OGH 14Os127/09x

OGH14Os127/09x17.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aldin A***** und andere Angeklagte wegen mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall, 15, 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Kenan S***** sowie die Berufungen der Angeklagten Aldin A***** und Sasa K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. August 2009, GZ 163 Hv 55/09t-40, und weiters über die Beschwerde des Sasa K***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Kenan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Aldin A*****, Sasa K***** und Miroslav N***** enthaltenden Urteil wurde Kenan S***** zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall (zu A/II/2 auch nach § 15, zu B/I auch nach § 12 dritter Fall) StGB (A/II/2, B/I) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

A/II/2. am 12. Jänner 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sasa K***** dem Franz P***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe Bargeld wegzunehmen versucht, indem Sasa K***** eine Luftdruckpistole gegen diesen richtete und Kenan S***** in die Handkassa griff, wobei sie aufgrund der lauten Hilferufe des Bedrohten ohne Beute die Flucht ergriffen;

B/I am 22. Dezember 2008 dadurch, dass er die Tatausführung gemeinsam mit den unmittelbaren Tätern plante, den Tatort auskundschaftete, indem er sich unter der Vorgabe, sich nach den Hotelpreisen zu erkundigen, mit den Örtlichkeiten vertraut machte und sich sodann im Fahrzeug zur Flucht bereit hielt, dazu beigetragen, dass Sasa K***** und Miroslav N***** an diesem Tag unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Gaspistole, einem Angestellten des Hotels G***** S***** Bargeld durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben wegzunehmen versuchten, wobei sie aufgrund der Reaktion des Bedrohten ohne Beute die Flucht ergriffen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 3, 4 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Verfahrensrüge (nominell auch Z 3, der Sache nach nur Z 4) erfolgte die Abweisung (ON 38 S 47) des Antrags auf Vertagung der Hauptverhandlung „aus Zweckmäßigkeitsgründen" bis zur Rechtskraft des am 18. Mai 2009 zum AZ 449 Hv 2/09a des Landesgerichts für Strafsachen Wien gegen den Beschwerdeführer ergangenen - von der Staatsanwaltschaft mit Berufung bekämpften - Urteils, „allenfalls" auf Ausscheidung des ihn betreffenden Verfahrens und „Fortsetzung nach dem Termin der Berufungsverhandlung vor dem OLG Wien", weil „die Gefahr besteht, dass heute eine höhere Strafe herauskommt, wobei aber auf die alte Strafe Bedacht zu nehmen wäre" (ON 38 S 47), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten.

Eine Vertagung der Hauptverhandlung „aus Zweckmäßigkeitsgründen" ist im Gesetz nicht vorgesehen (§§ 273-276 iVm 226 StPO; §§ 9, 232 Abs 2 StPO; § 34 Abs 2 StGB; Art 6 Abs 1 MRK; Danek, WK-StPO § 273 Rz 1; Fabrizy StPO10 § 273 Rz 1; vgl auch 14 Os 123/08g [124/08d, 125/08a, 126/08y]). Dass die Rechtskraft des Vorurteils abzuwarten gewesen wäre, um den Beschwerdeführer vor Nachteilen aus dem Unterbleiben einer Bedachtnahme nach § 31 StGB zu schützen, trifft nicht zu:

Erwächst nämlich das Vorurteil noch vor Strafneubemessung oder Erledigung einer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung im Rechtsmittelverfahren in Rechtskraft, so ist § 31 StGB durch das Rechtsmittelgericht anzuwenden; auf das zeitliche Verhältnis der Urteilsfällung im früheren Verfahren zum angefochtenen Urteil im späteren Verfahren kommt es nicht an (Ratz in WK² § 31 Rz 3 f; EvBl 1989/51). Im von der Beschwerde angesprochenen - hier nicht aktuellen - Fall, dass das Rechtsmittelverfahren durch Rechtsmittelzurückziehung beendet wird, wäre dem Umstand, dass die Urteile zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, gemäß § 31a StGB und § 410 StPO Rechnung zu tragen und solcherart eine Schlechterstellung des Angeklagten zu verhindern gewesen, über dessen mehrere Straftaten in zeitlich getrennten Urteilen trotz Sanktionierungsmöglichkeit in einem einzigen entschieden wurde (vgl Ratz in WK² § 31a Rz 11).

Dem Hinweis der Sanktionsrüge (Z 11), die Verurteilung des Angeklagten im Verfahren AZ 449 Hv 2/09a des Landesgerichts für Strafsachen Wien sei mit der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Wien (vom 11. September 2009) „nunmehr" (also nach Fällung des angefochtenen Urteils, vgl auch US 10) rechtskräftig geworden, kommt nur für das Berufungsverfahren Bedeutung zu. Nichtigkeit iSd Z 11 wird damit nicht angesprochen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizierte [§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO]) Beschwerde des Sasa K***** gegen den Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit folgt (§§ 285i StPO, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Dabei wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben (Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1; RIS-Justiz RS0119220), dass das Schöffengericht im Schuldspruch B/I wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB zu Unrecht ausdrücklich von vollendeter Tatbegehung ausging, obwohl der von Sasa K***** und Miroslav N***** begangene Raubüberfall vom 22. Dezember 2008 (Schuldspruch A/II/1), zu dessen Ausführung der Beschwerdeführer beigetragen hat, nach den Feststellungen bloß versucht wurde (US 11 f; vgl dazu Fabrizy in WK² § 12 Rz 108 ff), und damit den - solcherart auch zum Schuldspruch B/I maßgebend gewesenen - Milderungsgrund des Versuchs (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) in Rechnung zu stellen abgelehnt hat (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; vgl 12 Os 119/06a = EvBl 2007/130, 700).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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