OGH 14Ob191/86

OGH14Ob191/862.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S***, Angestellter, Wördern, Bahngasse 7, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) A*** Lüftungstechnische Anlagen Vertriebsgesellschaft mbH & Co KG, Wien 17., Kastnergasse 23, 2.) A*** Lüftungstechnische Anlagen Gesellschaft mbH, ebendort beide vertreten durch Dr. Alfred Mohr, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 82.511,15 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 5. Juni 1986, GZ 44 Cg 75/86-26, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 22. Jänner 1986, GZ 6 Cr 409/84-19, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden im Verhältnis zwischen der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei gegeneinander aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei deren mit S 6.546,84 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin sind S 500,- Barauslagen und S 549,71 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zweitbeklagte Partei ist die Komplementärgesellschafterin der erstbeklagten Partei.

Der Kläger begehrt von beiden beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung eines Betrages von S 82.511,15 brutto sA an Gehalt und Kündigungsentschädigung für die Monate Oktober und November 1984, Weihnachtsremuneration und Urlaubsentschädigung mit der Behauptung, er sei am 15. Oktober 1984 ungerechtfertigt entlassen worden. Im Klagsbetrag ist ein der Höhe nach außer Streit gestellter Teilbetrag von S 38.001 an entlassungsunabhängigen Ansprüchen (Gehalt für die Zeit vom 1. bis 15. Oktober 1984, Weihnachtsremuneration und Urlaubsentschädigung) enthalten. Der Kläger begehrte ferner die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Arbeitgeber sei lediglich die zweitbeklagte Partei gewesen, sodaß die erstbeklagte Partei passiv nicht legitimiert sei. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil der Kläger unbegründet der Arbeit fern geblieben sei und im Unternehmen sowie Kunden gegenüber Drohungen gegen die Arbeitgeberin ausgestoßen habe. Die beklagten Parteien wendeten eine Gegenforderung in der Höhe von S 107.000 bis zur Höhe des Klagsbetrages compensando ein; der Kläger habe grobfahrlässig eine Lüftungsanlage bei einem Kunden fehlerhaft eingebaut.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit einem Teilbetrag von S 38.001 gegen die zweitbeklagte Partei als zu Recht bestehend und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es verurteilte daher die zweitbeklagte Partei zur Zahlung des vorgenannten Betrages und wies das Mehrbegehren gegen die zweitbeklagte Partei sowie das gesamte Klagebegehren gegen die erstbeklagte Partei ab. Es hielt die Entlassung für gerechtfertigt, nahm hingegen nicht als erwiesen an, daß der der Gegenforderung zugrundeliegende Schaden auf ein kausales Verhalten des Klägers zurückzuführen sei. Die erstbeklagte Partei sei passiv nicht legitimiert, weil nur die zweitbeklagte Partei Arbeitgeberin des Klägers gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung infolge Berufung des Klägers und der zweitbeklagten Partei zum Teil dahin ab, daß es die Gegenforderung bis zur Höhe von S 38.001 als zu Recht bestehend und somit das gesamte Klagebegehren auch gegen die zweitbeklagte Partei abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger wurde mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 1. Juni 1982 technischer Angestellter der zweitbeklagten Partei; noch im selben Monat wurde er der Gewerbebehörde als Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei genannt. Der Kläger ist Kühlmaschinenmechanikermeister; er verrichtete teils Montage-, teils Servicearbeiten. Nachdem er im Herbst 1984 sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1984 aufgekündigt hatte, erschien er am 9. Oktober 1984 nicht mehr zur Arbeit. Er teilte am selben Tag seinem Arbeitskollegen Wolfgang J*** mit, sein Krankenstand sei bloß "fingiert"; er werde der Firma scharfe Überprüfungen verschaffen und ihr dadurch Schwierigkeiten bereiten; er werde ferner versuchen, ihren Ruf herabzumindern. Er habe Rechtsschutz und werde die "Affäre CA-Hetzendorferstraße" bis zum Ende durchziehen, um die Firma in der Branche unmöglich zu machen. Auch seinem Arbeitskollegen Klaus C*** teilte er mit, er werde die Firma ruinieren, sein Krankenstand sei fingiert.

Anfang Juli 1984 hatte der Kläger als verantwortlicher Montageleiter in der Filiale Hetzendorferstraße der CA eine Kühlanlage montiert, wobei er das Rückschlagventil irrtümlich in Strömungsrichtung vor dem Ölabscheider statt nach diesem einbaute.

