OGH 14Os111/07s

OGH14Os111/07s16.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tomi S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Tomi S***** gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 27. April 2007, GZ 30 Hv 65/06v-359, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Tomi S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Tomi S***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I. 1.) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 143 erster Satz zweiter Fall StGB (I. 2.) und Daniel N***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (II.) schuldig erkannt.

Demnach haben am 5. Juli 1993 in Wals-Käferheim

I. Tomi S*****

1. Claudia D***** dadurch getötet, dass er mit einer unbekannten Faustfeuerwaffe in der Größenordnung von ca Kaliber 9 mm einen Schuss aus kurzer Entfernung gegen deren Hals abfeuerte;

2. dadurch, dass er mit einer unbekannten Faustfeuerwaffe in der Größenordnung von ca Kaliber 9 mm einen Schuss aus kurzer Entfernung gegen den Hals der Claudia D***** abfeuerte, dieser mit Gewalt gegen deren Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag in Höhe von ca 3.000 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;

II. Daniel N***** dadurch, dass er mit Tomi S***** vereinbarte, einen Taxilenker zu berauben und gemeinsam mit ihm das von Claudia D***** gelenkte Taxi bestieg, wodurch er eine psychische Hilfestellung leistete, dazu beigetragen, dass Tomi S***** Claudia D***** mit Gewalt gegen deren Person durch den Einsatz der Waffe als Schlaginstrument oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durch das Vorhalten der Waffe, also unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer unbekannten Faustfeuerwaffe in der Größenordnung von ca Kaliber 9 mm, eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag in der Höhe von 3.000 S, mit dem Vorsatz wegnahm, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Daniel N***** es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt werde. Während die Verurteilung des Angeklagten Daniel N***** in Rechtskraft erwuchs, bekämpft der Angeklagte Tomi S***** seinen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 1, 4, 5 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch unbegründet ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Besetzungsrüge (Z 1) bringt vor, „nunmehr" sei bekannt geworden, die dem Schwurgerichtshof angehörende Richterin Dr. Ilona M***** „soll" im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des (wegen der gegenständlichen Taten) gegen Peter H***** geführten Verfahrens „schon als Richterin oder aber noch als Richteramtsanwärterin" ausschließungsrelevante „Tätigkeiten gesetzt" haben, scheitert aber schon daran, dass sie nicht darlegt, aus welchem Grund der Angeklagte an der ehestmöglichen (vgl Fabrizy StPO9 § 281 Rz 30a) Rüge bei Beginn oder im Verlauf der Hauptverhandlung gehindert war (vgl RIS-Justiz RS0119225; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 143). Bloße Spekulationen über einen Ausschließungsgrund stellen überdies kein ausreichendes Substrat für den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 144).

Die ein Unterbleiben von Verlesungen nach § 252 StPO monierende Verfahrensrüge (Z 4) ist auf das vollen Beweis bietende Hauptverhandlungsprotokoll zu verweisen, demzufolge mit ausdrücklicher Zustimmung beider Verteidiger gemäß § 252 Abs 2a StPO der erhebliche Inhalt von detailliert bezeichneten Aktenstücken vorgetragen wurde (S 287 bis 309/XVII). Der gegen diesen Protokollsinhalt gerichtete Berichtigungsantrag (ON 376) wurde rechtskräftig abgewiesen (ON 384), sodass die Rügebehauptung, es seien den Geschworenen nicht verlesene Akten vorgelegt worden, jeglicher Grundlage entbehrt. Im Übrigen ist die ins Treffen geführte Vorschrift des § 322 StPO diesbezüglich nicht nichtigkeitsbewehrt (Philipp, WK-StPO § 322 Rz 1; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 9). Der weiteren Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Journalisten Christian Sp***** (insbesondere) zum Beweis dafür, „dass nur ein Mann im Taxi mitgefahren ist und die Tat verübt hat, ihm das von einem Zeugen glaubhaft berichtet wurde und sohin die Angaben des Angeklagten N***** falsch sind und die Täterschaft des Angeklagten S***** auszuschließen ist" (S 399/XI) sowie auf Exhumierung des Leichnams von Franko Dr***** und Durchführung einer DNA-Untersuchung zum Beweis dafür, dass das am Beifahrersitz gefundene Haar Nr 18 von jenem stamme (S 399/XI), keine Verteidigungsrechte verletzt. Denn einem auf Beweisaufnahmen abzielenden Antrag muss neben Beweismittel und Beweisthema auch zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für Schuld- und Subsumtionsfrage (im Fall analoger Anwendung der Z 4 im Rahmen einer Sanktionsrüge: für die Sanktionsfrage) von Bedeutung ist, sofern sich diese Umstände nicht unmissverständlich aus dem Zusammenhang ergeben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).

