Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Oberlandesgericht Linz als nunmehriges Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 4. März 1975 bis März 1985 gegen Fixum und Provision als Autoverkäufer angestellt. Er begehrt für die Zeit ab August 1983 Entgelt für insgesamt 344 geleistete Überstunden a S 127,90, sohin S 43.997,60 sA. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, in den vom Kläger zustimmend zur Kenntnis genommenen Verkaufsrichtlinien der beklagten Partei sei festgehalten, daß Überstunden durch die Provision abgegolten seien. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Seit 1971 gelten bei der beklagten Partei Verkaufsrichtlinien für Automobilverkäufer im Angestelltenverhältnis, die mit jedem neu angestellten Autoverkäufer durchbesprochen werden. Auch dem Kläger wurde ein Exemplar dieser Verkaufsrichtlinien ausgehändigt und die einzelnen Punkte mit ihm durchbesprochen.
Punkt 7. der Verkaufsrichtlinien lautet:
"
Arbeitszeit und Überstunden
Bezüglich der Arbeitszeit gelten für alle Autoverkäufer die Regelungen für den Gesamtbetrieb. Da jedoch die Tätigkeit als Autoverkäufer weitgehend vom Kunden abhängig ist, ist er schon im eigenen Interesse veranlaßt, Überstunden zu leisten. Soweit solche anfallen, sind diese durch die Provision abgegolten."
Der Kläger bezog zuletzt ein Fixum von S 10.000,-- und für jedes verkaufte Auto eine mit der Stückzahl der verkauften Kraftfahrzeuge in drei Stufen jeweils um einen halben Prozentpunkt steigende Provision.
Nach Einführung der 40-Stunden-Woche endete die Dienstzeit bei der beklagten Partei am Freitag um 13 Uhr, doch mußte auch am Freitag nachmittag und am Samstag vormittag einer der beiden Autoverkäufer im Geschäft anwesend sein. Zunächst waren meist beide Verkäufer (aus Provisionsinteresse) anwesend, was zu gewissen Schwierigkeiten führte. Die Geschäftsleitung der beklagten Partei ordnete deshalb an, daß sich die beiden Autoverkäufer an jedem Wochenende abzuwechseln hätten und welcher von beiden Innendienst (mit Anwesenheitspflicht) zu versehen habe.
Das Erstgericht war der Ansicht, gemäß § 10 AZG gebühre wohl dem Arbeitnehmer für Überstunden ein Zuschlag von 50 %, doch könne mit Provisionsvertretern die Anrechnung der Provision auf das Überstundenentgelt vereinbart werden.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Die zweite Instanz fand bei der Neudurchführung des Verfahrens keinen Grund, von den für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes abzugehen, und ergänzte diese zur Frage der Gewährung eines Zeitausgleichs an die Autoverkäufer wie folgt:
Bei dem von den Autoverkäufern abwechselnd am Freitag nachmittag und Samstag vormittag zu verrichtenden Innendienst handelt es sich um eine auf den Verkauf beschränkte Tätigkeit. Ab 1979 bekamen die beiden im Betrieb der beklagten Partei tätigen Autoverkäufer für den Wochenenddienst einen Tag Zeitausgleich, den sie meist zusammensparten und als zusätzlichen Urlaub in Anspruch nahmen. Etwa 2 1/2 Jahre später stellte die beklagte Partei die Gewährung von Zeitausgleich aus betriebsinternen Gründen wieder ein. Diese Maßnahme wurde sowohl vom Kläger als auch vom zweiten Autoverkäufer, Johann W***, letztlich widerspruchslos hingenommen. Auch das Berufungsgericht gelangte auf Grund ergänzender Beweisaufnahmen zu dem Ergebnis, daß dem Kläger die Verkaufsrichtlinien bekannt waren. Aus der Tatsache, daß die beklagte Partei für Überstunden vorübergehend Zeitausgleich gewährte, lasse sich nicht ableiten, daß die Verkaufsrichtlinien nicht Vertragsgrundlage gewesen wären. Die wechselweise Einteilung der beiden Autoverkäufer durch die Betriebsleitung habe vor allem dazu gedient, Differenzen zwischen den Verkäufern zu vermeiden, weil an diesen Tagen gute Geschäftsabschlüsse erzielt werden konnten. Da der Kläger mit der Streichung des Zeitausgleiches einverstanden gewesen sei, könne er daraus keine Forderungen ableiten. Die Einwendung des Klägers, er sei unterkollektivvertraglich entlohnt worden, sei nicht berechtigt, weil ihm für die Dienstleistung am Freitag nachmittag keine gesonderte Entlohnung gebühre und er gar nicht behauptet habe, für seine übrigen Dienste zu gering entlohnt worden zu sein. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Soweit sich der Revisionswerber gegen die Anwendung des Pkt 7. der Verkaufsrichtlinien wendet, ist auch seine Rechtsrüge nicht berechtigt. Die mit dem Kläger abgesprochenen und von ihm zustimmend zur Kenntnis genommenen Verkaufsrichtlinien (Beilage 2) sind Inhalt seines Dienstvertrages geworden. Die in diesen Richtlinien enthaltene Vereinbarung, daß anfallende Überstunden durch die Provision abgegolten sind, ist so allgemein gefaßt, daß sie auf alle zu leistenden Überstunden Anwendung findet. Die Ansicht des Revisionswerbers, dieser Vereinbarung sei durch die kollektivvertragliche Verkürzung der (Normal-)Arbeitszeit auf 40 Stunden die Grundlage entzogen worden, trifft nicht zu. Auch die vorübergehende Zeitausgleichsregelung (1979 bis 1981) hatte auf die Vereinbarung der Abgeltung der Überstundenentlohnung durch Provision nur insofern Einfluß gehabt, als in dieser Zeit ein Teil der Überstunden bereits durch Zeitausgleich abgegolten wurde und daher die Provision nur zur Verrechnung des Entgelts für die restlichen Überstunden heranzuziehen war.