Dieser Irrtum ist für einen erfahrenen Montagemeister leicht vermeidbar und muß beim Probebetrieb auffallen. Tatsächlich bemerkte der Kläger, daß die Maschine "zurückeist", unternahm aber nichts, weil er meinte, dies werde sich selbst regeln. Der Kompressor wurde hierauf unbrauchbar. Der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei ließ einen neuen Kompressor einbauen. Der entstandene Schaden betrug zumindest S 38.001. Der Geschäftsführer erfuhr in der Zeit vom 11. bis 15. Oktober 1984 von den festgestellten Äußerungen des Klägers. Nachdem er die schriftliche Wiedergabe der Äußerungen veranlaßt hatte, übergab er die Unterlagen seinem Rechtsanwalt, der am 15. Oktober 1984 die Entlassung des Klägers aussprach.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die erstbeklagte Partei sei passiv nicht legitimiert, weil sie nicht Arbeitgeberin des Klägers gewesen sei. Dessen Äußerungen und die fingierten Krankenstände rechtfertigten die Annahme einer Vertrauensunwürdigkeit und damit seine - rechtzeitig vorgenommene - Entlassung. Es bejahte zur Gegenforderung ein schadenskausales Verhalten des Klägers und dessen grobe Fahrlässigkeit. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren gegen beide beklagten Parteien stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entgegen der Meinung des Klägers reichen die Feststellungen für eine Beurteilung der Frage der Passivlegitimation der erstbeklagten Partei aus. Danach war Vertragspartner und somit Arbeitgeberin des Klägers lediglich die zweitbeklagte, nicht aber auch die erstbeklagte Partei. Da als Arbeitgeberin auch im schriftlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich die zweitbeklagte Partei genannt ist, kommt dem Umstand, daß am Ende dieses Vertrages der Firmenwortlaut der erstbeklagten Partei angeführt wurde, keine entscheidende Bedeutung in dem vom Kläger gemeinten Sinn zu, die erstbeklagte Partei sei ebenfalls Arbeitgeberin gewesen. Überdies war der Kläger gewerberechtlicher Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei, er wurde von dieser entlassen und hat Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an diese Gesellschaft gesandt. Die Vorinstanzen haben daher die Passivlegitimation der erstbeklagten Partei mit Recht verneint.

Ebensowenig kann der Auffassung des Klägers zugestimmt werden, die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt. Die festgestellten Äußerungen allein rechtfertigen die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des dritten Tatbestandes des § 27 Z 1 AngG und ließen eine Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheinen. Ein gewerberechtlicher Geschäftsführer, der einem ihm unterstellten Arbeitnehmer gegenüber erklärt, er werde dem Unternehmen scharfe Überprüfungen verschaffen und diesem dadurch Schwierigkeiten bereiten, er werde versuchen, den Ruf des Unternehmens herabzumindern und die Firma in der Branche unmöglich machen, läßt nicht bloß seinem Unmut auf eine in Gesprächen unter Arbeitskollegen vertretbare Weise freien Lauf, sondern verdient kein weiteres Vertrauen, wie wohl nicht weiter dargelegt werden muß. Ob der Kläger den Krankenstand tatsächlich "fingiert" hat und daher in Wahrheit ohne sachlich gerechtfertigten Grund der Arbeit fern geblieben ist, muß daher nicht mehr geprüft werden. Da der Kläger eine Verwirkung des Entlassungsrechts infolge langen Zeitablaufes nicht eingewendet hatte, erübrigte sich eine diesbezügliche Prüfung bei der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Arbeitskollegen Klaus C***. Das Datum der für eine Entlassung schon allein ausreichenden Äußerungen des Klägers gegenüber Wolfgang J*** wurde hingegen festgestellt (9. Oktober 1984).

Berechtigt ist die Revision jedoch zur Gegenforderung. Die zweitbeklagte Partei hat ihrem Kunden, der CA-BV, den Schaden, den ihr der Kläger aus den festgestellten Gründen zugefügt hat, dadurch ersetzt, daß sie einen neuen Kompressor montieren ließ. Gemäß dem § 4 Abs 2 DHG hat aber der Arbeitgeber in einem solchen Fall nur dann einen Rückgriffsanspruch gegen den Arbeitnehmer, wenn er dem geschädigten Dirtten den Schaden entweder im Einverständnis mit diesem oder auf Grund eines rechtskräftigen Urteils ersetzt. Tut er dies hingegen ohne Einverständnis mit dem Arbeitnehmer und ohne rechtskräftiges Urteil, so ist ein Rückgriffsanspruch des Arbeitgebers, wie der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung der kontroversen Lehre bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat (Arb. 9654, 10.015 jeweils mwH, ua), ausgeschlossen. Da das Einverständnis des Arbeitnehmers oder das Urteil somit eine Voraussetzung des Rückgriffsanspruchs bildet, ist es nach allgemeinen Beweislastregeln Sache des einen solchen Anspruch geltend machenden Arbeitgebers, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu behaupten und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen. Die Beweispflicht trifft den Arbeitgeber und nicht, wie die beklagten Parteien meinen, den Arbeitnehmer.

Die beklagten Parteien haben aber das Vorliegen dieser Voraussetzungen weder behauptet noch bewiesen. Daß der Kläger vom Schadenseintritt und der Durchführung der Sanierungsarbeiten in Kenntnis gesetzt worden sei, ist eine im Revisionsverfahren gemäß dem § 504 Abs 2 ZPO unzulässige Neuerung; sie würde im übrigen für die Behauptung eines Einverständnisses, also einer Zustimmung des Klägers zum Ersatz des Schadens, nicht ausreichen. Schon mit Rücksicht auf diese unzureichende Behauptung kommt auch die Wahrnehmung eines allfälligen Feststellungsmangels nicht in Betracht.

Da somit der Rückgriffsanspruch ausgeschlossen ist, fehlt der Gegenforderung der beklagten Partei die rechtliche Grundlage. Der Revision war somit teilweise Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 43 Abs 1 und § 50 ZPO begründet.

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