OGH 14Ob130/86

OGH14Ob130/8616.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie durch die Beisitzer Dr.Robert Müller und Dr.Gerald Mezricky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard A***, Angestellter, Tobadill 1, vertreten durch Dr.Herbert Kofler, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagte Partei A*** S*** AG, Innsbruck,

Heiliggeiststraße 21, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 99.837,19 sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. April 1986, GZ.2 a Cg 6/86-21, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Landeck vom 18. Dezember 1985, GZ. Cr 28/85-13, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, an die klagende Partei einen Betrag von S 99.837,19 netto samt 4 % Zinsen seit dem 20.11.1984 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.438,23 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin sind S 1.767,11 an Umsatzsteuer enthalten) sowie die mit S 9.665,65 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind 878,15 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.116,55 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 556,05 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, aus dem Rechtsgrund einer am 9.11.1984 ausgesprochenen ungerechtfertigten Entlassung die Zahlung des der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von insgesamt S 99.837,19 netto sA an Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei gerechtfertigt. Der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Streifenfahrer in der Nacht vom 5. auf den 6.9.1984 in der Zeit von 1,12 Uhr bis 2,30 Uhr per Funk nicht erreichbar gewesen, habe sich pflichtwidrig nicht per Funk gemeldet und sei schließlich in seinem mit laufendem Motor und aufgeblendeten Scheinwerfern abgestellten Streifenwagen schlafend angetroffen worden. Er sei hierauf mit Schreiben vom 13.9.1984 verwarnt worden. Die beklagte Partei habe zur Vermeidung derartiger künftiger Situationen die Dienstanweisung BZ 53 über "Aufgaben und Abwicklung des Streifendienstes" herausgegeben und den Arbeitnehmern zur Unterfertigung und Kenntnisnahme vorgelegt. Der Kläger habe seine Verantwortung als Streifenfahrer und sein pflichtwidriges Verhalten offenbar nicht erkannt, habe die Unterfertigung verweigert und habe sich durch Anbringen von drei Kreuzen davon distanziert. Die beklagte Partei habe befürchten müssen, daß der Kläger weiterhin unzuverlässig sei, und habe daher die Entlassung ausgesprochen. Der Kläger bestritt, im Streifenwagen eingeschlafen zu sein. Er habe lediglicheeine Mahlzeit eingenommen. Auf diesen zurückliegenden Vorfall könne die beklagte Partei im übrigen die Entlassung nicht mehr stützen, weil sie das Arbeitsverhältnis fortgesetzt habe. Die Dienstanweisung sei von allen elf in Betracht kommenden Arbeitnehmern bis zum Zeitpunkt der Entlassung des Klägers nicht unterfertigt worden, weil sie die Betriebsanweisung infolge Bedenken gegen die Durchführbarkeit und wegen Ungereimtheiten zuerst dem Betriebsrat zur Prüfung vorlegen hätten wollen. Diese Prüfung sei im Zeitpunkt der Entlassung noch nicht vorgenommen gewesen. Der Kläger habe dies dem Betriebsleiter, als ihn dieser zur Unterfertigung aufgefordert habe, gesagt und dann anstelle der Unterschrift drei Kreuze gesetzt. In der Dienstanweisung würden den Streifenfahrern Aufgaben auferlegt, zu deren Bewältigung sie nicht in der Lage seien und die zum Teil auch gegen gesetzliche Bestimmungen verstießen. Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Teilbetrag von S 74.927,17 sA zu und wies das Mehrbegehren von S 26.845,23 (die Einschränkung des Klagebegehrens auf S 99.837,19 erfolgte erst in der Berufungsverhandlung) ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger versah in der Nacht vom 5. auf den 6.9.1984 seinen Dienst als Streifenfahrer. Er wurde gegen 1,12 Uhr per Funk davon verständigt, daß im Bereich der Westrampe des A*** starker Schneefall herrsche. Der Kläger erklärte, er werde zur Westrampe fahren, um den Schneeräumdienst aufzunehmen. In der Folge wurde wiederholt vergeblich versucht, mit dem Kläger Funkkontakt aufzunehmen. Er war auch bei der Mautstelle (in Richtung zur Westrampe) nicht durchgefahren. Es wurde sodann auf andere Weise für den Schneeräumeinsatz gesorgt. Der Straßenmeister der beklagten Partei, Norbert H***, begab sich zur Kreuzung Flirsch, dem letzten ihm bekannten Standort des Klägers. Er fand gegen 2,10 Uhr den Streifenwagen des Klägers mit laufendem Motor und eingeschaltetem Licht vor. Der Kläger schlief im Fahrzeug und reagierte weder auf Klopfen noch auf Rufe des Straßenmeisters. Als dieser die Einstiegtüre öffnete, wäre der Kläger fast aus dem Wagen gefallen. Dieser Vorfall wurde von der beklagten Partei zwar als ein die Entlassung rechtfertigender Grund angesehen; da jedoch bei Arbeitnehmern, die erstmals negativ in Erscheinung traten, eine Entlssung nicht ausgesprochen wurde, machte die beklagte Partei den Kläger mit Schreiben vom 13.9.1984 lediglich darauf aufmerksam, daß sein Verhalten ein schwerwiegendes Dienstvergehen sei und daß er im Wiederholungsfall entlassen würde.

