OGH 14Os11/02

OGH14Os11/0228.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erna M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 12. Oktober 2001, AZ 602 Hv 302/01x, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Angeklagten sowie ihres Verteidigers Dr. Schlögl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erna M***** - abweichend von der wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage - des Vergehens nach § 63 Abs 2 Z 1 zweiter Fall LMG schuldig erkannt, weil sie als Geschäftsführerin und Verantwortliche der Anton M***** GmbH in der Zeit vom 6. Juni 2000 bis 31. August 2000 in Untersiebenbrunn Lebensmittel, nämlich 348.233 kg konventionell angebaute Kartoffeln und 20.498 kg konventionell angebaute Zwiebeln als Bioprodukte in Verkehr gebracht hatte, von denen sie wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass sie falsch bezeichnet waren, wobei im Österreichischen Lebensmittelbuch Bestimmungen darüber bestanden.

Ausgehend von jenen (auf ein in der Hauptverhandlung vorgetragenes Sachverständigengutachten [AS 185 ff] gestützten) Urteilsfeststellungen, wonach zwischen diesen von der Angeklagten in Verkehr gesetzten Kartoffeln und Zwiebeln einerseits und Bioprodukten derselben Sorte anderseits weder in der substantiellen Zusammensetzung noch hinsichtlich des Geschmacks oder der agrarchemischen Rückstände ein ins Gewicht fallender Qualitätsunterschied bestand (US 5), verneinte das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung 13 Os 183/86 des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1987/183 = JBl 1987, 395 = RZ 1987/31) das Vorliegen des Tatbestandes des Betruges zufolge Fehlens des Tatbildmerkmals der Schädigungsabsicht (richtig: des Schädigungsvorsatzes) und unterstellte den - von der Angeklagebehörde im Hinblick auf die Höhe des verschiedenen Nahversorgern dadurch erwachsenen (Differenz-)Schadens von insgesamt S 1,620.972,-- und die Vorgangsweise als gewerbsmäßig schweren Betrug nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB qualifizierten - Sachverhalt (lediglich) dem angeführten Tatbestand des Lebensmittelgesetzes.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie hervorhebt, dass die Angeklagte ihre Vertragspartner - demnach nicht die Konsumenten, sondern die in der Anklage angeführten "Berechtigten diverser Nahversorger" - nicht nur über die Herkunft der gegenständlichen Produkte aus biologischer Landwirtschaft und die damit verbundenen Qualitätsunterschiede, sondern auch über den Marktpreis getäuscht und hiedurch - ungeachtet der Überwälzung durch Weiterverkauf - am Vermögen geschädigt und sich dadurch unrechtmäßig bereichert hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeansicht ist beizupflichten:

Zunächst ist festzuhalten, dass die vom Erstgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Wesentlichen von der Prämisse ausging, die Annahme eines relevanten (Vermögens-)Schadens sei im Regelfall ausgeschlossen, wenn es dem Konsumenten bei einer Ware nicht auf deren Bezeichnung, sondern - im Einzelfall - (nur) auf deren (objektive) Qualität ankommt.

Davon kann aber im Zusammenhang mit dem Kauf von als biologische Erzeugnisse bezeichneten landwirtschaftlichen Produkten nicht die Rede sein. Sind doch für den Konsumenten beim Kauf solcher Waren nicht nur die im Urteil angeführten Kriterien des Geschmacks, der Inhaltsstoffe und des Fehlens agrarchemischer Rückstände (Pestizidanteile bei ca 10 % der nicht biologisch erzeugten Erdäpfel) maßgeblich, sondern er kann im Hinblick auf die von der zuständigen Behörde zahlreich und detailliert erlassenen Produktionsrichtlinien, insbesondere hinsichtlich der Nichtanwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide sowie von Wachstumsregulatoren und Welkmitteln, der Lage der Anbauflächen, des Ausschlusses bestimmter Düngemittel und bestimmten Saatgutes sowie der Anwendung bestimmter biologischer Bewirtschaftungsmittel (ÖLMB Kapitel A 8 Teilkapitel A) vom Erfordernis eines höheren sachlichen und personellen Aufwandes und damit von einer Rechtfertigung des gegenüber dem für konventionell erzeugte landwirtschaftliche Produkte höheren Marktpreises ausgehen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, dass der getäuschte Käufer ohne die (in der falschen Warenbezeichnung bestehende, verkehrsinadäquate) Täuschung den höheren Kaufpreis nicht bezahlt hätte (Leukauf/Steininger StGB3 RN 49, Kienapfel BT II3 Rz 57 ff, jeweils zu § 146 StGB). Dem höheren Preis (Differenz pro Kilogramm 3,82 S bei Kartoffeln und 1,45 S bei Zwiebeln; US 5) stand kein entsprechendes Äquivalent (hier minderwertige Ware) gegenüber, was zu einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz (iSd Differenzschadens) führte (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 66 f).

Darüber hinaus hat das Erstgericht auch übersehen, dass nach den Urteilsfeststellungen durch den Verkauf der konventionell erzeugten Kartoffeln und Zwiebeln als "Bioprodukte" an die in der Entscheidungsgründen angeführten Großabnehmer bereits bei diesen ein effektiver Verlust an Vermögenssubstanz eingetreten ist, weil sie als redliche Kaufleute die von den Angeklagten erworbenen Waren nicht unter der falschen Vorgabe, es handle sich dabei um biologisch angebaute Produkte, zum höheren Preis für solche Erzeugnisse (US 5) hätte weiterverkaufen dürfen.

Selbst eine (im Urteil nicht festgestellte, gutgläubige) Überwälzung des Schadens an die Endverbraucher hätte nichts daran geändert, dass die Vertragspartner der Angeklagten - wenn auch nur vorübergehend (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 60, Leukauf/Steininger aaO § 146 RN 44) - geschädigt wurden (SSt 58/18).

Zufolge unrichtiger Rechtsansicht hat das Erstgericht nicht die für die Beurteilung des inkriminierten Sachverhaltes als Betrug erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen. Die (unbestrittenen) Urteilsannahmen, wonach die Angeklagte die falsche Kennzeichnung und Verpackung der auf herkömmliche Weise angebauten Kartoffeln und Zwiebeln selbst veranlasst und diese an verschiedene Nahversorgungsunternehmen zum höheren Preis für Bioprodukte verkauft hat, indizieren jedoch das Vorliegen eines tatbestandsessentiellen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Anordnung der Verfahrenserneuerung durch das Erstgericht sind daher unumgänglich. Damit ist die Berufung gegenstandslos.

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