Dem Antrag auf Einvernahme des Zeugen Christian Sp***** gebricht es an letztgenanntem Erfordernis. Weshalb nämlich das erwartete Ergebnis der Beweisaufnahme - auch zur Spekulation der Involvierung der jugoslawischen Mafia -, nämlich ein Referat vager Behauptungen eines - zudem anonym gebliebenen - Informanten, über dessen Erkenntnisquellen nach dem Inhalt des Beweisantrags auch der begehrte Zeuge keine Auskunft geben könnte, sowie die Einschätzung der Glaubwürdigkeit dieses Unbekannten durch Christian Sp***** fallaktuell für Schuld- und Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte, wird aus dem Antragsvorbringen nicht klar.

Dem Antrag auf Vergleich der DNA eines am Beifahrersitz des Taxis der Getöteten aufgefundenen Haares mit jener der - zu exhumierenden - Leiche des Franko Dr***** sind hinwieder Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis (einer Zuordnung des Haares zu Franko Dr*****) auch erbringen werde, nicht zu entnehmen. Eine Beweisführung mit dem Ziel abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, ist zwar im Vorverfahren, nicht jedoch in der Hauptverhandlung zulässig (Erkundungsbeweis; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Im Übrigen lässt der Beweisantrag gleichermaßen völlig offen, weshalb selbst aus einem positiven Ergebnis der DNA-Untersuchung der (vom Antragsteller gezogene) Schluss darauf, dass Franko Dr***** „zur Tatzeit im Taxifahrzeug gewesen sei und sohin die Täterschaft des Angeklagten S***** auszuschließen sei", zu ziehen wäre. Ein im Rechtsmittel nachgetragenes Vorbringen zu weiteren möglicherweise zu erwartenden Angaben des Christian Sp***** und einer Beschreibung des anonymen Informanten durch diesen Zeugen sowie Spekulationen zu „selbstverständlich" regelmäßig durchgeführten Reinigungen von Taxis und dazu, dass Franko Dr***** (der Lebensgefährte des Tatopfers) nach Angaben namentlich genannter Zeugen „das stärkste Motiv für eine derartige Tat" hatte, sind schon deshalb nicht zielführend, weil allein der Antrag den Gegenstand der aus Z 4 relevierten Entscheidung des Gerichtshofes bildet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325, 327, 330; iglS Schmoller aaO § 3 Rz 63). Der Tatsachenrüge ist vorweg zu erwidern, dass der Nichtigkeitsgrund der Z 10a seinem Wesen nach erst greift, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftssätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht, weshalb auch eine nicht gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Geschworenen von der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson gerichtetes Vorbringen erhebliche Bedenken nicht zu erwecken vermag (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490 f, § 345 Rz 11 ff).

Gerade dies versucht aber die Rüge indem sie gegen die Überzeugung der Geschworenen von der Zuverlässigkeit der den Nichtigkeitswerber stets gleichlautend belastenden Tatbeschreibung (ausführlich S 279 ff/XI) des geständigen Mitangeklagten Daniel N***** argumentiert, es bestünden Zweifel an der Übereinstimmung einer gerichtlich untersuchten, mit fünf Zigaretten befüllten Packung der Marke L*****, an welcher die DNA-Spur des Daniel N***** anhaftet, die jedoch auf Tatortbildern nicht ersichtlich sein soll, mit jener Zigarettenpackung derselben Marke, deren Fund in unbefülltem Zustand in unmittelbarer Tatortnähe in einem Tatortbericht dokumentiert wurde und gegen die Annahme zweier Täter Aussagen referiert, wonach ein Zeuge (Karl B*****) nach einem Schuss den Laufschritt einer Person mit schwerem Schuhwerk wahrgenommen hat (S 98/XIII), ein anderer (Alexander Z*****) nichts Verlässliches dazu angeben konnte, ob er das Taxifahrzeug der Claudia D***** vor der Tat mit seinem Fahrzeug passierend eine Person am Beifahrersitz oder auch eine weitere im Fond des Taxis gesehen hat (S 353/XII) und ein weiterer Zeuge (Wolfgang Ni*****) deponierte. am vermutlichen Ausgangspunkt der Taxifahrt einen Mann mit einer Faustfeuerwaffe gesehen zu haben (S 157/III; vgl im Übrigen die weitergehenden Angaben dieses Zeugen in S 51/XII, wonach diese Person der Beschwerdeführer war, der sich in Begleitung des Daniel N***** befand), sowie ferner darauf verweist, dass ein Erhebungsbeamter in einer am 17. August 1994 ausgestrahlten Fernsehsendung den Einstieg einer Person in ein Taxi geschildert haben soll (S 6/XVIII).