Der erwähnte Vorfall veranlaßte die beklagte Partei zur Ausarbeitung der Dienstanweisung BZ 53. Der Betriebsratsobmann B*** - er war als Chef des Streifendienstes zugleich Vorgesetzter des Klägers - erhob gegen den Inhalt der mit 9.10.1984 datierten Dienstanweisung keinen Einwand. Sie wurde in der Folge zur Unterfertigung durch die Dienstnehmer aufgelegt. Nach mehreren Wochen war sie aber noch immer von keinem der Streifenfahrer unterschrieben worden, weil diese meinten, sie könnten nicht allen Anweisungen nachkommen. Einige Punkte waren ihnen unklar, sodaß die Streifenfahrer die Auffassung vertraten, es müsse noch über einige Punkte mit den Vorgesetzten gesprochen werden. Sie wandten sich an den Betriebsratsobmann, der die Einberufung einer Sitzung zusagte. Der Betriebsratsobmann gewann den Eindruck, die Streifenfahrer hätten Angst, es könnten im Falle der Unterfertigung für sie Folgen eintreten.

Als der Betriebsleiter K*** schließlich Nachschau hielt, war die Dienstanweisung von den Streifenfahrern noch immer nicht unterschrieben. Lediglich der Kläger, der in der für die Unterfertigung vorgesehenen Namensliste an erster Stelle stand, hatte anstelle einer Unterschrift drei Kreuze gesetzt. Als ihn der Betriebsleiter nach dem Sinn dieser drei Kreuze fragte, erklärte der Kläger, sie bedeuteten nur, daß er die Dienstanweisung gelesen habe. Eine Begründung für die Unterlassung der Unterschrift gab er nicht. Als er darauf aufmerksam gemacht wurde, daß diese Weigerung Konsequenzen haben könnte, erklärte er, dies in Kauf zu nehmen. Er ließ offen, ob der die Dienstanweisung einmal unterschreiben werde. Der Kläger hatte die Absicht, wegen der Dienstanweisung mit dem Betriebsratsobmann zu sprechen. Infolge der Entlassung ist es dazu nicht mehr gekommen. Als der Kläger die Aufforderung des Betriebsleiters, sofort zu unterschreiben, nicht nachkam, erklärte der Betriebsleiter, sie hätten ausgeredet, der Kläger könne gehen. Am nächsten Tag (9.11.1984), wurde der Kläger telefonisch und am 22.11.1984 schriftlich entlassen. Nach der Entlassung unterfertigten die anderen Streifenfahrer die Dienstanweisung; ob dies vor oder nach der daraufhin einberufenen Betriebsversammlung, auf der die Bedenken der Streifenfahrer zerstreut wurden, geschah, kann nicht festgestellt werden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung könne auf den Vorfall in der Nacht vom 5. auf den 6.9.1984 infolge der von der beklagten Partei ausgesprochenen Verwarnung des Kläger und der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gestützt werden. Die Nichtunterfertigung der Dienstanweisung rechtfertige aber nicht die Entlassung. In der Dienstanweisung seien Bestimmungen enthalten, die den Streifenfahrern außerordentlich große Verantwortung auferlegen, die möglicherweise die Grenze der Zumutbarkeit überschreite. Da unklar sei, ob die Unterfertigung bloß eine Bestätigung der Kenntnisnahme oder auch die Übernahme weiterreichender Verpflichtungen bedeute, müsse den Arbeitnehmern zugebilligt werden, die Unterfertigung erst nach entsprechender Prüfung und Konsultierung des Betriebsrates vorzunehmen. Den Kläger treffe jedoch an der Entlassung ein Mitverschulden, weil er seine Bedenken nicht durch drei Kreuze anstelle der Unterschrift hätte zum Ausdruck bringen dürfen. Im Hinblick auf das erst kurz zurückliegende Dienstvergehen hätte ihm klar sein müssen, daß die drei Kreuze als Provokation aufgefaßt werden könnten. Die Ansprüche des Klägers aus der ungerechtfertigten Entlassung seien daher um ein Viertel zu mindern.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung (im Hinblick auf die Klagseinschränkung) zum Teil dahin ab, daß es dem Kläger einen Teilbetrag von S 74.877,89 sA zusprach und das Mehrbegehren von S 24.959,30 sA abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Ergänzend stellte es fest, es sei im Betrieb der beklagten Partei üblich gewesen, daß die betroffenen Beschäftigten die Kenntnisnahme schriftlicher Dienstanweisungen durch ihre Unterschrift zu bestätigen haben. Daran habe sich auch der Kläger früher gehalten. Wenn der Betriebsratsobmann gegen eine Dienstanweisung Bedenken gehabt hätte, hätte er sich mit dem Vorstand in Verbindung gesetzt und den Arbeitnehmern - wie bereits in einem früheren Fall - empfohlen, die Dienstanweisung nicht zu unterschreiben.

