen, den Beschwerdeführer massiv in Richtung Beitragstäterschaft durch Zusage der Gewährung eines Alibis vor der Tat belastenden Angaben (vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 87, SSt 61/117) abschwächender Passagen in den Aussagen der Mitangeklagten Oliver P***** und Hans Peter K*****, insbesondere aber unter explizitem Hinweis auf seine eigenen Einlassungen vor dem Untersuchungsrichter am 25. April 2001, "zu seiner - das Alibi gewährenden - Aussage vor der Polizei (S 327/I) sei es dadurch gekommen, dass V*****, ihm, nachdem er im 'F*****' von K***** angerufen wurde, erklärt habe, dass er bei der Polizei angeben müsse, dass K***** und P***** die ganze Zeit vor dem 'F*****' gewesen seien; V***** habe ihm eben nach diesem Telefonat gesagt, dass K***** und P***** das Ehepaar P***** umgebracht hätten; er wurde also erst nach der Tat aufgefordert, ein Alibi zu geben", rügt Zeljko K***** mit Recht das Unterbleiben einer (wenngleich - sanktionslos - nicht angeregten) Fragestellung in Richtung des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (Z 6).

Mag sich der Beschwerdeführer auch in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Alibiabdeckung zur Gänze leugnend verantwortet haben (S 267 ff/VI), so fand die zitierte, die begehrte Eventualfrage indizierende Aussage im Vorverfahren durch Verlesung (S 505/VI) Eingang in die Hauptverhandlung. Ein die Verpflichtung zur Stellung einer Eventualfrage auslösendes "Vorbringen" von Tatsachen im Sinn des § 314 Abs 1 StPO ist nämlich nicht nur dann anzunehmen, wenn einschlägig relevante Tatsachen in der Hauptverhandlung geradezu (konkret) behauptet werden, sondern auch dann, wenn sie sich - wie hier - aus den darin vorgebrachten Beweismitteln mittelbar ergeben, also aus ihnen zu erschließen sind (JBl 1990, 262). Da der hier in Rede stehende prozessuale Tatbegriff in seltener Klarheit abgesteckt ist, die der Hauptfrage und der eventualiter zu stellenden Schuldfrage nach Begünstigung zugrunde liegenden historischen Sachverhalte nämlich nur im Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers vom Mord differieren, liegt auf der Hand, dass es durch Stellung der Eventualfrage im deshalb anzuordnenden zweiten Rechtsgang zu keiner Überschreitung der Anklage kommen kann (vgl etwa die reiche Judikatur hinsichtlich Diebstahl und Hehlerei). Auf das weitere Beschwerdevorbringen, sofern es nicht jenem ähnelt, welches bei der Behandlung des Rechtsmittels V*****s erörtert wird, erübrigte es sich einzugehen. Die Berufung Zeljko K***** wurde gegenstandslos.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Istvan V*****:

Die Fragenrüge (Z 6), in welcher der Beschwerdeführer bezüglich der Hauptfrage VIII konkrete Hinweise auf die ihm vorgeworfenen Tathandlungen, mittels welcher er den ihm zugerechneten "Anschein" (der Anwesenheit der beiden unmittelbaren Täter) erweckt hätte oder hätte erwecken sollen, vermisst, übergeht einerseits, dass die ihm darin angelastete Tathandlung in seiner Anwesenheit im Lokal "F*****" zum Zweck der Alibivortäuschung bestand. Zum anderen lässt sie außer Betracht, dass die Frage VIII auch nach dem von ihm zuvor durchgeführten (jedenfalls als konkrete Beitragshandlung zu beurteilenden) Transport der beiden unmittelbaren Täter in die Nähe des Tatorts gestellt (und einhellig bejaht) wurde.

Insofern Istvan V***** unter Hinweis auf seine Verantwortung und Passagen in den Aussagen Oliver P*****s, dessen Äußerungen über den geplanten Mord seien von niemand ernst genommen worden, und er habe sich geweigert, P***** und K***** vom Tatort abzuholen, eine (Eventual-)Fragestellung in Richtung des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB durch Beschaffung eines Alibis vermisst, ist sie nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers ausgeführt, weil sie (neuerlich) den ihm auch zur Last liegenden Tatbeitrag durch Transport der unmittelbaren Täter zum Tatort außer Acht lässt, zu welchem für den Fall der Bejahung der begehrten Eventualfrage nach Begünstigung noch eine zusätzliche Verurteilung wegen dieses Delikts (durch falsche Alibibeschaffung) erfolgen könnte.

