OGH 14Os106/00

OGH14Os106/0012.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Laszlo Pal B***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG, AZ 11b Vr 2619/00 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Robert K***** gegen den Enthaftungsbeschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Mai 2000, AZ 11b Vr 2619/00-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch die vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 23. Mai 2000 verspätet vorgenommene Enthaftung wurde Robert K***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 8.000 S zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

Robert K***** wurde nach seiner Festnahme am 17. März 2000 (S 264/I) am 21. März 2000 vom Untersuchungsrichter aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO in Untersuchungshaft genommen (ON 15).

In der Hauptverhandlung vom 17. Mai 2000 (ON 72) wurde der genannte Angeklagte der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG als Beteiligter (§ 11 zweiter Fall FinStrG) und des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit b FinStrG als Beteiligter (§ 11 zweiter Fall FinStrG) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 1,8 Mio S, im Uneinbringlichkeitsfall zu vier Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Wertersatzstrafe von 589.095 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu drei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt (ON 73).

Im Anschluss daran wurde der von seiner Verteidigerin gestellte Enthaftungsantrag - gegen den sich der Staatsanwalt ausgesprochen hat - vom Vorsitzenden abgewiesen und die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen beschlossen (ON 76).

Das Urteil ist zufolge Berufung des Angeklagten Robert K***** (ON 100) noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den vom Vorsitzenden des Schöffensenates nach Urteilsverkündung gefassten Haftbeschluss meldete der Angeklagte Robert K***** Beschwerde an (S 41/II), die er durch seine Verteidigerin am 18. Mai 2000 ausführte (ON 77). Die Vorlage an das Beschwerdegericht ist nach der Aktenlage noch nicht erfolgt.

Am 22. Mai 2000 brachte der Angeklagte Robert K***** neuerlich einen Enthaftungsantrag ein (ON 88). Nachdem die Staatsanwaltschaft (nunmehr) am 23. Mai 2000 erklärte, einer Enthaftung K*****s gemäß § 180 Abs 4StPO unter Anwendung der gelinderen Mittel nach § 180 Abs 5 Z 3 (Weisung, den Umgang mit den Mitangeklagten zu meiden) und Z 4 (Weisung sich in Zeitabständen von zumindest zwei Monaten bei Gericht zu melden) StPO nicht entgegenzutreten (S 182/II), enthaftete der Vorsitzende des Schöffengerichtes den Angeklagten Robert K***** am selben Tag unter Erteilung der von der Staatsanwaltschaft angeregten Weisungen (S 43/I, ON 90).

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde mit der Behauptung, dass diese die Freiheitsbeschränkung beendende Entscheidung zu spät getroffen worden sei, weil die Haft "auf Grund des Urteiles unverhältnismäßig geworden ist", ist berechtigt.

Liegt - wie hier - bereits ein Urteil erster Instanz vor, so ist bei Beurteilung der Angemessenheit der (weiteren) Untersuchungshaft das im Urteil verhängte Strafmaß heranzuziehen (Foregger/Fabrizy StPO8 § 180 Rz 4). Wurde der Angeklagte ausschließlich zur Zahlung von Geldbeträgen (einer Geld- und einer Wertersatzstrafe) und Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt, ist die Fortsetzung der Untersuchungshaft jedenfalls unverhältnismäßig, weshalb Robert K***** durch die Fortsetzung der Haft über den Urteilszeitpunkt hinaus bis zum 23. Mai 2000 im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt ist.

Der Kostenzuspruch des Bundes ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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