Das Berufungsgericht billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Die Dienstanweisung BZ 53 sei zwar eine gerechtfertigte, keineswegs rechtswidrige Anordnung der beklagten Partei gewesen, doch liege eine beharrliche Weigerung des Klägers, sie zu unterfertigen, nicht vor.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger ficht das Berufungsurteil in dem die Abweisung des Mehrbegehrens betreffenden Ausspruch aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag an, ihm auch den restlichen Teil der Klagsforderung zuzusprechen. Die beklagte Partei ficht den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag an, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird beantragt, dem Kläger auf der Grundlage eines Mitverschuldens an der Entlassung im Ausmaß von drei Vierteln nur einen Teilbetrag von S 24.959,30 zuzusprechen oder aber das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Beide Parteien beantragten in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt, wohl aber jene des Klägers.

Zur Revision der beklagten Partei:

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt

nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung der beklagten Partei, der Kläger habe sich beharrlich geweigert, die Dienstanweisung zu unterfertigen, und die Entlassung sei auch wegen Vertrauensunwürdigkeit des Klägers gerechtfertigt, kann nicht zugestimmt werden. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß eine beharrliche Weigerung des Klägers, die Dienstanweisung zu unterfertigen, nach den Feststellungen nicht vorliegt. Da am 8.11.1984 im Zeitpunkt des zwischen dem Kläger und dem Betriebsleiter geführten Gespräches, das zur Entlassung des Klägers führte, keiner der hiefür in Betracht kommenden Streifenfahrer die Dienstanweisung unterfertigt hatte (ob diese dann vor oder nach der Betriebsversammlung unterschrieben haben, ist nicht entscheidungswesentlich), der Kläger aber als einziger entlassen wurde, kann der Grund der Entlassung, wie im Vorbringen der beklagten Partei auch teilweise zum Ausdruck kommt, nur darin gelegen sein, daß er anstelle der Unterschrift drei Kreuze neben seinen Namen setzte. Gerade diesen Umstand hat aber der Kläger dem Betriebsleiter erklärt; die drei Kreuze bedeuteten, daß er die Dienstanweisung gelesen habe. Nach der auf der Unterschriftenliste enthaltenen Überschrift sollte die Unterfertigung der Betriebsanweisung nur die Kenntnisnahme bestätigen. Es wäre daher Sache des Betriebsleiters gewesen, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, daß er mit der Unterfertigung der Dienstanweisung keinerlei Verpflichtung eingehe, sondern ohnehin nur bestätige, sie gelesen zu haben. Eine solche Aufklärung ist aber weder behauptet noch festgestellt worden. Unabhängig davon, daß nach den Feststellungen derartige Unterfertigungen von Dienstanweisungen im Betrieb der beklagten Partei üblich waren, und unabhängig davon, ob Arbeitnehmer rechtlich verpflichtet sind, derartige Dienstanweisungen zu unterfertigen, liegt eine Pflichtenverletzung hier schon deshalb nicht vor, weil einerseits der Kläger und alle anderen Streifenfahrer vorerst eine Prüfung der Dienstanweisung durch den Betriebsrat abwarten wollten, und andererseits der Kläger die bloße Kenntnisnahme auf eine ihm ausreichend scheinende, das allfällige Eingehen einer rechtlichen Verpflichtung vermeidende Weise bestätigt hat. Eine noch dazu beharrliche Pflichtenverletzung liegt somit nicht vor.

