Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.739,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.339,95 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt aus dem Rechtsgrund eines gerechtfertigten vorzeitigen Austritts vom beklagten Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers die Zahlung eines der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von S 441.763,80 brutto sA an restlichem Gehalt, Provision, Kündigungs- und Urlaubsentschädigung, Weihnachtsremuneration, Urlaubszuschuß und Abfertigung. Zur Begründung brachte er vor, er habe nach Eröffnung des Konkursverfahrens weitergearbeitet. Da er kein Entgelt erhalten habe, habe er Anträge auf Insolvenzausfallgeld gestellt, das er jedoch regelmäßig erheblich nach Fälligkeit erhalten habe. Mit Schreiben vom 27. Februar 1985 habe er dem Beklagten für die Zahlung des Febergehalts eine Nachfrist von fünf Tagen gesetzt. Nach dem ergebnislosen Ablauf dieser Frist sei er mit Schreiben vom 6. März 1985, dem Beklagten zugestellt am 7. März 1985, vorzeitig ausgetreten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zahlungen durch den Fonds seien, wenn auch erst nach Fälligkeit, so doch regelmäßig erfolgt. Eine Vorfinanzierung durch den Beklagten habe der Kläger nicht verlangt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Bereits ein halbes Jahr vor der am 3. Dezember 1984 erfolgten Eröffnung des Konkursverfahrens über die Arbeitgeberin des Klägers wurden die Monatsgehälter mit Verzögerungen von einem Monat und mehr an den Kläger ausgezahlt. Nach der Konkurseröffnung mußte die Lohnverrechnerin etwa 40 Arbeitnehmer abrechnen und die Unterlagen für den Insolvenzentgeltsicherungsfonds herstellen. Dies erforderte einen größeren Zeitaufwand. Der den November 1984 betreffende Antrag an den Fonds wurde am 19. Dezember 1984 gestellt, die Akontozahlungen durch den Fonds erfolgten am 23. Jänner 1984. Der Antrag über den Dezembergehalt wurde am 7. Jänner 1985 gestellt, die Akontozahlung am 7. Februar 1985 geleistet. Die Antragstellung bezüglich des Jännergehalts 1985 erfolgte am 31. Jänner 1985, die Akontozahlungen am 28. Februar 1985. Am 1. März 1985 wurde der Antrag hinsichtlich des Febergehalts 1985 gestellt; die Akontozahlung wurde am 10. April 1985 geleistet.
Mit Schreiben vom 27. Februar 1985 erklärte der Kläger dem Beklagten gegenüber, daß er die Auszahlung seines Gehalts zum Fälligkeitstermin, also zum Monatsletzten begehre. In bezug auf den Febergehalt setzte er eine Frist von fünf Tagen. Da der Kläger auf dieses Schreiben weder eine Antwort noch eine Geldzahlung erhielt, erklärte er mit Schreiben vom 6. März 1985 den vorzeitigen Austritt. Er hatte nie eine Vorfinanzierung seiner Gehaltszahlungen ausdrücklich begehrt.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der vorzeitige Austritt des Klägers sei infolge ungebührlichen Vorenthaltens seines Entgelts gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Durch die Antragstellung an den Insolvenzentgeltsicherungsfonds und durch die Unterlassung eines auf den § 25 Abs. 1 KO gestützten vorzeitigen Austritts habe der Kläger nicht auf sein Austrittsrecht nach dem § 26 Z 2 AngG verzichtet. Er sei nicht verpflichtet, eine Vorfinanzierung der vom Fonds akontierten Beträge durch den Beklagten zu verlangen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen (gemeint: im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern). Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Auffassung des Revisionswerbers, der Kläger habe durch die Unterlassung eines Einwands gegen die verspätete Auszahlung der Gehälter für die Monate November, Dezember und Jänner auf sein Austrittsrecht im Sinne des § 26 Z 2 AngG schlüssig verzichtet und er sei im Hinblick auf seine Antragstellung an den Insolvenzentgeltsicherungsfonds überhaupt nicht mehr zum vorzeitigen Austritt berechtigt gewesen, kann nicht zugestimmt werden. Aus dem zunächst stillschweigenden Dulden der verspäteten Auszahlung der drei vorgenannten Monatsgehälter durch den Fonds kann eine auch nur schlüssige Vereinbarung des Klägers mit dem Beklagten über eine Stundung seiner Gehaltsforderungen für die Zukunft nicht abgeleitet werden. Nur eine solche Vereinbarung könnte aber einem Austrittsrecht allenfalls entgegenstehen. Die an den Beklagten gerichtete Aufforderung des Klägers vom 27. Februar 1985, er begehre die Auszahlung seiner Bezüge (in Hinkunft) zum Fälligkeitstag, also zum Monatsletzten, und die vom Kläger für den am 28. Februar 1985 fälligen Febergehalt gesetzte Nachfrist von fünf Tagen ließen den Beklagten erkennen, daß der Kläger weitere Zahlungsverzögerungen nicht dulden werde. Die seinerzeitige Duldung der Säumnis ließ unter diesen Umständen sein Austrittsrecht nicht untergehen (Martinek-Schwarz, AngG 6 570; 4 Ob 84/80).
Das gleiche gilt für die Antragstellung an den Insolvenzentgeltsicherungsfonds. Dem Arbeitnehmer wird auch in einem solchen Fall sein Entgelt für eine längere, besonders ins Gewicht fallende Zeit vorenthalten, es sei denn, das Arbeitsamt zahlt die Beträge rechtzeitig oder wenigstens kurz nach ihrer Fälligkeit aus. Der Arbeitnehmer, der sein Entgelt vom Fonds nicht unter diesen Voraussetzungen erhält, ist daher, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt hat, berechtigt, ohne Rücksicht auf die erfolgte Antragstellung aus dem Grunde des § 26 Z 2 AngG vorzeitig auszutreten (Arb. 9956 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Spielbüchler in DRdA 1981, 391 ff [394]; 14 Ob 15/86). Aus welchem Grund der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, das Entgelt rechtzeitig auszuzahlen, ob dies infolge Benachteiligungsabsicht, Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Arbeitgebers geschieht, ist für die Tatbestandsmäßigkeit dieses Austrittsgrundes ohne Bedeutung (Martinek-Schwarz, AngG 6 563; Kuderna, DRdA 1984, 8 ff [9 f]; Arb. 9082, 10.147).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Fondszahlungen jeweils ca. vier bis sechs Wochen nach der Fälligkeit erhalten. Diese Zahlungen erfolgten somit nicht rechtzeitig, aber auch nicht kurz nach ihrer Fälligkeit. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war dem Kläger unter diesen Umständen des Vorenthaltens seines Entgelts nicht zuzumuten, sodaß er zum Austritt aus dem Grunde des § 26 Z 2 AngG, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, berechtigt war. Die Unterlassung der Ausübung des sich aus dem § 25 Abs. 1 KO ergebenden Austrittsrecht nimmt dem Arbeitnehmer nicht das Recht, aus einem Grund des § 26 AngG den Austritt zu erklären. Das Austrittsrecht des § 25 Abs. 1 KO ist nämlich ein über die Austrittsgründe des § 26 AngG hinausreichender weiterer Austrittsgrund (Arb. 10.041 mwH). Es wäre Sache des Beklagten gewesen, den Austritt des Klägers allenfalls durch eine Vorfinanzierung der Fondszahlungen zu vermeiden. Keinesfalls war der Kläger verpflichtet, vom Beklagten eine solche Vorfinanzierung zu verlangen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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