Die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung ist nur auf Einrede wahrzunehmen (Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 248 zu § 879 ABGB; EvBl. 1961/95; SZ 46/69; SZ 52/23). Der Kläger hat diese Einwendung in erster und zweiter Instanz nicht erhoben; im Revisionsverfahren steht ihr das Neuerungsverbot entgegen. Der Kläger hat die Erklärung der beklagten Partei, sie werde den ab 1979 eingeführten Zeitausgleich für den Wochenenddienst nicht mehr gewähren, jahrelang widerspruchslos hingenommen und damit dieser Vertragsänderung schlüssig zugestimmt. Er konnte auf diese Begünstigung wirksam verzichten, soweit seine Gesamtbezüge den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Mindestanspruch für alle von ihm geleisteten Arbeitsstunden deckten. In diesem Umfang war die günstigere Regelung, die mehrere Jahre bestanden hatte, abdingbar (RdA 1984/17, 352). Die Behauptung des Revisionswerbers, er sei, als er diese Verschlechterung hingenommen habe, unter besonderem wirtschaftlichen Druck gestanden, ist ebenfalls eine unzulässige Neuerung. Der Revisionswerber hat aber schon in der Berufung und damit für das vorliegende Verfahren, in dem die Entscheidung erster (und zweiter) Instanz vor dem 1. Jänner 1987 ergangen ist, zulässig (§ 101 Abs 2 ASGG; Kuderna, ASGG 483) die neue Behauptung erhoben, daß er bei Zusammenrechnung sämtlicher Überstunden mit dem vereinbarten Fixum und der gewährten Provision unterkollektivvertraglich bezahlt worden sei. Den Gründen, aus denen die zweite Instanz ein Eingehen auf diese zulässige Neuerung für entbehrlich hielt, ist nicht zu folgen. Warum dem Kläger für die Dienstleistungen am Freitag nachmittag keine gesonderte Entlohnung gebührt haben soll, ist nicht zu sehen; daß er für die gesamten Dienste zu gering entlohnt worden sei, hat der Kläger deutlich behauptet. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist eine Vereinbarung, wonach eine verdiente Provision, soweit sie für sich allein oder zusammen mit einem Fixum die Mindestsätze des Kollektivvertrages übersteigt, auf ein allfälliges Überstundenentgelt anzurechnen ist, zulässig (Arb 8.183; Arb 9.931 = RdA 1983, 22 [Schnorr]). Eine solche Vereinbarung hindert aber - ebenso wie eine Vereinbarung der Pauschalvergütung von Überstunden - den Arbeitnehmer nicht, über das Pauschale (bzw die gewährte Provision) hinausgehende Ansprüche geltend zu machen, wenn und soweit unabdingbare gesetzliche Ansprüche auf Vergütung der Mehrarbeitsleistung nicht gedeckt sind (Arb 10.451 = EvBl 1986/14 mwN).
Das Berufungsgericht hätte daher in Erfüllung seiner Prozeßleistungspflicht dem Kläger Gelegenheit geben müssen, seine bisher ungenügenden Behauptungen dazu, daß er insgesamt unterkollektivvertraglich entlohnt worden sei, zu ergänzen. Vermag der Kläger diese Behauptung durch Angaben über die geleisteten Arbeitsstunden und seine Gesamtbezüge entsprechend zu konkretisieren, dann wird dieses Vorbringen zu prüfen sein. Nach den - ebenfalls nicht erörterten - Behauptungen der beklagten Partei haben allerdings die Gesamtbezüge des Klägers im Jahre 1984 S 311.451,-- betragen; von einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung des Klägers könne daher nach Ansicht der beklagten Partei keine Rede sein. Zur Klärung dieser Fragen ist die Entscheidung der zweiten Instanz aufzuheben. Über die Neuerungen hat das nunmehrige Berufungsgericht selbst zu verhandeln (§ 63 ASGG; Kuderna aaO 353). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)