OGH 13Os97/23y

OGH13Os97/23y15.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * S* und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * K* sowie die Berufung des Angeklagten * S* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. Mai 2023, GZ 25 Hv 136/22x‑51, sowie über die Beschwerden der Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00097.23Y.1115.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung beider Angeklagter im Verfallserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten * K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * S* des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 Abs 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Begünstigung nach §§ 15, 299 (richtig) Abs 1 StGB und * K* (richtig) des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Nach § 20 Abs 3 StGB wurden bei * S* 100 Euro (US 2) und bei * K* nach § 20 Abs 1 StGB 104,13 Euro (US 3) für verfallen erklärt.

[3] Inhaltlich des Urteils hat – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – * K* in der Nacht auf den 29. Oktober 2022 in G* mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, anderen durch Eindringen in unversperrte Wohnungen fremde beweglichen Sachen weggenommen, wobei er, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Personen anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, und zwar

im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * S* als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) * H* eine Geldtasche mit 100 Euro, ein Tablet der Marke Lenovo, ein Mobiltelefon der Marke Huawei, zwei Handtaschen der Marke Guess und Michael Kors sowie zwei Kappen, indem sie * H* „attackierten“ und ihm Faustschläge gegen den Körper versetzten, weiters

alleine * M* eine Geldtasche mit zumindest 15 Euro, indem er ihm mehrere Stöße gegen den Körper versetzte, wodurch * M* gegen eine Wand prallte (US 5 f).

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * K*.

[5] Soweit die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) die Feststellungen des Erstgerichts bestreiten und aus einzelnen Beweisergebnissen anhand eigenständig entwickelter Spekulationen von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse gezogen wissen wollen, erschöpfen sie sich in einem Angriff auf die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[6] Gegen Feststellungsmängel steht die Mängelrüge (Z 5) nicht offen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 420).

[7] Unter dem Aspekt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (dazu eingehend mwN Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 598 ff) fehlt es der Beschwerde insoweit schon an der essentiellen Darlegung, welche Konstatierungen aus ihrer Sicht aufgrund welcher Verfahrensergebnisse indiziert gewesen seien.

[8] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO, Art 6 Abs 2 MRK) wird ein aus (Z 5 oder) Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

[9] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten * K* wurde von den Tatrichtern nicht übergangen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt Z 5a), sondern mit eingehender Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 8 f).

[10] Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) insoweit versuchte Tatbegehung (§ 15 StGB) releviert und für den Angeklagten den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB reklamiert, ihre Argumentation aber nicht auf der Basis der Feststellungen zu den diesbezüglichen Strafzumessungstatsachen (US 5) entwickelt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 678/1 und 680).

[11] Mit dem Einwand, wonach das Erstgericht Milderungsgründe zur Gänze außer Acht gelassen habe, erstattet sie ein Berufungsvorbringen.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[13] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im Verfallserkenntnis den Angeklagten zum Nachteil gereichende, nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[14] Den auf § 20 Abs 1 StGB und auf § 20 Abs 3 StGB gestützten Verfallsausspruch hat das Erstgericht nur mit der Wiedergabe des Wortlauts der genannten Bestimmungen begründet (US 11 f). Keine Feststellungen enthält das Urteil hingegen dazu, welcher Angeklagte welche Vermögenswerte deliktisch erlangt hat. Damit erweist sich der Verfallsausspruch aber als rechtsfehlerhaft, weil dem Verfall unterliegende Vermögenswerte (§ 20 Abs 1 StGB) – ebenso wie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) – nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden dürfen (RIS‑Justiz RS0129964).

[15] Der Ausspruch über die vermögensrechtlichen Anordnungen war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[16] Die Entscheidung über die Berufungen und die – teils gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden – Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[17] Hinzugefügt sei, dass die vom Schuldspruch des Angeklagten * K* umfassten Taten verfehlt mehreren Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB subsumiert wurden (Z 10). Die verfehlte Aufspaltung einer gemäß § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit wirkte sich jedoch bei der Strafbemessung – mehrfache Tatbegehung wurde nämlich nicht zusätzlich in Rechnung gestellt – nicht nachteilig im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus (vgl dazu 14 Os 26/01; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 24), weshalb zu einem Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO insoweit kein Anlass bestand.

[18] An den in Bezug auf den Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB gegebenen Rechtsfehler des Erstgerichts ist das Oberlandesgericht aufgrund der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

[19] Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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