European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00097.24Z.1218.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Strafsache AZ 60 BAZ 571/23d der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau verletzt der Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 10. Jänner 2024 (ON 20.3) § 86 Abs 1 vierter Satz StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag auf Fortführung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.
Gründe:
[1] Die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau führte zum AZ 60 BAZ 571/23d gegen Ing. * F* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB ein Ermittlungsverfahren.
[2] Am 2. November 2023 stellte die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO mit der Begründung ein, dass kein Verschulden vorliege (ON 1.7).
[3] Dagegen richtete sich der Fortführungsantrag desOpfers (ON 16.2).
[4] Dieser Antrag wurde am 21. November 2023 dem Landesgericht Krems an der Donau vorgelegt (ON 1.13). In einer gleichzeitig abgegebenen Stellungnahme verwies die Staatsanwaltschaft auf das Ergebnis des eingeholten Gutachtens (ON 13.2) und führte aus, dass die Argumente des Fortführungsantrags nicht geeignet seien, eine andere Beurteilung der Sach‑ und Rechtslage herbeizuführen (ON 17).
[5] Die Antragstellerin trat dieser Auffassung entgegen (ON 18.2).
[6] Dem Beschuldigten wurde Gelegenheit zur Äußerung sowohl zum Fortführungsantrag als auch zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft eingeräumt (§ 196 Abs 1 zweiter Satz StPO), indem ihm beides mit Wirksamkeit (§ 89m Abs 2 GOG) vom 24. November 2023 zur Äußerung binnen 14 Tagen zugestellt wurde.
[7] Mit Beschluss vom 10. Jänner 2024 (ON 20.3) ordnete das Landesgericht Krems an der Donau die Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen Ing. * F* wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB an. In der Begründung seiner Entscheidung hielt das Gericht ausdrücklich fest, dass sich der Beschuldigte zum Fortführungsantrag nicht geäußert hätte (ON 20.3 S 3).
Rechtliche Beurteilung
[8] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[9] Ein Beschluss hat gemäß § 86 Abs 1 StPO neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung eine Begründung zu enthalten (§ 86 Abs 1 erster und vierter Satz StPO).
[10] Sind die in Letzterer enthaltenen tatsächlichen Annahmen mit einem formalen Begründungsmangel behaftet und solcherart willkürlich getroffen, ist der Beschluss rechtsfehlerhaft (RIS‑Justiz RS0126648 und RS0132725; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 7 und 17).
[11] Vorliegend ging das Gericht (wie erwähnt) explizit davon aus, dass der Beschuldigte keine Stellungnahme im Sinn des § 196 Abs 1 zweiter Satz StPO abgegeben hat.
[12] Mit Recht bekämpft die Generalprokuratur diese Feststellung zu einem (gesetzlich vorgesehenen) Teil des Prüfungsverfahrens (vgl Ratz, Fortführungsanträge und deren Erledigung, ÖJZ 2020, 542 [544]), indem sie aufzeigt, dass sie willkürlich – und somit (wie dargelegt) rechtsfehlerhaft – getroffen worden ist. Hat sich doch das Gericht insoweit darüber hinweggesetzt, dass der Beschuldigte nach der – in der Beschwerde referierten – Lage der Akten (am 7. Dezember 2023, somit innerhalb der ihm eingeräumten Äußerungsfrist) gar wohl einen Schriftsatz eingebracht hat, mit dem er dem Fortführungsantrag argumentativ entgegentritt (ON 20.11 und 21.4).
[13] Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Beschuldigten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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