OGH 14Ob105/86

OGH14Ob105/861.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie durch Dr. Wolfgang Adametz und Hermann Peter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz L***, Provisionsvertreter, Ehrenhausen, Marburger-Straße 83 (auch: 93), vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei I*** Gesellschaft mbH in Ödt/Traun, Ganglgutstraße 131, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 94.144,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 28. Jänner 1986, GZ 2 Cg 68/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 26. Juni 1985, GZ 2 Cr 196/84-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, die Zahlung eines restlichen Entgeltbetrages von S 94.144 sA. Zur Begründung führt er aus, er habe zu seinem in Graz gelegenen Stammgebiet Nr. 45 ab Juni 1983 zusätzlich das gleichfalls in Graz gelegene Verkaufsgebiet Nr. 47 im Außendienst betreuen müssen. Auf Grund einer in diesem Zusammenhang getroffenen Vereinbarung stehe ihm der Provisionsanspruch für beide Gebiete zu. Die beklagte Partei habe ihm jedoch für die Zeit vom Juni 1983 bis Feber 1984 nur ungefähr die Hälfte der für beide Gebiete im Betrag von S 188.411 anfallenden Provisionen, nämlich S 94.267, ausgezahlt. Es stehe ihm daher noch ein Anspruch in der Höhe des Klagsbetrages zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe mit dem Kläger vereinbart, daß die auf bestimmten Faktoren beruhenden Provisionen der beiden Gebiete zusammengezählt werden und der Kläger die Hälfte davon bekommen solle, ohne daß ein neuer Provisionsfaktor zu errechnen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging in seiner Entscheidung davon aus, daß eine Vereinbarung über eine Provisionszahlung nach Übernahme des Gebietes Nr. 47 nicht zustandegekommen sei. Daraus folge, daß dem Kläger auf Grund seines Arbeitsvertrages die Provisionen aus beiden Verkaufsgebieten zustehen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Das Provisionssystem der beklagten Partei orientiert sich nach der Umsatzerwartung in den einzelnen Gebieten. Der Kläger hatte in seinem Arbeitsvertrag vom 26. Februar 1981 mit der beklagten Partei ein fixes Monatsbruttogehalt von S 15.000 und eine monatliche Provision von S 6.230 vereinbart. Der Anspruch auf diesen Provisionsbetrag war von der Erreichung eines bestimmten Umsatzzieles in seinem Verkaufsgebiet abhängig. Die Provision wurde sowohl bei einem Unterschreiten als auch Überschreiten des Umsatzzieles anteilsmäßig errechnet. Der Betrag reduzierte oder vergrößerte sich daher im Verhältnis zur vorgeschriebenen Umsatzerwartung. Der Kläger wurde als Außendienstmitarbeiter vor allem für die Altbausanierung in Graz und zur Betreuung von Händlern in dieser Stadt eingestellt. Er sollte neue Geschäftsverbindungen anbahnen und bestehende Verbindungen pflegen. Bereits begonnene oder erst beabsichtigte Bauten sollten von ihm erfaßt werden. Seine Arbeitszeit betrug 40 Wochenstunden. Allfällige Überstunden sollten durch das überkollektivvertragliche Entgelt abgegolten sein. Der Raum Graz ist in die Verkaufsgebiete Nr. 45 und 47 aufgeteilt; dem Kläger war das erstgenannte Gebiet zugewiesen.

Im Rahmen einer am 15. April 1983 stattgefundenen Besprechung der Außendienstmitarbeiter übernahm der Kläger, weil ein Arbeitskollege ausgeschieden war, zusätzlich das Verkaufsgebiet Nr. 47. Auf seine Frage nach der Provision erklärte Erika S***, die Vertreterin des Gebietsleiters der beklagten Partei für die Steiermark, es werde eine Regelung geben. Der Kläger erhielt ab Juni 1983 jeweils die Hälfte der für die Gebiete Nr. 45 und Nr. 47 festgesetzten Provisionen. Nach Erhalt der ersten Provisionsabrechnung wandte sich der Kläger an den Gebietsleiter für die Steiermark und teilte diesem mit, daß diese Lösung seinen Vorstellungen nicht entspreche. Der Gebietsleiter sagte ihm eine Regelung im Einvernehmen mit der Zentrale zu, doch kam es in der Folge zu keiner Vereinbarung. Am 21. Jänner 1983 verlangte der Kläger vom Verkaufsleiter erfolglos die volle Provision für beide Gebiete. Der Kläger wies in seinen Reiseberichten in der Zeit vom Mai bis Dezember 1982 162 Reisetage mit durchschnittlich je 10,8 Arbeitsstunden aus. Im selben Zeitraum des Jahres 1983 hatte er 155 Reisetage mit je 11,5 Stunden. Vor der Übernahme des Gebietes Nr. 47 bezog der Kläger eine Provision von S 4.500 bis 5.500 im Monatsdurchschnitt; er erreichte damals nie den Sollumsatz. In der Zeit vom Juni 1983 bis Feber 1984 betrugen seine Provisionen für das Gebiet Nr. 45 S 71.929 und jene für das Gebiet Nr. 47 S 110.414. Der Kläger erhielt die vom Berufungsgericht im einzelnen näher festgestellten Provisionsbeträge (auf der Basis der Hälfte der in beiden Gebieten anfallenden Provisionen) im Gesamtbetrag von S 94.113 ausgezahlt. Der Provisionsanfall für das Gebiet Nr. 45 war im Zeitraum Juni 1983 bis Feber 1984 um über S 22.000 höher als im gleichen Zeitraum der Jahre 1982/83. Der Kläger erhielt im Monatsdurchschnitt eine um S 2.238,40 höhere Provision als vor der Übernahme des Gebietes Nr. 47, ohne daß er dafür mehr Arbeitszeit hätte aufwenden müssen.

