Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst das Ersturteil bestätigt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.209,35 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind S 1.200,85 Umsatzsteuer enthalten) und die mit S 16.793,05 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin sind S 10.000 Barauslagen und S 617,55 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem Bruder, mit der Behauptung, er sei in dessen Gasthaus als Hilfskraft beschäftigt gewesen, für die Zeit vom Jänner 1982 bis Dezember 1984 den rückständigen kollektivvertraglichen Lohn in der Höhe von insgesamt S 177.968,60 netto sA.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei Geschäftsführer gewesen und habe den ihm zustehenden Lohn der Kasse selbst entnommen. Der Klagsanspruch sei überdies verjährt und verfallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:
Der gegenständliche, in St. Johann in der Haide gelegene gastwirtschaftliche Betrieb ist ein Familienbetrieb, in dem der Kläger, der Beklagte sowie - bis zu ihrem Tode - deren Mutter gemeinsam arbeiteten. Der Beklagte war "formell" als Gastwirt und Unternehmer tätig; sein Bruder, der Kläger, war als Hilfskraft angemeldet. Diese Regelung war von der Mutter der Parteien vor allem aus familiären Gründen getroffen worden. Der Kläger ist nämlich krank und wollte sozialversichert sein. Er war in der Folge bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, der Beklagte hingegen bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft angemeldet. Ein Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien "formell" nicht abgeschlossen. Beide Parteien sowie deren Eltern hatten im Gasthaus Kost und Quartier. Intern bestand folgende Aufgabenteilung: Der Beklagte war für die Küche zuständig, der Kläger für den Gastraum, die Getränke und die gemeinsame Kasse. Die unternehmerischen Funktionen wurden gemeinsam ausgeübt. Die Tätigkeit des Klägers ging über die einer Hilfskraft weit hinaus. Er nahm die notwendigen Einkäufe vor, ohne den Beklagten zu fragen und ohne von diesem bevollmächtigt zu sein. Wichtige Betriebsentscheidungen wurden gemeinsam getroffen. Eine Entgeltvereinbarung ist nicht zustandegekommen; es wurde nie eine Lohnabrechnung erstellt. Der Kläger verwaltete die gemeinsame Kasse, in die das von ihm im Betrieb vereinnahmte Geld gegeben wurde. Bis zum Ableben der Mutter kam auch deren Pension in diese gemeinsame Kasse, aus der alle betrieblichen Ausgaben bestritten wurden. Beide Parteien und deren Mutter entnahmen der Kasse auch die für ihren persönlichen Bedarf benötigten Beträge, ohne daß es einer besonderen Genehmigung (im Einzelfall) bedurft hätte.
Der Kläger ist Alleineigentümer eines anderen Hauses in St. Johann in der Haide. Er ließ dieses Haus im Jahr 1979 mit einem Aufwand von rund 1,8 Millionen Schilling aufstocken. Zu diesem Zweck wurde in der Sparkasse Hartberg ein Darlehen aufgenommen, das aus der vorerwähnten gemeinsamen Kasse zurückgezahlt wurde und weiterhin zurückgezahlt werden sollte. Derzeit haftet noch rund 1 Million Schilling aus. Für diese Schulden haftet der Beklagte zu 2/3-Anteilen als Bürge und Zahler. In dem erwähnten Haus sind zehn Fremdenzimmer eingerichtet. Die Einnahmen aus diesem Haus kommen ebenfalls in die gemeinsame Kasse, aus der auch die Ausgaben für das Haus sowie die Sozialversicherungsbeträge bestritten wurden. Der Kläger wäre auch berechtigt gewesen, der Kasse eine Entlohnung zu entnehmen, doch hat er davon keinen Gebrauch gemacht. Der Beklagte veräußerte mit Wirkung vom 1. Juli 1984 den Gasthausbetrieb samt dem ihm gehörigen Haus an Günther T*** und meldete den Kläger bei der Krankenkasse ab. Der Kläger war vom 3. Mai 1984 bis 31. Jänner 1985 im Krankenstand und bezog vom 31. Mai 1984 bis 31. Jänner 1985 Krankengeld. Mit Schreiben vom 7. Februar 1985 forderte die Arbeiterkammer namens des Klägers den Beklagten auf, die ihm bekanntgegebenen Lohnansprüche des Klägers zu befriedigen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, der Familienbetrieb komme einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts "sehr nahe", weil beide Parteien unternehmerische