OGH 13Os97/14k

OGH13Os97/14k21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Srdan O***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 12 dritter Fall StGB, AZ 55 Hv 79/14k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Aleksandar P***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 13. August 2014, AZ 33 Bs 124/14y (ON 59 der Hv‑Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00097.14K.1021.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (ON 51) über den am 22. Juli 2014 verhafteten (ON 49 S 7) Aleksandar P***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Aleksandar P***** (ON 56) nicht Folge und ordnete die Haftfortsetzung aus den schon vom Erstgericht angenommenen Gründen an.

Dabei ging das Beschwerdegericht im Bezug auf die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts (§ 173 Abs 1 erster Satz StPO) von dem im (hinsichtlich Aleksandar P***** nicht rechtskräftigen) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Juli 2014 (ON 43) aus.

Danach haben in Wien

(I) Srdan O***** mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unter Verwendung einer Waffe weggenommen und abgenötigt, nämlich

1) am 28. März 2013 Violetka N***** 2.300 Euro Bargeld durch Vorhalten einer Gaspistole sowie

2) am 4. April 2013 im einverständlichen Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) Edith R***** rund 10.300 Euro, indem er sie mit einer Gaspistole bedrohte, sie zu Boden drückte, ihre Hände hinter dem Rücken fesselte und ihr den Schlüssel zu einem Safe abnahm, aus dem er sodann (während der Mittäter das Opfer bewachte) den genannten Betrag entnahm, und

(II) Aleksandar P***** vom 4. März 2013 bis zum 4. April 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zu diesen strafbaren Handlungen beigetragen (§ 12 dritter Fall), indem er

1) als Mitarbeiter der von dem zu I/2 beschriebenen Überfall betroffenen S*****‑Filiale diese als geeignetes Objekt empfahl, den Überfallszeitpunkt festlegte, die unmittelbaren Täter über die Räumlichkeiten, den Standort des Safes und die Gepflogenheiten der Mitarbeiter, insbesondere in Bezug auf den Schlüssel zum Safe, informierte und ihnen die Filialtür öffnete sowie

2) die von dem zu I/1 beschriebenen Überfall betroffene Tankstelle als geeignetes Objekt empfahl und dem unmittelbaren Täter den Fluchtweg zeigte.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht (zu Aleksandar P*****) den dringenden Verdacht mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Aleksandar P*****, welche die Annahme der Haftgründe der Fluchtgefahr sowie der Tatbegehungsgefahr bekämpft und (hilfsweise) die Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) einwendet, verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt (vgl § 1 Abs 1 GRBG):

Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist ‑ anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht ‑ nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (13 Os 125/06s, EvBl 2007/47, 252; RIS‑Justiz RS0061004 [T5], RS0112012 [T5] und RS0121605 [T3]).

Demzufolge prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, also nicht oder nur offenbar unzureichend begründet, darstellt (14 Os 138/03, SSt 2003/81; RIS‑Justiz RS0117806, jüngst 15 Os 80/14z).

Das Vorbringen, vom Beschwerdegericht nicht erörterte Umstände würden gegen die Annahme von Flucht‑ oder Tatbegehungsgefahr sprechen, geht daran vorbei (13 Os 118/03; 15 Os 165/10v, SSt 2010/79; RIS‑Justiz RS0117806 [T1]).

Gleiches gilt für den Ansatz, aus der (kurzzeitigen) Aufnahme einer Arbeitstätigkeit an Hand eigener Gewichtung für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse abzuleiten als das Beschwerdegericht, ohne Willkür in dessen diesbezüglicher Argumentation auch nur zu behaupten (12 Os 148/07t; 15 Os 3/09v, JBl 2010, 69; RIS‑Justiz RS0117806 [T11]).

Der Einwand, der „bloße“ Umstand, dass der Beschwerdeführer Kontakte nach Serbien habe, rechtfertige die Annahme der Fluchtgefahr nicht, orientiert sich nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Erwägungen des Beschwerdegerichts, das insoweit (den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend) überdies auf die in erster Instanz ausgesprochene sechsjährige Freiheitsstrafe sowie die bloß lose soziale Integration des Beschwerdeführers verweist (BS 4 f), und entzieht sich solcherart ebenfalls einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0106464 [insbesondere T4] und RS0112012; vgl zur getroffenen Begründung von Fluchtgefahr übrigens RIS‑Justiz RS0117806 [T8]).

Die Ausführungen zur allfälligen Substituierbarkeit der Haft im Hinblick auf den Haftgrund der Fluchtgefahr durch gelindere Mittel können auf sich beruhen, weil (bei hier ‑ unbestritten ‑ gegebenem dringenden Tatverdacht) schon der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS‑Justiz RS0061196).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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