OGH 14Os120/15a

OGH14Os120/15a15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Rudolf K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. September 2015, GZ 24 Hv 90/15x‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00120.15A.1215.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Rudolf K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er im Mai 2015 in P***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, Andrea W***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu ihr äußerte „Du Sau, ich erstech Dich mit dem Messer“, wobei er die Ernstlichkeit der Drohung dadurch unterstrich, dass er in der rechten Hand „drohend erhoben einen ein Meter langen Stock hielt und damit in ihre Richtung fuchtelte“, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 (zu ergänzen:) Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.

Den darüber hinausgehenden Antrag der Staatsanwaltschaft, Rudolf K***** auch wegen weiterer, unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands begangener und dem Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB unterstellter Vorwürfe in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wies das Erstgericht (rechtskräftig) ab.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 8 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

Mit der Behauptung (nominell Z 5), das Erstgericht habe zur Frage bedingter Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme (§ 45 Abs 1 StGB) „keine Feststellungen dahingehend getroffen“, dass der Betroffene zu einer Depotmedikation bereit wäre, ihm ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt worden sei und sich ein „eindeutiger Behandlungserfolg“ durch die vorläufige Anhaltung eingestellt habe, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 728; ders in WK² StGB § 45 Rz 14; vgl auch RIS‑Justiz RS0100032).

Aus Z 8 macht die Beschwerde eine Verletzung des § 262 StPO mit dem Einwand geltend, das Erstgericht habe die Anlasstat rechtlich abweichend vom Unterbringungsantrag beurteilt, weil letzterer auf die Subsumtion mehrerer, zwischen Sommer 2012 und 3. Juli 2015 begangener Gewalthandlungen nach § 107b Abs 1 StGB gerichtet gewesen sei, weshalb der Betroffene zur geänderten rechtlichen Beurteilung des dem Einweisungserkenntnis (allein) zugrunde liegenden Vorfalls zu hören gewesen wäre.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO liegt stets dann vor, wenn ‑ ungeachtet der Identität von Anklage‑ und Urteilsfaktum im prozessualen Sinn ‑ der Angeklagte einer gegenüber dem inkriminierten Sachverhalt anderen Tat (auch bloß) im materiellen Sinn schuldig erkannt wird, sofern die dem Schuldspruch zu Grunde liegende Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jener des Anklagetenors (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) derart verschieden ist, dass sich die jeweils angenommenen Tatbilder nicht überdecken und das Gericht dem Erfordernis einer § 262 StPO und dem Grundrechtsgebot des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK entsprechenden Belehrung nicht Rechnung getragen hat.

Hingegen ist es bei Abweichungen geringerer Relevanz (zur Vermeidung unnötiger Rechtsgänge) Sache des Beschwerdeführers, im Rechtsmittel das Belehrungserfordernis (wenigstens einigermaßen) plausibel zu machen (RIS‑Justiz RS0121419, RS0113755).

Im konkreten Fall wurde (bereits) im Unterbringungsantrag der zu 3./ genannte Vorwurf - der alle Tatbildmerkmale des § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB enthält - als Drohung mit dem Tod dem Gewaltbegriff des § 107b Abs 2 StGB unterstellt (ON 24 S 2 und 4) und auf die Verdrängung der „ebenfalls hier verwirklichten Delikte nach §§ 83 Abs 1 und 107 Abs 1 und 2 StGB“ hingewiesen (ON 24 S 6), sodass ‑ mit Blick auf die einander überdeckenden Tatbilder (vgl Schwaighofer in WK 2 StGB § 107 Rz 19a und § 107b Rz 54; Winkler SbgK § 107b Rz 167) ‑ lediglich eine Abweichung geringer Relevanz vorliegt. Mit der abstrakten Behauptung, er wäre durch eine Belehrung nach § 262 erster Satz StPO „in die Lage versetzt worden, zur letztlich einzig verbliebenen Anlasstat weitere Beweisanträge zu seiner Entlastung auch von dieser Tat zu stellen“, macht der ‑ jegliche Drohungen leugnende ‑ Beschwerdeführer aber nicht plausibel, weshalb ihm durch das Unterbleiben der Anhörung die Möglichkeit genommen worden sein soll, sich zum der Unterbringungsanordnung letztlich zugrunde gelegten Vorwurf näher oder anders zu verantworten und auf diesen bezogene Fragen oder Anträge zu stellen, somit aufgrund des geänderten rechtlichen Gesichtspunkts seine Verteidigung eine andere gewesen wäre.

Soweit sich die Beschwerde auch im Rahmen der Sanktionsrüge (Z 11) gegen das Unterbleiben der bedingten Nachsicht der Unterbringung richtet, wird neuerlich bloß ein Berufungsgrund vorgebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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