OGH 14Os101/22t

OGH14Os101/22t25.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M.sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * S* wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Mai 2022, GZ 17 Hv 47/22m‑24, und über die Beschwerde des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und auf Absehen vom Widerruf einer weiteren bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00101.22T.1025.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* nachgenannten Gewahrsamsträgern im Urteil bezeichnete Unternehmen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, unter Verwendung einer Waffe weggenommen und abgenötigt, indem er ihnen jeweils eine Gaspistole vorhielt, sie aufforderte, die Kassenlade zu öffnen, und anschließend das Geld an sich nahm oder sie zu dessen Übergabe veranlasste, und zwar

1. am 17. Februar 2022 * St* 700 Euro,

2. am 21. Februar 2022 * M* 330 Euro,

3. am 23. Februar 2022 * A* 600 Euro und

4. am 24. Februar 2022 * Ma* 640 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, „9“ und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Tatrichter stützten die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 5) auf die geständige Verantwortung des Angeklagten und leiteten sie überdies aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 5 f). Weshalb diese Begründung den Gesetzen der Logik widerspreche, macht die – im Übrigen die genannten Entscheidungsgründe außer Acht lassende (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370) – Mängelrüge (Z 5 [der Sache nach] vierter Fall) nicht klar.

[5] Der einen Feststellungsmangel hinsichtlich der (tatsächlichen) Voraussetzungen des § 11 StGB reklamierenden Rechtsrüge (Z 9 [zu ergänzen] lit b, nominell verfehlt auch Z 5) ist vorauszuschicken, dass die prozessordnungskonforme Darstellung (unter anderem) die deutliche und bestimmte Bezeichnung von die vermissten Konstatierungen indizierenden Verfahrensergebnissen voraussetzt (vgl RIS‑Justiz RS0118580). Dabei sind die geltend gemachten Beweise in ihrem inneren Zusammenhang zu betrachten, sodass eine Aussage nicht durch isoliertes Herausgreifen einzelner Passagen sinnentstellt werden darf (vgl zu § 345 Abs 1 Z 6 StPO Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 8 mwN).

[6] Diesem Erfordernis wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie bloß einzelne Sätze oder gar nur bestimmte Wortfolgen der Verantwortung des geständigen Angeklagten ins Treffen führt, aber nicht berücksichtigt, dass er die Vorgänge ohne wesentliche Erinnerungslücken schilderte und nach eigenem Bekunden bereits bei der ersten Tat wusste, „große Scheiße [zu] baue[n]“ (ON 23 S 6), sowie – für die Dispositionsfähigkeit von Bedeutung – bei für ihn erkennbarer Angst der Opfer die Waffe herunternahm (ON 23 S 8) und (zu 4.) die Tatausführung sofort beendet hätte, wenn ihm die Schwangerschaft des Opfers bekannt gewesen wäre (ON 23 S 8).

[7] Im Übrigen wird auch nicht dargelegt, inwieferne der vom Angeklagten behauptete „Ausnahmezustand“ aufgrund seiner finanziellen Schwierigkeiten und Suchtgiftabhängigkeit sowie (zu 1.) das Fehlen einer Erinnerung an das Durchladen der Waffe und das Betreten des Tankstellengebäudes und die Behauptung, sich nichts gedacht und das „Hirn ausgeschaltet“ zu haben, (bezogen auf die jeweiligen Tatzeitpunkte) – auch für sich betrachtet – einen unter § 11 StGB subsumierbaren Zustand, fehlende Unrechtseinsicht oder Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, indizieren sollten (vgl zum Vorliegen eines ausreichenden Indizes als Zulässigkeitsvoraussetzung der Rüge Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 601).

[8] Zudem unterlässt die Beschwerde hinsichtlich der ebenfalls behaupteten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zu den Tatzeitpunkten aufgrund einer Beeinträchtigung durch den Konsum von Suchtgift oder aufgrund von Entzugserscheinungen die Bezeichnung von solche Feststellungen indizierenden Verfahrensergebnissen.

[9] Der damit im Zusammenhang stehende, nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) erhobene Einwand, das Erstgericht hätte den Angeklagten zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 StGB vernehmen müssen, erklärt nicht, wodurch der Beschwerdeführer an darauf abzielender Fragestellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

[10] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 [zu ergänzen] erster Fall) setzt die durch § 39 Abs 1a StGB erweiterte Strafbefugnis nicht voraus, dass die rückfallsbegründenden Vortaten vor Vollendung des 19. Lebensjahres begangen wurden (vgl Flora in WK² StGB § 39 Rz 19).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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