Daraus folgt aber auch, daß die beklagte Partei den eine Entlassung seinerzeit allenfalls rechtfertigenden Vorfall vom September 1984, den sie bloß zum Anlaß einer Verwarnung genommen hatte, zur Begründung der nunmehr ausgesprochenen Entlassung auch im Rahmen des Gesamtverhaltens des Klägers nicht heranziehen kann. Das Verhalten des Klägers vom 8.11.1984 rechtfertigt die Entlassung aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand). Auch wenn man eine Verpflichtung des Klägers zur Unterfertigung der Dienstanweisung bejahte, rechtfertigt die aus den festgestellten Gründen erfolgte Weigerung, nicht zuletzt infolge der wenn auch nur durch drei Kreuze erfolgten Bestätigung der Kenntnisnahme, nicht die für diesen Entlassungstatbestand notwendige Annahme, der Kläger werde die Interessen der beklagten Partei gefährden. Daß der Kläger die Befolgung der in der Dienstanweisung enthaltenen Anordnungen abgelehnt oder auch nur in Frage gestellt hätte, wurde von der beklagten Partei nicht einmal behauptet. Daß er den Inhalt zur Kenntnis genommen hatte, bestätigte er dem Betriebsleiter durch die Erklärung der Bedeutung der drei Kreuze. Eine die Entlassung rechtfertigende Vertrauensunwürdigkeit liegt daher nicht vor.

Zur Revision des Klägers:

Der Auffassung des Klägers, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht seine Ansprüche nach dem § 32 AngG gemindert, ist zuzustimmen. Nach dieser Vorschrift hat der Richter, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses trifft, nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Die Anwendung dieses Rechtssatzes setzt voraus, daß zum Verschulden des Empfängers der Auflösungserklärung ein Verschulden des Erklärenden hinzutritt, das das erstgenannte Verschulden in einem anderen, erheblich abgeschwächten Licht erscheinen, aber immerhin noch bestehen läßt. Sie dient aber nicht dazu, im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung die den Arbeitgeber aus diesem Grund treffenden Rechtsfolgen zu mindern. Es soll nicht einer Auflösungserklärung, für welche die geltend gemachten Gründe nicht ausreichen, doch noch wenigstens teilweise zum Erfolg verholfen werden. Das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers im Falle seiner ungerechtfertigten Entlassung muß mit dem schuldhaften Verhalten des Arbeitgebers, das aber über die Entlassungserklärung hinausreichen muß, in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Für das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers genügt nicht ein die Entlassung nicht rechtfertigendes Verhalten; es muß in einem davon unabhängigen, zusätzlichen, für den Ausspruch der Entlassung kausalen Verhalten des entlassenden Arbeitnehmers liegen (Kuderna, Das Entlassungsrecht, 51 f; ders., DRdA 1967,181 ff; ähnlich Martinek-Schwarz, AngG 6 668 ff; Arb.9084, 9229, 10.222 ua; ähnlich auch Pfeil, DRdA 1983,373 ff [379], der allerdings zu Unrecht einen Widerspruch zwischen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und Kuderna, Das Entlassungsrecht, 51 f, annimmt).

Diese Voraussetzungen für ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 32 AngG liegen hier nicht vor. Beide Vorinstanzen haben ein derartiges Verschulden des Klägers in der von ihnen als mögliche Provokation aufgefaßten Unterfertigung der Dienstanweisung mit drei Kreuzen erblickt. Abgesehen davon, daß dieses Verhalten des Klägers zu dem von der beklagten Partei für seine Entlassung herangezogenen, hiefür aber nicht ausreichenden Verhalten gehört, sodaß es aus den dargelegten Gründen ein Mitverschulden an der Entlassung nicht zu begründen vermag, liegt eine Provokation oder überhaupt irgendein einen Schuldvorwurf in diesem Zusammenhang begründender Umstand nicht vor. Nach den Feststellungen hat der Kläger dem Betriebsleiter auf dessen Frage nach dem Sinn der drei Kreuze erklärt, sie bedeuteten nur, daß er die Dienstanweisung gelesen habe. Da eine genaue Unterscheidung zwischen einer durch die Unterschrift bezeugten bloßen Kenntnisnahme des Inhalts einer Urkunde und einer mit der Unterschrift eingegangenen, sich aus dem Inhalt der unterfertigten Urkunde ergebenden rechtlichen Verpflichtung, sohin der Unterschied zwischen Wissens- und Willenserklärungen, dem Kläger sicherlich nicht geläufig war, er aber - ebenso wie die anderen Streifenfahrer - befürchtete, mit einer Unterschrift ihm unzumutbare Verpflichtungen zu übernehmen, fehlt für die Annahme einer Provokation die Berechtigung.

Da somit ein die Ansprüche des Klägers minderndes Mitverschulden im Sinne des § 32 AngG nicht vorliegt, hat der Kläger Anspruch auf den gesamten eingeklagten Ersatzbetrag (§ 29 AngG). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 43 Abs.2 und 50 ZPO begründet.

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