Spruch:
Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.997,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 600,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war Fahrverkäufer im Unternehmen der klagenden Partei. In dieser Eigenschaft war er als Lenker eines LKW Steyr 690 der klagenden Partei am 1.10.1982 an einem Verkehrsunfall in Sterglegg beteiligt, in dessen Verlauf an dem LKW ein Totalschaden eintrat. Der Lenker des an dem Unfall gleichfalls beteiligten PKW der Type VW 1300 wurde wegen dieses Unfalls rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt.
Die klagende Partei begehrte mit der am 29.3.1983 eingebrachten Klage vom Beklagten zunächst die Zahlung eines Betrages von S 133.484,-- sA. Infolge einer vom Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten PKWs unter der Annahme eines gleichteiligen Verschuldens der Fahrzeuglenker gezahlten Teilbetrages schränkte die klagende Partei am 30.8.1984 das Klagebegehren auf S 67.659,-- sA ein und dehnte es gleichzeitig um den Betrag von S 4.399,05 für anläßlich des Unfalls zerstörtes Ladegut auf S 72.094,05 sA aus. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, es treffe ihm kein Verschulden an dem Unfall. Er sei, um eine Kollision mit dem entgegenkommenden PKW zu vermeiden, gezwungen gewesen, den LKW nach rechts zu lenken. Hiebei sei er auf das unbefestigte Bankett geraten; dieses habe nachgegeben und der LKW sei über eine Böschung abgestürzt. Der Beklagte wendete eine Gegenforderung von S 7.997,-- an von der klagenden Partei zurückbehaltenem Arbeitsentgelt compensando ein und beantragte für den Fall, daß eine entschuldbare Fehlleistung nicht angenommen werden sollte, die Schadenersatzforderung zu mäßigen. Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit dem Betrag von S 10.000,-- und die Gegenforderung mit dem Betrag von S 7.997,-- als zu Recht bestehend. Es sprach der klagenden Partei daher einen Betrag von S 2.003,-- sA zu und wies das Mehrbegehren von S 70.091,05 sA ab. Es erblickte in der Unterlassung des Anhaltens des LKW durch den Beklagten angesichts der geringen Breite der Straße und des entgegenkommenden PKWs ein auf leichter Fahrlässigkeit beruhendes Verschulden des Beklagten, das sich jedoch weit mehr einer entschuldbaren Fehlleistung als einer groben Fahrlässigkeit nähere, sodaß im Hinblick auf das nur S 9.000,-- betragende monatliche Arbeitsentgelt des Beklagten eine Mäßigung des in der Höhe von S 67.695,-- zu ersetzenden Schadens auf S 10.000,-- gerechtfertigt sei. Der mit dem Betrag von S 4.399,05 geltend gemachte Schaden am Ladegut sei erst nach Ablauf der sechsmonatigen Fallfrist des § 6 DHG gerichtlich geltend gemacht worden und somit verfallen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Die vom Beklagten befahrene Straße hat im Unfallsbereich eine Breite von ca 4 m. Der vom Beklagten gelenkte LKW der klagenden Partei war 2,4 m und der entgegenkommende PKW 1,55 m (jeweils ohne Berücksichtigung der Außenspiegel) breit. Beide Fahrzeuglenker fuhren auf halbe Sicht, und zwar der LKW mit rund
20 Stundenkilometern, der PKW mit 40 Stundenkilometern. Keiner der beiden Fahrzeuglenker hielt sein Fahrzeug vor dem Begegnen an, obwohl sich in der Nähe Ausweichstellen angeboten hätten. Sie fuhren vielmehr mit wenn auch stark reduzierter Geschwindigkeit weiter. Der Beklagte lenkte den LKW, bevor er dem rascher fahrenden PKW begegnete, nach rechts auf das 0,5 bis 0,7 m breite, grasbewachsene und unbefestigte Bankett. Der PKW konnte wegen einer ansteigenden Böschung nicht nach rechts ausweichen. Unmittelbar nach der anstoßfreien Begegnung der beiden Fahrzeuge gab das durch anhaltende Regenfälle aufgeweichte Bankett nach. Der LKW rollte über eine abfallende Böschung ab und blieb etwa 30 m tiefer liegen. Der Beklagte verdiente im Unfallszeitpunkt bei der klagenden Partei rund S 9.000,-- netto im Monat.
Der an dem LKW entstandene Schaden betrug S 121.000,--. Für die Bergung entstanden der klagenden Partei Auslagen in der Höhe von insgesamt S 12.484,--. Der Wert der auf dem LKW befindlichen und bei dem Unfall beschädigten Emballagen betrug S 4.399,05. Die klagende Partei kündigte dem Beklagten am 8.10.1982 zum 22.10.1982, nachdem dieser die Frage, ob er bereit sei, den Schaden zu ersetzen, unter Hinweis auf sein fehlendes Verschulden verneint hatte. Als der Beklagte während der Kündigungsfrist sein restliches Arbeitsentgelt in der Höhe von S 28.997,-- abholen wollte, wurden S 7.997,-- unter Hinweis auf den Ersatz des Emballagenschadens zurückbehalten. Die klagende Partei behielt sich die Geltendmachung eines weiteren Schadens vor.
