OGH 14Os116/97

OGH14Os116/979.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Septem- ber 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Holzweber, Dr.Ratz und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kunz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario G***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 1 U 143/94 des Bezirksgerichtes Gleisdorf, über die vom Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 19.September 1994 (ON 6) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 19.September 1994, GZ 1 U 143/94-6, verletzt in seinem Strafausspruch das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 494 a Abs 1 Z 3 StPO, 28 Abs 1 StGB sowie 5 Z 4 und 5 JGG.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Gleisdorf die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 8.November 1993, GZ 1 U 171/93-8, wurde der am 7.August 1976 geborene (damals) Jugendliche (§ 1 Z 2 JGG) Mario G***** der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der deswegen zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 19.September 1994, GZ 1 U 143/94-6, wurde Mario G***** wegen einer während dieser Probezeit am 9.Juli 1994 verübten neuerlichen Jugendstraftat (§ 1 Z 3 JGG), nämlich des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, schuldig erkannt. Gemäß § 83 Abs 1 StGB (in der damals geltenden Fassung) und "unter Anwendung des § 28 Abs 1 und 2 StGB in nachträglicher Straffestsetzung zum Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf zu 1 U 171/93 vom 8.November 1993" verhängte das Bezirksgericht zum nunmehrigen Schuldspruch wegen § 83 Abs 1 StGB (vgl hiezu auch das Hauptverhandlungsprotokoll S 40) eine gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Wochen. Ferner erkannte das Bezirksgericht zum vorerwähnten Urteil vom 8.November 1993, GZ 1 U 171/93-8, auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (vgl hiezu neuerlich S 40 iVm S 42), ohne jedoch zugleich gemäß § 494 a Abs 1 Z 3 letzter Satz StPO auszusprechen, daß in diesem früheren Verfahren ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt.

Ferner unterließ das Bezirksgericht bei seinem Strafausspruch auch die Anwendung des § 5 Z 4 und 5 JGG.

Das Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 19.September 1994, GZ 1 U 143/94-6, steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Im Fall des nachträglichen Ausspruchs einer Strafe (§§ 15, 16 JGG) sind die Unrechtsfolgen gemäß § 494 a Abs 1 Z 3 StPO in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre. Damit schließt das Gesetz für die vorliegende Fallgestaltung einen nachträglichen Strafaus- spruch als gesonderte Unrechtsfolge grundsätzlich aus und schreibt insoweit eine von der Fiktion einer gemeinsamen Aburteilung aller zu ahndenden Taten ausgehende Festsetzung der Unrechtsfolgen nach den Bestimmungen über das Zusam- mentreffen strafbarer Handlungen (§ 28 StGB) bzw die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge (§ 29 StGB) vor. Zu gesonderten Strafaussprüchen darf die gemeinsame Stafbemessung daher nur dann führen, wenn die maßgebenden Vorschriften über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen derartige getrennte Strafen vorsehen, was aber hier nicht der Fall ist. Aufgrund der für die hier relevanten Vergehen (der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB aF) maßgebenden Strafdrohungen (jeweils Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen) wäre vorliegend daher nur eine Strafe zu verhängen gewesen. Der dagegen am nicht anwendbaren Kumulationsprinzip orientierte Ausspruch einer gesonderten Strafe für die im Schuldspruch des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 8.November 1993 festgestellten Straftaten erweist sich damit als verfehlt und wirkt sich auch zum Nachteil des Beschuldigten aus (RZ 1997/43; 14 Os 93/97).

Gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 494 a Abs 1 Z 3 zweiter Halbsatz StPO wäre aufgrund des nachträglichen Strafausspruches auch auszusprechen gewesen, daß im Verfahren zu AZ 1 U 171/93 des Bezirksgerichtes Gleisdorf, in dem der Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ergangen ist, ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt.

Da es sich bei allen dem Mario G***** zur Last liegenden Straftaten um Jugendstraftaten handelte (§ 1 Z 3 JGG), hatten bei der Strafbemessung die im § 5 JGG für die Ahndung solcher Straftaten vorgesehenen Sonderbestimmungen des § 5 JGG zur Anwendung zu gelangen. Darnach wird das Höchstmaß aller (sonst) angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen (Z 4) sowie das nach Tagessätzen bestimmte Höchstmaß von Geldstrafen (Z 5) auf die Hälfte herabgesetzt, wobei auch ein für Freiheitsstrafen vorgesehenes Mindestmaß zu entfallen hat.

Die Nichtanwendung dieser Bestimmungen hat zu einer sich zum Nachteil des Mario G***** führenden Überschreitung der dem Bezirksgericht Gleisdorf zustehenden Strafbefugnis geführt; stellt nach herrschender Auffassung doch jede Strafbemessung, der ein unrichtiger Strafrahmen zugrundeliegt, auch dann eine Überschreitung der Strafbefugnis des Gerichtes dar, wenn die verhängte Strafe innerhalb jenes Strafrahmens liegt, welcher richtigerweise anzuwenden gewesen wäre (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 36 b).

Die erforderliche (§ 292 letzter Satz StPO) Sanierung der Mängel konnte infolge Abwesenheit des Verurteilten nicht sogleich erfolgen, weshalb dem Erstgericht die partielle Erneuerung des Verfahrens aufzutragen war (vgl § 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte