OGH 13Os91/02

OGH13Os91/0221.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karlo Dragan B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. April 2002, GZ 14 Hv 55/02w-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs und des Verteidigers Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. April 2002, GZ 14 Hv 55/02w-52, verletzt in dem zu A/II/1 bis 12 und 14 ergangenen Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Betrugs das Gesetz in der Bestimmung des § 65 Abs 1 Z 2 StGB.

Es wird in diesem Umfang, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht) sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche des Dr. Wolfgang Sch***** aufgehoben und im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Klagenfurt zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, bleibt im Übrigen aber unberührt. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Karlo Dragan B***** (ein Ausländer) wurde mit dem - zufolge Berufung der Staatsanwaltschaft (nur) im Strafausspruch noch nicht rechtskräftigen - Urteil unter anderem des Verbrechens des (richtig:) gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt (A).

Danach hat er unter anderem (A/II/1 bis 12 und 14) in den Jahren 2000 und 2001 in 13 Fällen jeweils in Italien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, namentlich genannte Personen durch Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur vermögensschädigenden Gewährung von Darlehen über insgesamt mehr als 800 EUR verleitet. In seiner zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator dagegen nachstehende Argumente ins Treffen, verbunden mit dem Antrag, den Verurteilten in diesem Umfang nach §§ 292 letzter Satz, 288 Abs 2 Z 3 erster Satz, 259 Z 3 StPO sogleich von der Anklage freizusprechen.

Gemäß § 65 Abs 1 StGB gelten für andere als die in den (hier nicht in Betracht kommenden) §§ 63 und 64 StGB bezeichneten Taten, die im Ausland begangen worden sind, sofern sie auch durch die Gesetze des Tatortes mit Strafe bedroht sind, die österreichischen Strafgesetze (ua) dann, wenn der Täter zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betreten wird und aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden kann (Z 2 leg cit).

Vom Fehlen einer solchen Auslieferungsmöglichkeit ist dann auszugehen, wenn mit dem Tatortstaat kein Auslieferungsverkehr besteht oder trotz österreichischen Anbots kein Auslieferungsersuchen gestellt wurde (Kathrein WK2 § 65 Rz 4).

Im vorliegenden Fall haben nach der Aktenlage die österreichischen Justizbehörden - ungeachtet gegebener Auslieferungsfähigkeit (vgl Art 2 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens iVm § 148 erster Fall StGB und Art 640 des [italienischen] Codice Penale) der (auch bei isolierter Betrachtungsweise als gewerbsmäßiger Betrug zu beurteilenden) Urteilsfakten A/II/1 bis 12 und 14 - kein entsprechendes Auslieferungsanbot an die italienische Republik gestellt, sodass - da weder die Auslieferung unzulässig gewesen wäre noch rechtlich zulässige Bemühungen um die Auslieferung erfolglos geblieben sind (vgl JAB 359 BlgNR XVII GP. 13) - die österreichische Gerichtsbarkeit hinsichtlich dieser Straftaten nicht begründet wurde (Mayerhofer StGB5 § 65 E 7) und der Angeklagte hinsichtlich dieser Fakten gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen gewesen wäre. Das Urteil ist daher mit dem - von Amts wegen durch das Berufungsgericht nicht mehr wahrnehmbaren - materiellen Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO behaftet (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9 lit b E 14 bis 16).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Im Ausland begangener Betrug eines Ausländers ist nur dann nach österreichischem Recht strafbar (vgl Kathrein, WK2 Vorbem §§ 62-67 Rz 36), wenn dieser aus einem anderen Grund, als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden kann. Zu dieser Strafbarkeitsvoraussetzung enthält das Urteil keine Feststellungen, obwohl deren Fehlen schon durch das Ergebnis von Befragung (§ 240 StPO) und Vernehmung des Angeklagten (§ 245 StPO) in der Hauptverhandlung indiziert wird.

Feststellungsmängel können nur durch die Bezeichnung von Indizien geltend gemacht werden, welche in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, während nicht in der Hauptverhandlung vorgekommene aktenkundige Hinweise einer außerordentlichen Wiederaufnahme nach § 362 StPO vorbehalten sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600, § 292 Rz 17, § 362 Rz 17). Dem Vorbringen liegt unmissverständlich auch das vorstehend genannte, in der Hauptverhandlung vorgekommene Sachverhaltssubstrat zugrunde, sodass das angefochtene Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im davon betroffenen Umfang aufzuheben war. Ein erfolgreich geltend gemachter Feststellungsmangel berechtigt den Obersten Gerichtshof zu einer Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz [§ 292 erster Satz] StPO), wenn dieser eine sogenannte prozessuale Tatsache betrifft (aaO § 281 Rz 604, 612, § 288 Rz 40 ff), was für die materiellrechtliche Vorschrift des § 65 StGB nicht zutrifft (vgl aaO § 281 Rz 621). Demnach war die Sache nach Aufhebung des betroffenen Schuldspruchs und der rechtslogisch davon abhängigen weiteren Verfügungen an das Erstgericht zu verweisen (§ 292 letzter Satz, letzter Fall StPO). Die Berufung des Staatsanwaltes ist damit obsolet.

Außer dem Fall eines Verfolgungsverzichts des Staatsanwaltes wird im zweiten Rechtsgang vorerst gemäß der Vorschrift des § 65 Abs 1 Z 2 StGB abzuklären sein, ob der Angeklagte in Betreff seiner Auslandstaten auch wirklich nicht ausgeliefert werden kann (vgl Kathrein, WK2 § 65 Rz 4). Die durch Teilrechtskraft zerschlagene (Betrugs-)Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) wird neu zu bilden sein (aaO § 281 Rz 568, § 289 Rz 10, § 293 Rz 8; s insb Kirchbacher/Presslauer, WK2 § 148 Rz 8 ff). Sollte wegen der zu A/II/1-12 und 14 bezeichneten Taten kein Schuldspruch erfolgen, würde die verbliebene Tat (A/II/13) demnach nur das Verbrechen des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB begründen. Bei der Strafneubemessung, für welche mit Blick auf die - unerledigt gebliebene - Berufung der Staatsanwaltschaft das Verschlechterungsverbot nicht gilt (vgl auch aaO § 290 Rz 57), wird zu berücksichtigen sein, dass die Bildung einer "Gesamtstrafe", anders als das Erstgericht mit irrigem Hinweis auf eine angeblich stRsp des Obersten Gerichtshofes vermeint hatte (US 28), im Gesetz keine Deckung findet (Jerabek, WK2 § 53 Rz 8).

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