OGH 13Os87/00

OGH13Os87/0023.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Holzweber, Dr. Schmucker und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Auslieferungssache des Mohammad A***** wegen Strafverfolgung, AZ 17 Vr 524/98 des Landesgerichtes Krems an der Donau, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Dezember 1999, AZ 22 Ns 14/99 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, des Auszuliefernden und dessen Verteidigers Dr. Pochieser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Auslieferungssache des ägyptischen Staatsangehörigen Mohammad A***** an die Arabische Republik Ägypten, AZ 17 Vr 524/98 des Landesgerichtes Krems an der Donau, verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Dezember 1999, AZ 22 Ns 14/99, das Gesetz in der Bestimmung des § 11 Abs 1 ARHG.

Dieser Beschluss wird in seinem die Auslieferung für zulässig erklärenden Teil aufgehoben. Dem Oberlandesgericht Wien wird insoweit die neuerliche Beschlussfassung über die Zulässigkeit der Auslieferung aufgetragen.

Text

Gründe:

In der im Spruch bezeichneten Auslieferungssache fasste das Oberlandesgericht Wien am 21. Dezember 1999 zum AZ 22 Ns 14/99 folgenden Beschluss:

"Die mit am 22. Juli 1998 durch den ägyptischen Justizminister übergebener Note begehrte Auslieferung des ägyptischen Staatsangehörigen Mohammad A***** (alias Mohammed A*****, alias Mahmoud A*****, alias Mohamed A*****) wegen der in der am 15. Dezember 1994 ausgestellten Verweisungsverordnung im Prozess Nr 266/94 Staatssicherheit - Notstand - Bezirk Ismaelia, eingetragen unter der Nr 244/94, Oberstes Kriminalgericht für Staatssicherheit, beschriebenen Straftaten wird

1. hinsichtlich der in der genannten Verweisungsverordnung beschriebenen Straftaten nach Art Nr 48.1, 48.2, 48.3, 86, 86a, 86aa des ägyptischen Strafrechtes für unzulässig und

2. hinsichtlich der in der genannten Verweisungsverordnung beschriebenen Straftaten nach Art 211, 212, 213, 314, 315 (2), 316, 316a des ägyptischen Strafrechtes zur Strafverfolgung unter der Maßgabe, dass das Verfahren nach Ungültigkeit des Urteiles des Obersten Kriminalgerichtes für Staatssicherheit im Notstand im Prozess der Generalanwaltschaft Nr 266 vom Jahr 1994, Ismaelia, gemäß dem Artikel Nr 10 iVm Artikel Nr 395/1 jeweils des (ägyptischen) Gesetzes Nr 162 vom Jahr 1958 bezüglich des Notstandes erneuert wird und unter der Bedingung, dass der Auszuliefernde nicht vor einem ausschließlich für politische Delikte zuständigen Gerichts (Sondergericht) behandelt wird, für zulässig erklärt. Gemäß § 37 Z 3 ARHG wird die Übergabe des Mohammad A***** mit Rücksicht auf das gegen ihn beim Landesgericht Krems an der Donau zu AZ 18 Vr 125/99, anhängige Strafverfahren aufgeschoben, bis dem österreichischen Strafanspruch genüge getan sein wird. Gemäß dem § 33 Abs 5 ARHG ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel zulässig."

Zur Begründung führte das Oberlandesgericht Wien ua aus:

"Nach der auch eine Haft anordnenden am 15. Dezember 1994 ausgestellten Verweisungsverordnung und nach den sonstigen damit eine Einheit bildenden Auslieferungsunterlagen, insbesonders nach dem Urteil vom 25. Dezember 1995 steht der Auszuliefernde im Verdacht, sich in leitender Stellung mit einer Vielzahl an Personen, darunter einer Mehrzahl namentlich genannter Mitangeklagter (AS 21 f) zusammengeschlossen und zwischen Jänner 1993 und 1. September 1994 im Gebiet der Gouverneurate Ismaelia, Qalyubia und Scharkiya (AS 29) eine Gefährdung der Konstitution, der Gesetze und des Sozialfriedens in Ägypten angestrebt zu haben. Mittel zur Verwirklichung dieser Ziele waren Terror und Gewaltausübung. Die Kosten dieser Aktivitäten sollten durch Beute aus Diebstählen und Raubüberfällen abgedeckt werden, von deren Notwendigkeit der Auszuliefernde seine Gesinnungsgenossen überzeugt haben soll. Hierauf sollen sie übereingekommen sein, sich widerrechtlich Vermögenswerte anzueignen, für Überfälle geeignete Orte bestimmt, Waffen angesammelt und Pläne für die Durchführung erarbeitet haben. Zwecks Verschleierung ihrer Identität hätten sie ebenfalls über Empfehlung des Auszuliefernden beschlossen, sich Personalausweise zu beschaffen und diese zu verfälschen. Diese strafbaren Handlungen sollen infolge des Übereinkommens "zustandegekommen" sein (AS 31). Sie werden den Gesetzesartikeln Nr. 48.1, 48.2, 48.3, 86, 86a, 86aa, 211, 212, 314, 315 (zweitens), 316 und 316a des Strafrechtes der Arabischen Republik Ägypten, verabschiedet durch das Gesetz Nr. 58 vom Jahr 1937 unterstellt, deren Wortlaut in den Auslieferungsunterlagen wiedergegeben ist (39 ff)."

Dieser Beschluss steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend darlegt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand der Auslieferungsbewilligung ist ein konkretes, (nach Zeit, Ort und Objekt) individualisiertes historisches Tatgeschehen, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung (SSt 54/14 = EvBl 1984/26). Denn der nicht nur in § 23 ARHG niedergelegte, sondern auch eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechtes darstellende (Linke/Epp/Dokoupil/Felsenstein, Internationales Strafrecht § 23 ARHG Erl I) Grundsatz der Spezialität der Auslieferung erfordert eine solche Individualisierung der Tat in der Auslieferungsbewilligung, die dem ersuchenden Staat die Beachtung dieses Grundsatzes bei der Aburteilung überhaupt erst ermöglicht.

Entgegen diesen Erfordernissen hat das Oberlandesgericht Wien erkennbar die Taten, hinsichtlich derer es über die Auslieferung absprach, nur auf eine rechtliche Beurteilung nach dem ägyptischen Strafrecht nicht aber auf einen historischen Sachverhalt abgestellt. Da eine Benachteiligung der auszuliefernden Person durch die aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 292 letzter Satz StPO geboten.

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