OGH 14Os106/15t

OGH14Os106/15t15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Istvan M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Istvan M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 6. Juli 2015, GZ 38 Hv 17/15g‑102, sowie über dessen Beschwerde gegen die Verweigerung einer Urteilsangleichung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00106.15T.1215.000

 

Spruch:

In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der den Schuldsprüchen beider Angeklagter zugrunde liegenden Taten auch unter § 128 Abs 2 StGB, in den zu den Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheiten und demgemäß in den Strafaussprüchen (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnungen) aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird Istvan M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch einen verfehlt in Beschlussform ergangenen Ausspruch über die Vorhaftanrechnung enthaltenden (vgl 12 Os 96/15g) ‑ Urteil wurden Istvan M***** und György C***** jeweils des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie im einverständlichen Zusammenwirken mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen Personen fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert von insgesamt 50.340,12 Euro sowie zu 5 b, 6 und 8 b auch „unbekannten Wertes“, weggenommen (1./ bis 9./) und wegzunehmen versucht (10./), wobei sie in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:

„1./ am 23. Dezember 2014 in B***** G***** Verfügungsberechtigten des Hotels A***** E***** alkoholische Getränke im Gesamtwert von 1.278 Euro,

2./ am 5. Jänner 2015 in B***** G***** Verfügungsberechtigten des Hotels M***** durch Öffnen eines Tresors mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel 10.000 Euro an Bargeld, einen iPod im Wert von ca 100 Euro und eine Kellnerbrieftasche samt 100 Euro an Bargeld,

3./ am 25. Jänner 2015 in M***** Verfügungsberechtigten des Sporthotels A***** durch Aufzwängen der Eingangstüren sowie durch

Aufbrechen zweier Sparschweine und einer Handkasse 450 Euro an Bargeld sowie 1.350 Euro an Bargeld aus einem Möbeltresor,

4./ am 30. Jänner 2015 in B***** H***** Verfügungsberechtigten des K***** durch Aufbrechen einer Türe 50 Euro an Bargeld,

5./ zwischen 19. und 23. Februar 2015 in B***** G*****

a./ Josef B***** durch Abmontieren eines Fenstergitters und Einsteigen über das Fenster diverse Bekleidung sowie Schiausrüstung, Kosmetikartikel und Elektroartikel im Gesamtwert von ca 20.000 Euro und

b./ Michael P***** durch Aufbrechen eines Fensters Elektrogeräte sowie Schizubehör unbekannten Wertes,

6./ am 19. Februar 2015 in B***** G***** Verfügungsberechtigten des Hotels S***** durch Aufdrücken einer Schiebetüre einen Schlüsseltresor und ein Mobiltelefon der Marke Samsung Galaxy S4 Black Dual mit der Imei‑Nr ***** von unbekanntem Wert,

7./ zwischen 27. Februar 2015 und 1. März 2015 in B***** Go***** Verfügungsberechtigten der Firma S***** durch Aufbrechen der Eingangstüre einen blauen Rotationslaser der Marke Topcorn, eine Schlagbohrmaschine der Marke Hitachi und einen Akku‑Schlagschrauber der Marke Hitachi sowie Bargeld im Gesamtwert von ca 2.950 Euro,

8./ am 1. März 2015

a./ in B***** I***** Verfügungsberechtigten des Hotels H***** durch Aufbrechen eines Fensters 950 Euro an Bargeld und eine Holzkassette aus Fichtenholz mit zwei Edelbränden im Wert von ca 120 Euro,

b./ in B***** Go***** Verfügungsberechtigten der Raumausstatterfirma R***** durch Einsteigen über ein Fenster fünf Wolldecken mit Fransen, Farbe beige, eine Mohairwolldecke, Farbe magenta, eine Fotokamera der Marke Canon EOS 700D mit Fotorucksack und Objektiv, zwei Blitzgeräte und zwei Fotokameras der Marke Canon von unbekanntem Wert sowie 450 Euro an Bargeld,

c./ in S***** Verfügungsberechtigten des Möbelhauses B***** durch Aufbrechen eines Fensters einen Staubsauger der Marke Bosch PSG 6 PRO1, vier Salz-und Pfeffermühlen der Marke WMF, eine Armatur Modell Just der Kommision Brecha, zwei Kochtöpfe der Firma Silit, 34 Stück Outdoor‑Bekleidung für Damen und Herren wie Winterjacken, Parkas, Fleece‑Jacken, Pullover der Marke 8848 in bunten Farben und zwei Messerblöcke mit dazugehörigen Messern im Gesamtwert von ca 7.500 Euro,

9./ am 5. März 2015 in A***** Verfügungsberechtigten der Firma A***** durch Aufbrechen eines Fensters, wobei sie anschließend versuchten, den Wandtresor mit einem Winkelschleifer vor Ort aufzubrechen, 1.700 Euro an Bargeld und

10./ am 6. März 2015 in S***** Verfügungsberechtigten der Firma M***** durch Aufbrechen eines Fensters einen Brausemischer, eine Brausegarnitur, ein Brauseset, eine Thermostat-Wannenbatterie, eine Küchenarmatur sowie Zubehör im Gesamtwert von 3.342,12 Euro, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.“

Rechtliche Beurteilung

Allein gegen die Annahme der Qualifikation nach § 128 Abs 2 StGB richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Istvan M***** aus Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO. Sie ist im Recht und gibt überdies Anlass zu amtswegigem Vorgehen aus § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO hinsichtlich des Mitangeklagten.

