OGH 13Os84/03

OGH13Os84/032.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ilker Y***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom 10. März 2003, GZ 14 Hv 152/02t-75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen sowie das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache an das Geschworenengericht beim Landesgericht Wels zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ilker Y***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 18. August 2002 in Bachmanning (seine Frau) Celim Y***** dadurch vorsätzlich tötete, dass er diese von hinten mit dem rechten Arm im Halsbereich umfasste und mit Unterstützung der linken Hand solang würgte, bis der Tod eintrat.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist berechtigt.

Nach § 314 Abs 1 StPO ist eine Eventualfrage an die Geschworenen zu stellen, falls in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte. Ein solches Tatsachenvorbringen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein des Mordes Angeklagter den Tötungsvorsatz bestreitet und einen bloßen Verletzungsvorsatz behauptet. Ist ein vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachter Geschehnisablauf an sich denkbar und bedarf es zu seiner Nichtannahme beweiswürdigender Überlegung, dann ist eine dementsprechende Fragestellung an die Geschworenen ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der betreffenden Darstellungen unabdingbar (vgl Schindler in WK-StPO § 314 Rz 14 u 34; Ratz WK-StPO § 345 Rz 42). Mit der inhaltlichen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er seine Frau lediglich mit Verletzungsvorsatz gewürgt habe (S 483 ff/II), wobei er einen Tötungsvorsatz ausdrücklich in Abrede stellte (S 441, 483, 485 ff/II), und den Ausführungen im Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H***** in der Hauptverhandlung, wonach ein bloß mehrere Sekunden dauerndes Würgen - wie es der Angeklagte geschildert hatte (S 484/II) - lediglich eine Bewusstlosigkeit des Opfers bewirkt hätte (S 504/II), wobei in diesem Fall der Todeseintritt unter anderem auch durch eine entsprechende Positionierung des Kopfes mit Zurücksinken der Zunge sowie daraus resultierender Verlegung der Atemwege herbeigeführt worden sein könnte (S 504 f/II), liegen Beweisergebnisse iS eines den vorgeworfenen Tötungsvorsatz in Frage stellenden Tatsachenvorbringens vor, welche die vom Beschwerdeführer in der Fragenrüge (Z 6) reklamierte Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB geboten hätten.

Die vom Schwurgerichtshof in der Begründung der Abweisung des Antrags auf Stellung einer solchen Eventualfrage dargelegten Erwägungen, wonach die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen als bloß theoretische Überlegungen zu qualifizieren wären ( 511 f/II), beinhalten eine der Beurteilung durch die (dazu als Tatrichter allein berufenen) Geschworenen vorgreifende und daher unzulässige Beweiswürdigung.

Dieser Verfahrensmangel macht - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich (§ 344 iVm § 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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