OGH 13Os87/12m

OGH13Os87/12m18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz K***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 13. Juni 2012, GZ 20 Hv 11/12z-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV) und demzufolge auch im Strafausspruch sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz K***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II), mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (III), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffenG (V) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) Bianca R***** wiederholt mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen, nämlich des Anal- und des Oralverkehrs, genötigt, indem er

A) im Sommer 2006 in S***** sie mit ihrem Pkw in ein Waldstück fuhr, dort mehrmals gegen ihr Gesicht und ihr Gesäß schlug, sie an den Haaren packte, ihren Kopf zurückriss und sie mit dem Tod bedrohte sowie

B) im März 2007 in G***** in ihr Badezimmer eindrang, die Tür versperrte, gegen ihr Gesicht schlug, sich auf ihren Körper setzte, sie an den Haaren riss, würgte, ihren Mund zuhielt und sie mit dem Tod bedrohte,

(II) im Sommer 2008 in G***** Bianca R***** durch Drohung mit dem Tod zum Unterlassen der Erstattung einer Anzeige genötigt,

(III) in G***** andere gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, nämlich

A) im September 2010 und im Februar oder März 2011 Bianca R***** sowie

B) am 17. Oktober 2011 Franz R*****,

(IV) am 9. Juli 2011 in G***** Bianca R***** mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und

(V) am 17. Oktober 2011 in G***** eine Waffe, nämlich ein Jagdgewehr der Marke Zoli, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffenG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den (ersichtlich: ON 49 S 141 iVm ON 45 S 3) auf den Beweis der tatsächlichen Unmöglichkeit der Tatschilderung der Zeugin Bianca R***** und solcherart auf den Nachweis deren Unglaubwürdigkeit gerichteten Antrag auf „Einholung eines HNO-Gutachtens zum Beweis dafür, ob das gewaltsame Erzwingen eines Oralverkehrs mit dem Schlucken des Ejakulats möglich ist“ (ON 55 S 9 iVm ON 49 S 141), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 55 S 11), weil der Beweisantrag nicht erkennen ließ, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Vollständigkeitshalber sei festgehalten, dass der Antrag nicht vom Inhalt der kritisierten Aussage ausging, womit das Beweisthema unerheblich, also mit Blick auf die im Antragszeitpunkt vorliegenden Beweisergebnisse ungeeignet war, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0107445, RS0116987; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341). Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung gab Bianca R***** nämlich (über ausdrückliches Befragen durch den Verteidiger) zum insoweit relevierten Anklagevorwurf (I/B) an, dass der Beschwerdeführer während des Oralverkehrs in ihren Mund ejakuliert, sodann seinen Penis aus ihrem Mund gezogen und sie hierauf aufgefordert habe, das Ejakulat zu schlucken (ON 49 S 89), wogegen der Beweisantrag davon ausging, dass Bianca R***** deponiert habe, der Beschwerdeführer habe seinen Penis „so tief und fest in den Rachen gedrückt, dass“ sie das Ejakulat schlucken „musste“ (ON 49 S 141 iVm ON 45 S 3).

Indem die Mängelrüge (Z 5) eine Begründung dafür vermisst (Z 5 vierter Fall), wie es der Beschwerdeführer bewerkstelligt habe, dem Opfer Alkohol einzuflößen (I/A), bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.

Aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass die - mängelfrei auf die Angaben der Zeugin Bianca R***** gestützte (US 23) - Urteilsannahme, wonach der Beschwerdeführer die Genannte an den Haaren riss, ihren Kopf in den Nacken drückte und ihr sodann Alkohol einflößte (US 13), keiner erläuternden Erörterung bedarf.

Soweit die Beschwerde in Bezug auf die Annahme, der Beschwerdeführer habe Bianca R***** im Anschluss an die von den Schuldsprüchen I/A und I/B umfassten Tathandlungen gezwungen, sein Ejakulat zu schlucken, die sachverhaltsmäßige Auflösung des Begriffs „Zwang“ fordert (der Sache nach Z 9 lit a), unterlässt sie die gebotene Ableitung des behaupteten rechtlichen Erfordernisses aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Der Vollständigkeit wegen sei festgehalten, dass § 201 Abs 1 StGB das Erzwingen der Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (hier Vaginal-, Anal- und Oralverkehr) verlangt, womit der Zwang zum Schlucken des Ejakulats die Subsumtion aktuell nicht tangiert.

Die vermisste Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf den US 27 (I/A und I/B), 28 (II), 29 (III/A) und 34 (III/B und V).

Der Umstand, dass das Erstgericht die angesprochenen Konstatierungen großteils aus dem objektiven Tatgeschehen ableitet, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen zeigt die Mängelrüge zu Recht auf, dass die angefochtene Entscheidung keine Begründung für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Schuldspruchs IV enthält (was im Übrigen auch auf die diesbezügliche objektive Tatseite zutrifft), womit dieser schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben war.

Dies hat die Aufhebung des Strafausspruchs (worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war) und des Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten zur Folge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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