OGH 14Os115/24d

OGH14Os115/24d16.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Prieth in der Strafsache gegen * N* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. September 2024, GZ 13 Hv 96/24s‑32.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00115.24D.1216.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB (I/A) und nach § 205 Abs 1 StGB (I/B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I/ * M*, der aufgrund eines frühkindlichen Autismus und einer leichtgradigen Intelligenzminderung, somit wegen einer geistigen Behinderung, unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht,

A/ dass er außer dem Fall des § 205 Abs 1 StGB an ihm eine geschlechtliche Handlung vornahm und eine solche von ihm an sich vornehmen ließ, und zwar

1/ im August 2018, indem er während eines Besuchs auf der Donauinsel den Penis des M* ergriff, Masturbationsbewegungen durchführte und diesen erfolgreich aufforderte, Gleiches bei ihm vorzunehmen;

2/ im Spätsommer/Herbst 2018, indem er mit seiner Hand in Hose und Unterhose des M* fuhr, dessen Penis ergriff und Masturbationsbewegungen durchführte sowie diesen anschließend aufforderte, Gleiches bei ihm vorzunehmen;

B/ dass er an M* dem Beischlaf gleichzusetzende und andere geschlechtliche Handlungen vornahm, und zwar zwischen Herbst 2018 und 21. Oktober 2021, indem er zweimal zunächst dessen Penis ergriff, Masturbationsbewegungen und später Oralverkehr an diesem durchführte, einmal M* erfolgreich zu Oralverkehr an ihm aufforderte sowie jeweils einmal in diesem Zeitraum den Anus des Opfers mit einem Finger und seiner Zunge penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die Verfahrensrüge (nominell Z 4) wendet ein, der Beschwerdeführer habe „keine gehörige“ Frist zur Vorbereitung auf die Vernehmung des Zeugen * Me* in der Hauptverhandlung (vgl ON 32.1, 31 ff) gehabt. Gemäß § 221 Abs 2 StPO steht jedoch nur die – hier zu Recht nicht behauptete (vgl ON 24 iVm dem Zustellnachweis im digitalen Akt) – nicht rechtzeitige Ladung von Angeklagtem und Verteidiger unter Nichtigkeitssanktion (Z 3). Ein Recht des Angeklagten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Hauptverhandlung von einer dort in Aussicht genommenen Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen, ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht (RIS‑Justiz RS0124393).

[5] Unter dem Aspekt einer aus Z 4 erstatteten Rüge scheitert das Vorbingen schon an fehlender Bezugnahme auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder vom Beschwerdeführer erhobenen Widerspruch (RIS-Justiz RS0099112).

[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) spricht mit ihrer zu I/B geäußerten Kritik an der Feststellung, der Beschwerdeführer habe einmal den After des Opfers mit seiner Zunge penetriert (US 5), keine entscheidende Tatsache an, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes bildet (RIS‑Justiz RS0117499). Diesem Punkt des Schuldspruchs liegt nämlich eine gleichartige Verbrechensmenge bloß pauschal individualisierter Taten zugrunde, weshalb Wegfall oder unrichtige Subsumtion bloß hinsichtlich einer der solcherart zusammengefassten Taten ohne Auswirkung auf die Schuld- oder die Subsumtionsfrage wären (RIS‑Justiz RS0117436, RS0116736; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33 und 576).

[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5a) moniert zu I/A/2 das Fehlen von Feststellungen zu einer – lediglich im Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) erwähnten – an das Opfer gerichteten Aufforderung, den Penis des Beschwerdeführers zu ergreifen und Masturbationsbewegungen durchzuführen. Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) mit dem in den Entscheidungsgründen festgestellten Sachverhalt und die Behauptung, dass dieser keine ausreichende Grundlage für jenen bilde (RIS‑Justiz RS0099810; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 269). Das Vorbringen legt indes nicht dar, weshalb das konstatierte Ergreifen des Penis des Opfers und die Durchführung von Masturbationsbewegungen an diesem (US 5) den Schuldspruch nach § 205 Abs 2 StGB nicht trage (vgl im Übrigen [zu mehreren geschlechtlichen Handlungen im Rahmen eines einzigen Angriffs und den prozessualen Konsequenzen einer tatbestandlichen Handlungseinheit] RIS‑Justiz RS0117038 [T1], RS0127374).

[8] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) zu I/B einwendet, das Erstgericht habe zu Unrecht das im Zusammenhang festgestellte Ergreifen des Penis des Opfers samt Durchführung von Masturbationsbewegungen (US 5) § 205 Abs 1 StGB subsumiert, legt sie nicht dar, weshalb diese Subsumtion angesichts der – wie bereits ausgeführt – insoweit vorliegenden gleichartigen Verbrechensmenge bloß pauschal individualisierter Taten und der ebenso konstatierten Vornahme von Oralverkehr verfehlt sei (vgl im Übrigen erneut RIS‑Justiz RS0117038 [T4]).

[9] Entgegen der – auf die unzutreffende Argumentation von Rechts- und Subsumtionsrüge aufbauenden – Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) wertete das Erstgericht das „Zusammentreffen mehrerer Verbrechen“ (vgl § 33 Abs 1 Z 1 StGB) auf Basis des Urteilssachverhalts zu Recht als erschwerend (US 15).

[10] Da die Tatrichter bedingte Nachsicht eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe (hier nach § 43a Abs 4 StGB) aus einzelfallbezogenen Erwägungen (und nicht bloß pauschal) ablehnten, enthält die Kritik daran bloß ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0100032, RS0099865).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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