OGH 14Os111/04

OGH14Os111/0416.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas H***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. Mai 2004, GZ 41 Hv 37/04h-9, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas H***** des Verbrechens (richtig der Verbrechen) nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG (I.) sowie des Vergehens (richtig der Vergehen) nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II.) schuldig erkannt. Danach hat er zwischen Anfang 1991 und 14. Februar 2004 in Tribuswinkel den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Cannabiskraut,

I. in "einer" großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) von ca 4.000 Gramm mit einem Reinsubstanzgehalt von 200 Gramm THC durch Anbau und Aufzucht von Hanfpflanzen erzeugt;

II. in wiederholten, periodisch wiederkehrenden Angriffen erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung der Anträge auf Vernehmung des Zeugen Dr. D***** zum Beweis dafür, dass die Krankheiten des Beschwerdeführers durch den Wirkstoff des Cannabis am besten und schonendsten behandelt werden können (S 77), sowie auf Einholung eines pharmakologischen und psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass THC im Bezug auf die gesundheitliche Situation des Angeklagten das schonendste Mittel ist, um seine Gesundheit zu erhalten (S 79).

Wie das Schöffengericht in der Begründung der Zwischenentscheidung zutreffend ausführte, kommt diesen Beweisthemen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil selbst dann, wenn man das angestrebte Beweisergebnis unterstellt, die Erzeugung von Cannabisprodukten durch den Erkrankten selbst und deren Besitz ohne ärztliche Verschreibung den bestehenden Vorschriften widerspricht. Danach ist die Erzeugung von Suchtmitteln nur Gewerbetreibenden mit Berechtigung zur Herstellung von Arzneimitteln sowie bestimmten wissenschaftlichen Instituten und Anstalten erlaubt (§ 6 Abs 1 Z 1 und 2 SMG). Deren Erwerb und Besitz hinwieder ist lediglich im Fall der Abgabe durch Apotheken (§ 7 Abs 1 und Abs 2 SMG) nach ärztlicher Verschreibung (§ 8 SMG) zulässig. Überdies steht der Anbau von Pflanzen zwecks Gewinnung von Suchtmitteln lediglich den im § 6 Abs 1 Z 2 SMG genannten Institutionen und diesen nur für wissenschaftliche Zwecke offen (§ 6 Abs 2 SMG).

Die in der Beschwerde zusätzlich vorgebrachten Begründungen für eine derartige Beweisaufnahme sind prozessual verspätet, weil im Rechtsmittelverfahren die Berechtigung des mit der bekämpften Zwischenentscheidung abgewiesenen Begehrens stets auf den Antragszeitpunkt bezogen geprüft wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Der Vorwurf unzureichender Begründung (Z 5) der - wie oben bereits dargelegt gar nicht entscheidungswesentlichen - Feststellung, wonach es sich bei den vorgebrachten Beschwerden des Angeklagten (Bluthochdruck, Rückenschmerzen und Schuppenflechte) um Alltagserkrankungen handle, an denen viele Menschen leiden und die auch mit legalen Medikamenten bekämpft werden könnten, zeigt weder einen Verstoß gegen die Gesetze folgerichtigen Denkens noch einen solchen gegen grundlegende, derartige Schlussfolgerungen zulassende Erfahrungssätze auf. Die in der Beschwerde als unabdingbare Voraussetzung zur Begründung dieser Urteilsannahme als notwendig erachtete körperliche Untersuchung des Andreas H***** ist für die statistische Häufigkeit der angeführten Leidenszustände und deren allgemeine Behandlungsfähigkeit ohne Belang.

Die einen Feststellungsmangel ("ob ich unter den angegebenen Krankheiten leide" bzw "ob ich aufgrund meiner mentalen Leiden und meines Magenleidens auch mit einer schulmedizinischen Medikation meine Krankheiten lindern oder heilen kann") zur vom erkennenden Gericht verneinten entschuldigenden Notstandssituation (§ 10 Abs 1 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) ignoriert, dass das Schöffengericht die vorgebrachten Erkrankungen des Andreas H***** als gegeben unterstellte, zugleich aber deren Behandlungsmöglichkeit mit legal zu erwerbenden Medikamenten konstatierte (US 5). Solcherart geht der Rechtsmittelwerber nicht von der Gesamtheit der Urteilsannahmen aus. Soweit die Beschwerde hingegen detailliertere Feststellungen zur Art der Krankheit und zu konkret dagegen einsetzbaren Medikamenten vermisst, unterlässt sie jegliche Darlegung, weshalb es dieser bedurft hätte.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Abschließend bleibt festzuhalten:

Der durch die Erzeugung von Suchtmitteln bewirkte originäre Erwerb derselben ist mangels eines Gewahrsamsübergangs von einem Vorbesitzer - entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes - nicht auch dem § 27 Abs 1 erster Fall SMG zu unterstellen (vgl 12 Os 120/03). Der nachfolgende, über die Erzeugung hinausgehende und mit deren Abschluss nicht notwendig einhergehende Besitz von geerntetem Cannabiskraut iSd § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG bleibt hingegen zusätzlich zum schon verwirklichten Suchtgiftverbrechen nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG strafbar (vgl wiederum 12 Os 120/03). Da dem Angeklagten (ungeachtet der mehrfach verwirklichten Straftaten) lediglich ein Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG zur Last gelegt wurde, wirkte sich diese unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zu seinem Nachteil aus, sodass kein Anlass zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO besteht.

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