Zutreffend zeigt die Verfahrensrüge (Z 3) eine die Qualifikationsgrenze von 50.000 Euro (§ 128 Abs 2 StGB) betreffende Abweichung zwischen mündlich verkündetem Urteil und schriftlicher Urteilsausfertigung auf. Denn in dieser wird dem Angeklagten (im Punkt 3./) ‑ anders als im diesbezüglichen Ausspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Rahmen der Hauptverhandlung (vgl ON 101 S 9 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss ON 124) ‑ auch noch der Diebstahl von „1.350 € an Bargeld aus einem Möbeltresor“ angelastet.

Darüber hinaus macht die Mängelrüge (der Sache nach aus Z 5 vierter Fall) zu Recht eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zum Wert der Diebesbeute (US 5 f) geltend. Denn das Erstgericht begnügte sich ‑ ohne auf die von ihm selbst bemerkten „Widersprüchlichkeiten bezüglich der Diebesbeute“ näher einzugehen ‑ mit dem pauschalen Verweis auf die „Angaben der Geschädigten“, die keine Anzeichen hätten erkennen lassen, die Angeklagten fälschlich zu belasten (US 7). Im Hinblick darauf, dass mehrere Diebstahlsopfer zum Wert der gestohlenen Gegenstände selbst nur Schätzungen abgeben oder dazu gar keine konkreten Angaben machen konnten (vgl etwa ON 75 S 52, 58, 61, 78, 81, 101), lässt sich ‑ vor dem Hintergrund, dass der vom Erstgericht mit insgesamt 50.340,12 Euro bezifferte Betrag nur äußerst knapp über der (derzeit noch; vgl aber § 128 Abs 2 StGB in der ab 1. Jänner 2016 geltenden Fassung des StRÄG 2015, BGBl 2015/112) maßgeblichen Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB liegt ‑ ein logisch und empirisch einwandfreier Schluss (RIS‑Justiz RS0099413) auf einen 50.000 Euro übersteigenden Beutewert nicht ziehen.

György C*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, kommen die aufgezeigten Verfahrens‑ und Begründungsdefizite ebenfalls zustatten (RIS‑Justiz RS0129172). Es war daher von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch dieser Angeklagte die entsprechenden Nichtigkeitsgründe geltend gemacht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).

Urteilsaufhebung wie im Spruch ersichtlich ist ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ die Folge (§ 285e StPO), womit sich ein Eingehen auf die weitere Beschwerdeargumentation erübrigt.

Im zweiten Rechtsgang werden die zerschlagenen Subsumtionseinheiten (§ 29 StGB) neu zu bilden sein (vgl RIS‑Justiz RS0116734). Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehenden Gesetzesänderungen durch das StRÄG 2015 (BGBl I 2015/112) sei dazu angemerkt, dass ein Günstigkeitsvergleich (§§ 1, 61 StGB) insoweit nicht mehr anzustellen ist, als die Schuldsprüche durch die vorliegende Entscheidung bereits in (Teil‑)Rechtskraft erwachsen sind (vgl Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 19; RIS‑Justiz RS0087462; 11 Os 95/02; Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 34 ff und § 293 Rz 1 f). Derartige Überlegungen haben sich nur mehr auf allfällige Wertqualifikationen zu beziehen.

Mit seiner Beschwerde wegen zu Unrecht verweigerter Urteilsangleichung in Bezug auf den im Schuldspruch 3./ enthaltenen Diebstahl von 1.350 Euro Bargeld war der Angeklagte Istvan M***** auf die Urteilskassation zu verweisen. Zu den Ausführungen des Erstgerichts sei bemerkt, dass zwar die Urteilsangleichung im Gesetz nicht (ausdrücklich) erwähnt ist, aber im Sinn der §§ 268, 270 StPO ohne die im § 270 Abs 3 StPO vorgesehene Beschränkung solange zulässig und geboten gewesen wäre, als die unrichtige Ausfertigung nicht Gegenstand einer meritorischen Rechtsmittelentscheidung geworden ist und damit als materiell rezipierter Sachinhalt von deren Rechtskraftwirkung miterfasst wird (RIS‑Justiz RS0098979; vgl zu den Konsequenzen einer im Beschluss ON 124 angesprochenen Divergenz zwischen in der Beratung des Schöffensenats beschlossenem und verkündetem Urteil Danek, WK‑StPO § 268 Rz 10).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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