Das Berufungsgericht verneinte in seinen Rechtsausführungen den Eintritt des Verfalls nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden (dazu wurden umfangreiche Feststellungen getroffen) Kollektivvertrag für die Ernährungs- und Genußmittelindustrie Österreichs, weil die Schadenersatzforderung von der klagenden Partei dem Beklagten gegenüber rechtzeitig mündlich geltend gemacht worden sei. Da die für die beschädigten Emballagen geltend gemachte Schadenersatzforderung von der klagenden Partei mit Lohnforderungen des Beklagten kompensiert worden sei, lägen die Voraussetzungen für einen Verfall dieser Forderung nach dem § 6 DHG nicht vor. Der vom Erstgericht vorgenommenen Mäßigung des Schadenersatzes auf S 10.000,-- sei auch auf der Grundlage eines Schadens von S 72.094,05 beizustimmen. Gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts bestünden ebenfalls keine Bedenken.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts - einschließlich der Entscheidung über die Berufung im Kostenpunkt - richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil "aufzuheben" (gemeint: abzuändern) und dem restlichen Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird beantragt, dem Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens auch für den Fall der Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision im Kostenpunkt, das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die im Kostenpunkt erhobene Revision ist unzulässig; im übrigen ist sie nicht berechtigt.
Gemäß dem § 528 Abs1 Z 2 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt unzulässig (Jud 4 neu; Arb.8.865 ua). Dieses Verbot schließt eine Überprüfung der untergerichtlichen Kostenentscheidung im Revisionsverfahren auch dann aus, wenn die Revision, wie hier, in der Hauptsache erfolglos bleibt. Die in der Revision unternommene Bekämpfung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ist daher unzulässig, sodaß die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen war.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs3 ZPO).
Der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung, das Verschulden des Beklagten beruhe "zumindest" auf grober Fahrlässigkeit, kann nicht zugestimmt werden. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn sich das Versehen über das Maß der alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, sodaß der Eintritt eines Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich voraussehbar ist; die Sorglosigkeit muß auffallend und ungewöhnlich sein, wie sie nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorzukommen pflegt (SZ 56/166 mwH).
Diese Voraussetzungen einer auffallenden und ungewöhnlichen Sorglosigkeit liegen hier nicht vor. Der Beklagte hat zwar - ebenso wie der Lenker des entgegenkommenden PKW - gegen die Bestimmung des § 10 Abs2 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift sind die einander begegnenden Fahrzeuge anzuhalten, wenn nicht oder nicht ausreichend ausgewichen werden kann. Da im vorliegenden Fall die Fahrbahnbreite nur um rund 5 cm die Summenbreite der beiden einander begegnenden Fahrzeuge (ohne Berücksichtigung der Außenspiegel) überschritt, hätte jeder der beiden Lenker sein Fahrzeug anhalten müssen, um - nach entsprechender gegenseitiger Verständigung - unter Ausnutzung der in der Nähe befindlichen Ausweichstellen ein Passieren der Fahrzeuge zu ermöglichen. Da sie auf halbe Sicht fuhren, wäre ihnen die Einhaltung dieser Verpflichtung auch möglich gewesen. Das Ausweichen des Beklagten nach rechts auf das Bankett entsprach daher nicht der erwähnten Vorschrift. Bedenkt man jedoch, daß sich der PKW mit zwar ebenfalls stark reduzierter, jedoch immer noch rascheren Geschwindigkeit der Begegnungsstelle näherte als der LKW und daß der PKW dem LKW infolge einer ansteigenden Böschung nicht ausweichen konnte, dann kann die Verlegung der Fahrspur des LKWs in der Weise, daß das rechte Räderpaar das Bankett befuhr, nicht als eine außergewöhnliche Fahrlässigkeitshandlung, die einen Schadenseintritt nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich voraussehen ließ, angesehen werden. Der Beklagte konnte sogar damit rechnen, daß es zu einer Kollision kommen werde, wenn er den LKW anhielt, ohne nach rechts auf das Bankett auszuweichen. Der Lenker des PKWs hat daher den Beklagten auf diese Weise veranlaßt, von der befestigten Fahrbahn auf das unbefestigte Bankett auszuweichen; ihn trifft an dem Unfall ein erhebliches Mitverschulden (ZVR 1964/282). Das bloß auf leichter Fahrlässigkeit beruhende Verschulden des Beklagten - für ein auch nur bedingt vorsätzliches Handeln gibt es entgegen der Meinung der klagenden Partei keinerlei Anhaltspunkte - stand hingegen, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, einer entschuldbaren Fehlleistung im Sinne des § 2 Abs2 DHG alte Fassung näher als einer groben Fahrlässigkeit (siehe dazu Arb 10.072, 9.485 ua). Dieser Umstand war bei der Mäßigung des Schadenersatzes im Sinne des § 2 Abs2 DHG ebenso zu berücksichtigen wie das nicht unbeträchtliche Ausmaß der mit der Tätigkeit des Beklagten verbundenen Verantwortung. Dazu kommt noch, daß das Monatsnettogehalt des Beklagten von S 9.000,-- das mit der Ausübung einer Lenkertätigkeit verbundene Wagnis auch nicht annähernd abgegolten hat (vgl. Arb.10.072). Wenn auch ein gänzlicher Erlaß des Schadenersatzes im Sinne des § 2 Abs1 DHG nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, so ist doch die Mäßigung auf rund 1/7 des Schadens nicht ungerechtfertigt, ohne daß es darauf ankommt, ob die die Emballagen betreffende Schadenersatzforderung von S 4.399,09 nach dem § 6 DHG verfallen ist.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen, ohne daß es notwendig wäre, auf die vom Berufungsgericht ohnehin zu Gunsten der klagenden Partei gelöste Frage der Anwendbarkeit des Kollektivvertrages und des darin vorgesehenen Verfalls von Ansprüchen einzugehen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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