Die Umsätze werden hauptsächlich von den Einzelhändlern und nicht von den Betreuern der beklagten Partei erzielt. Aufgabe der Außendienstmitarbeiter ist es vor allem, Reklamationen entgegenzunehmen und die Händler zu beraten. Eine geringere Betreuung eines bestimmten Gebietes kann kurzfristig keine größeren Auswirkungen auf den Umsatz ausüben.

Der Kläger kündigte im April 1984 sein Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1984 auf.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, mangels Vorliegens einer Vereinbarung könne nicht vom Arbeitsvertrag ausgegangen werden, weil dieser nur ein Verkaufsgebiet betreffe und keine Antwort auf die Frage gebe, welche Provision der Kläger für den Fall der Übernahme eines weiteren Verkaufsgebietes erhalten solle. Gemäß dem § 1152 ABGB müsse daher von einem angemessenen Entgeltanspruch im Sinne des § 1152 ABGB ausgegangen werden. Aus den vom Berufungsgericht näher dargestellten Gründen sei die festgestellte höhere Provision als angemessenes Entgelt für die keinen zeitlichen Mehraufwand erforderliche zusätzliche Betreuung anzusehen, sodaß dem Kläger kein weiterer Entgeltanspruch zustehe. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger hat ursprünglich sein Begehren nur auf die Behauptung gestützt, er habe mit der beklagten Partei vereinbart, für das Gebiet Nr. 47 die dafür vorgesehene volle Provision zusätzlich zu der (vollen) Provision für das Gebiet Nr. 45 zu erhalten. Diese Behauptung hat sich auf Grund der Verfahrensergebnisse als unrichtig erwiesen, weil eine derartige Vereinbarung nach den Feststellungen nicht zustandegekommen ist. Der Kläger hat dann sein Begehren in der Berufungsbeantwortung erkennbar auch auf den zwischen den Parteien schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag gestützt und behauptet, schon auf Grund dieses Vertrages stehe ihm der Anspruch zu. Auch dieser - vom Erstgericht vertretenen - Auffassung fehlt die Berechtigung, weil der Arbeitsvertrag nur von der Betreuung eines Arbeitsgebietes ausgeht und die Entgeltansprüche nur für diesen Fall festlegte. In dem Vorbringen des Klägers ist aber schließlich auch die Behauptung enthalten, daß die infolge der Übernahme eines zweiten Arbeitsgebietes notwendige Vertragsergänzung den Klagsanspruch begründe. Das Berufungsgericht ist, wenngleich es nicht ausdrücklich die Vertragsergänzung erwähnt hat, dennoch von einer darauf gegründeten Beurteilung ausgegangen, indem es dem Kläger ein angemessenes Entgelt dem Grunde nach zugebilligt hat. Es hat das Klagebegehren letztlich nur aus der Erwägung abgewiesen, daß der Kläger die Mehrleistung der Betreuung des zweiten Arbeitsgebietes ohne einen höheren Zeitaufwand bewältigen konnte. Dieser Erwägung kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Vielmehr lassen die Tatsachenfeststellungen eine abschließende rechtliche Beurteilung des Klagsanspruches noch nicht zu. Als Mittel für eine ergänzende Vertragsauslegung kommen die Verkehrssitte und mangels einer solchen der hypothetische Parteiwille - was also redliche und vernünftige Parteien in einem Vergleichsfall vereinbart hätten - in Betracht (vgl. Rummel, ABGB, Rz 11 ff. zu § 914). Es ist nun keinesfalls selbstverständlich, daß dem Kläger von einem redlichen Dienstgeber für die Betreuung eines zweiten Arbeitsgebietes bloß dasselbe Entgelt wie für ein einziges solches Gebiet zugestanden worden wäre. Dagegen sprechen im konkreten Fall schon die beiden festgestellten, wenngleich allgemein gehaltenen Zusagen einer Neuregelung. Auch der Umstand, daß der Kläger die Betreuung der beiden Arbeitsgebiete mit dem gleichen Zeitaufwand bewältigen konnte, ist nicht ausschlaggebend, solange nicht feststeht, wie einerseits die geringere Zahl der Reisetage zu erklären ist (Urlaub ?) und ob der Kläger andererseits die Arbeit im alten Sprengel einfach "halbieren" konnte oder aber in der gleichen Zeit mit einem höheren Arbeitseinsatz tätig werden mußte, um beide Arbeitsgebiete betreuen zu können. Es kann deshalb nicht von der Feststellung abgesehen werden, welche Mehrleistungen der Kläger, wenn auch allenfalls nicht in zeitlicher Hinsicht, erbringen mußte, um beide Arbeitsgebiete zu betreuen, und welches Entgelt hiefür üblich und angemessen gewesen wäre. Darüber hinaus kommt schon nach dem vorliegenden Vertrag eine Kürzung des für den ursprünglichen Arbeitsbereich vereinbarten Provisionsanspruches nicht in Betracht, soferne nicht betriebsinterne, dem Arbeitsvertrag zugrundeliegende Berechnungsfaktoren des Prämiensystems der beklagten Partei eine andere Lösung nahelegen.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.

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