Funktionen ausübten. Da der Kläger aber bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse sozialversichert gewesen sei, müsse von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Die Lohnansprüche des Klägers seien jedoch gemäß der Z 6 lit. e des Kollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe verfallen, weil sie nicht innerhalb von vier Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht worden seien. Diese Frist verlängere sich wohl um den Zeitraum, in welchem die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt worden sei; da der Kläger jedoch die gemeisame Kasse verwaltet habe und darüber verfügungsberechtigt gewesen sei, hätte er auch ohne Lohnabrechnung sein Entgelt der Kasse entnehmen können. Eine Lohnabrechnung sei nach dem Gesamtbild des Geschehensablaufes im Gasthausbetrieb der Parteien vom Beklagten nicht zu erwarten gewesen; sie sei daher nicht aus dem Verschulden des Beklagten unterblieben, sodaß sich die viermonatige Fallfrist nicht verlängert habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:
Die Parteien vereinbarten die einvernehmliche Auflösung "des Dienstverhältnisses" mit 30. Juni 1984. Der Kläger bezieht seit 1. Juli 1984 eine Invaliditätspension. Die Parteien benützten gemeinsam einen auf den Namen des Klägers zugelassenen PKW; die Auslagen wurden aus der gemeinsamen Kasse bestritten. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Klagsansprüche seien nicht verfallen, weil die kollektivvertragliche viermonatige Fallfrist infolge einer schuldhaften Unterlassung der Lohnabrechnung durch den Beklagten verlängert worden sei. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, einerseits die Entnahmen des Klägers und andererseits dessen Entgeltansprüche der Höhe nach festzustellen. Die Differenz zwischen den dem Kläger zugekommenen Beträgen und dem ihm nach dem Kollektivvertrag gebührenden Entgelt seien ihm unter Berücksichtigung der Verjährungseinrede zuzusprechen. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen. Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der im Rekurs vertretenen Auffassung, zwischen den Parteien habe nicht ein Arbeitsverhältnis bestanden, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist beizupflichten. Die vor dem Erstgericht zunächst über das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses getroffene Außerstreitstellung wurde in der Folge wieder zurückgezogen. Im übrigen ist die Frage, ob das mangels Vorliegens eines schriftlichen Vertrages lediglich nach der tatsächlichen Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen der Parteien zu beurteilende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage. Die Auffassung des Erstgerichts, ein Arbeitsverhältnis müsse ungeachtet der tatsächlichen Gestaltung deshalb angenommen werden, weil der Kläger bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse angemeldet worden sei, ist verfehlt. Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder nicht, ist nach dem ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Vertragsinhalt zu beurteilen, nicht aber nach der Anmeldung zur Sozialversicherung. Diese ist - ebenso wie der Lohnsteuerabzug - für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nicht von konstitutiver Bedeutung; sie kann bloß ein Indiz sein (Martinek-Schwarz, AngG 6 26; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 3 , 101).
Der Arbeitsvertrag beinhaltet die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung von Arbeitsleistungen auf bestimmte Zeit für den Arbeitgeber. Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers wird durch dessen persönliche Abhängigkeit charakterisiert, deren wesentlichste Auswirkung in der Erbringung der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber besteht, dem innerhalb der gesetzlichen und vertraglichen Schranken ein Weisungsrecht (Direktionsrecht) zukommt. Entscheidend ist die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, besonders an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle, äußert (Arb. 9346, 10.060, 10.096, jeweils mwH ua.;
Martinek-Schwarz aaO 23 ff; Schwarz-Löschnigg aaO 99 ff;
Spielbüchler in Arbeitsrecht I 2 , 14 ff).
Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist hingegen die Vereinbarung der Bildung einer wirtschaftlichen Organisation charakteristisch, die den Partnern einer solchen Vereinbarung Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte sichert, die in der Mitsprache, Mitberatschlagung und Mitbeaufsichtigung in allen wesentlichen Fragen der Unternehmensführung, Unternehmensorganisation und des Unternehmensbestandes zum Ausdruck kommen und daher die Ausübung einer nicht von einem anderen abgeleiteten Arbeitgeberfunktion erlauben. Während für das Arbeitsverhältnis das Subordinationsverhältnis kennzeichnend ist, herrscht in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Prinzip der Kooperation und der grundsätzlichen Gleichordnung. Eine Unterordnung der Gesellschafter erfolgt grundsätzlich nur unter die Interessen der Gesellschaft als solcher (Arb. 9346 mwH; Martinek-Schwarz aaO 33 f;
Schwarz- Löschnigg aaO 106 f; Spielbüchler aaO 17). Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen fehlt es an den oben genannten Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses, wogegen jene eines Gesellschaftsvertrages bürgerlichen Rechts vorliegen. Die unternehmerischen Funktionen wurden von beiden Parteien gemeinsam ausgeübt; der Kläger nahm die notwendigen Einkäufe für den Gasthausbetrieb vor, ohne den Beklagten zu fragen oder von ihm bevollmächtigt zu sein; wichtige Betriebsentscheidungen wurden gemeinsam getroffen; die Kasse, in die nicht nur die Betriebseingänge flossen, sondern auch die Pension der Mutter der Streitteile sowie die Einnahmen des Klägers aus den Vermietungen der Zimmer seines Hauses, wurde gemeinsam geführt; und aus ihr entnahmen alle drei Personen nicht bloß für die Bestreitung der Betriebsausgaben, sondern auch für persönliche Zwecke - der Kläger sogar zur Rückzahlung des für den Ausbau seines Hauses aufgenommenen Darlehens - ohne Genehmigung durch einen anderen Beteiligten Geld.
Der Kläger verrichtete seine Tätigkeiten für den Gasthausbetrieb somit nicht in persönlicher Abhängigkeit vom Beklagten und war dessen funktioneller Autorität im dargelegten Sinn nicht unterworfen. Der wirtschaftliche Erfolg seiner Arbeit kam nicht allein dem Beklagten zu, dem auch ein Weisungsrecht nicht zustand. Die Anmeldung des Klägers als Hilfskraft bei der Krankenkasse ist, wie bereits ausgeführt, ohne Bedeutung; sie hat angesichts der vorerwähnten Umstände hier nicht einmal die Bedeutung eines Indizes für ein Arbeitsverhältnis, zumal die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür wohl nicht vorlagen. Beide Parteien waren vielmehr grundsätzlich gleichberechtigt; sie führten den Betrieb gemeinsam und übten gemeinsam die unternehmerischen Funktionen aus. Beide standen die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts charakteristischen Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte im oben erwähnten Sinn zu. Zwischen den Parteien bestand kein Subordinationsverhältnis. Das Rechtsverhältnis war vielmehr bestimmt durch Kooperation und Gleichordnung. Der Kläger übte ebenso wie der Beklagte Unternehmerfunktionen aus. Es ist zwar richtig, daß ein Arbeitsverhältnis neben einem Gesellschaftsverhältnis bestehen könnte, weil ein Gesellschafter gleichzeitig auch Arbeitnehmer der Gesellschaft sein kann (Arb. 9346 mwH). Da jedoch der Kläger aus den dargelegten Gründen die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers nicht bekleidete, liegt eine solche Doppelfunktion hier nicht vor. Daraus folgt, daß dem Kläger der von ihm ausschließlich aus dem behaupteten Bestand eines Arbeitsverhältnisses abgeleitete Entgeltanspruch nicht zusteht, sodaß das Erstgericht das Klagebegehren im Ergebnis mit Recht abgewiesen hat. Im übrigen fiele der Kläger, selbst wenn er Arbeitnehmer gewesen wäre, nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe, weil er dann auf Grund seiner Tätigkeit nicht als Arbeiter, sondern als Angestellter zu qualifizieren wäre.
Da auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Streitsache zur Entscheidung reif ist - die vom Berufungsgericht unter der - nicht zutreffenden - Annahme eines Arbeitsverhältnisses für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzungen erübrigen sich auf der Grundlage der vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsauffassungen -, konnte der Oberste Gerichtshof gemäß dem § 519 Abs. 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen und das erstgerichtliche Urteil bestätigen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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