Da die Niederschrift der Geschworenen eine Begründung für die Beweiswürdigung darstellt, kann sie nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden (Philipp, WK-StPO § 331 Rz 10; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 16), weshalb die bloß aus der Niederschrift (Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 358) ableitbare Kritik an den Laienrichtern, sie hätten sich „zur Begründung des Wahrspruchs auf das Gutachten von Prof. Ha***** gestützt" wohingegen das Gutachten von Prof. Mi*****, wonach „eine ausgeprägte Störung der Realitätskontrolle beim Mitangeklagten Daniel N***** vorgelegen ist", unberücksichtigt geblieben sei, schon aus diesem Grund den gesetzlichen Bezugspunkt einer Tatsachenrüge verfehlt. Im Übrigen hat der Sachverständige Univ. Prof. Dr. Bernhard Mi***** in restloser Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Reinhard Ha***** (S 159 ff [S 169, 171]/XIV) die uneingeschränkte Zeugnisfähigkeit des Daniel N***** attestiert (S 236 ff/XIII) und lediglich bezogen auf die Zeit 20. bis 23. Juni 1994 in einem Gutachten aus diesem Jahr die von der Zeugnisfähigkeit unabhängige Frage der Zurechnungsfähigkeit des damals jugendlichen Daniel N***** in Betreff eines Aussagedeliktes zufolge einer multifaktorellen Störung der Realitätskontrolle ohne produktive Symptome verneint (S 235 ff, 241 ff/XIII).

Schließlich erfüllt auch der erneut bloß gegen die Tatversion des Daniel N***** gerichtete Hinweis auf die Angaben der - nach den Beschwerdeausführungen in Strafverfahren wegen falscher Zeugenaussage involvierten - „Zeugen Ba***** und Na*****", wonach „Herr Peter H***** in der Tatnacht im Fahrzeug des Herrn Ba***** mitgenommen" und „eindeutig identifiziert" worden sei, die eingangs beschriebenen Kriterien einer gesetzeskonformen Tatsachenrüge nicht. Im Übrigen blieb der Zeuge Metiar R***** Ba***** zwar bei seiner früheren Aussage (ON 196), in der Tatnacht in Tatortnähe mit Peter H***** gesprochen zu haben, der ihm sein Wehrdienstbuch mit dem eingetragenen Abrüstungstermin 30. September 1993 gezeigt habe, konnte aber nach Vorhalt, dass dieses Datum im Wehrdienstbuch gar nicht aufscheine, nur erklären, dies sei ihm ein Rätsel (S 61/XVI). Auch der Zeuge Muhammad Na***** beharrte auf seiner Deposition, Peter H***** sei im Pkw des Zeugen Ba***** mitgefahren (S 73/XVI). Der Zeuge Peter H*****, der ursprünglich der urteilsgegenständlichen Verbrechen schuldig erkannt, nach Verfahrenswiederaufnahme jedoch freigesprochen worden war, gab an, in der Tatnacht gar nicht in Salzburg, sondern in Gmunden gewesen zu sein (S 50/XVI). Spekulationen über den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen erweisen sich jedoch im Lichte der von zahlreichen Indizien untermauerten, - wie beschrieben - den Nichtigkeitswerber belastenden Tatbeschreibung des geständigen Angeklagten Daniel N***** (insbes S 279 ff/XI) als ungeeignet, die vom Gesetz geforderten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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