Dem Einwand (Z 8), der sich mit der subjektiven Tatseite befassende Passus der Rechtsbelehrung ("bei der vorsätzlichen Beitragstäterschaft muss der Beitragstäter in seiner Person den subjektiven Tatbestand des betreffenden Deliktstyps erfüllen. Verlangt dieser einen spezifizierten Vorsatz, so muss dieser Vorsatz beim Beitragstäter gegeben sein."; S 30 der Rechtsbelehrung, S 589/VI) sei zwar richtig, für einen juristischen Laien jedoch unverständlich, ist entgegenzuhalten, dass ein maßgerechter, zu sorgfältigem Studium der Belehrung verpflichteter Laienrichter durch die, wenngleich schwer verständliche Textstelle über das auch für Beitragstäter geltende Vorsatzerfordernis nicht in Irrtum geführt werden konnte (vgl Mayerhofer StPO4 E 66a zu § 345 Abs 1 Z 8). Der weiteren Kritik zuwider bedurfte die auf derselben Seite der Rechtsbelehrung angeführte Passage, "der Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB könne vorsätzlich oder fahrlässig geleistet werden", keiner Ergänzung dahin, dass die Möglichkeit eines fahrlässigen Tatbeitrages auf Fahrlässigkeitsdelikte beschränkt ist. Denn der Wortlaut in der Hauptfrage VIII stellt unmissverständlich auf die (sogar qualifizierte) Vorsätzlichkeit der Beitragshandlung ab (arg: "um ihnen ein Alibi zu verschaffen und zuvor Verbringen der unmittelbaren Täter mit seinem PKW zum Tatort"), sodass - fallbezogen - eine ausführlichere Erörterung der Schuldform der Beteiligungshandlungen entbehrlich war (Mayerhofer aaO E 20). Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Aktenkundige Bedenken werden mit Spekulationen, die Geschworenen könnten auch einen bloß fahrlässigen Tatbeitrag angenommen haben, nicht geweckt. Dem Vorwurf eines gravierenden Verstoßes gegen die dem Gericht obliegende Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung durch "Übergehen der Behauptung einer brieflichen Warnung der Eltern des Angeklagten P***** durch den Beschwerdeführer" ist zu erwidern, dass nach neuerer Rechtsprechung Mängel der Sachverhaltsermittlung (im Sinn der Z 10a) nur insoweit gerügt werden können, als der Rechtsmittelwerber an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (13 Os 99/00, 13 Os 145/00, 14 Os 85/01 ua), was aber vorliegendenfalls zu verneinen ist.

Die eine Beurteilung der Alibiverschaffung in Richtung des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB fordernde Subsumtionsrüge übergeht neuerlich, dass dem Beschwerdeführer - was allein schon die Beurteilung seines Verhaltens als Beitragshandlung rechtfertigt - auch der Transport der beiden unmittelbaren Täter in seinem PKW zum Tatort angelastet wurde.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nach Lage des Falles die Zusicherung eines Alibis gerade für einen Täter, der die Tat schon oftmals und gegenüber einem größeren Personenkreis ("ganz Baden") angekündigt hatte, als die Tat fördernde Hilfe anzusehen ist (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 83), weil sich dieser, zumal bei vorgeblicher Auffindung der Leichen durch ihn, sogleich mit massivem Aufklärungsbedarf über seinen Aufenthalt zur Tatzeit konfrontiert sah.

Zur Berufung des Angeklagten Istvan V*****:

Das Geschworenengericht verhängte über diesen, am 15. November 1980 geborenen Angeklagten unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 36 StGB nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren, wobei es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, als mildernd die gerichtliche Unbescholtenheit und das Geständnis zu den Vermögensdelikten wertete. Der dagegen gerichteten, auf eine wesentliche Herabsetzung der Freiheitsstrafe antragenden Berufung zuwider kommt der behaupteten brieflichen Warnung der Tatopfer angesichts des dennoch geleisteten Tatbeitrags, der bei der Abstufung der Sanktion im Vergleich zu den über die unmittelbaren Täter verhängten Strafen zutreffend gewichtet wurde, keine mildernde Bedeutung zu.

Angesichts der Einlassungen des Rechtsmittelwerbers in der Hauptverhandlung, erst nach dem Mord Kenntnis von diesem erlangt zu haben (S 341 ff, 357/VI) fehlt es am angesprochenen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Die Mitwirkung an der versuchten Anheuerung eines Profikillers und der Beschaffung des von Oliver P***** kurz vor der Tat seinen Eltern applizierten Giftes relativieren die Sicht seines Tatbeitrags unter dem Aspekt falsch verstandener Kameradschaft.

Berücksichtigt man weiters, dass Istvan V***** bereits wenige Stunden nach der Tat gemeinsam mit den unmittelbaren Tätern ein Bordell aufsuchte und sich den Kontakt mit einer Prostituierten mittels eines aus der Wohnung der Getöteten angeeigneten Geldbetrages finanzieren ließ, so zeigt allein dies einen menschenverachtenden Charaktermangel, der einer Reduzierung der vom Geschworenengericht maßvoll knapp über der Mindeststrafe ausgemessenen Sanktion entgegensteht.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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