OGH 13Os77/00

OGH13Os77/0019.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Samir K***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. Feber 2000, GZ 8 Vr 1183/99-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch zum Schuldspruchfaktum I, der Angeklagte habe gewerbsmäßig Suchtgifte in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt und sohin in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Samir K***** (I) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG sowie (II) des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgifte in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) "durch gewinnbringenden Verkauf in vielzähligen Angriffen an die nachgenannten Personen" in Verkehr gesetzt, und zwar

(1) von Dezember 1997 bis März 1998 insgesamt 50 Gramm Marihuana (je 4 Gramm zu einem Preis von 500 S) an Christian O*****,

(2) von März bis September 1998 insgesamt rund 600 Amphetaminderivate enthaltende Ecstasytabletten zu einem Stückpreis von 300 S und rund 180 Gramm Speed (Amphetamin) zu einem Grammpreis von 1.000 S kommissionsweise sowie 300 Gramm Haschisch und Marihuana zu einem Grammpreis von 100 S an Christian O*****

(3) von Februar bis Oktober 1998 insgesamt 30 Amphetaminderivate enthaltende Ecstasytabletten, 3 bis 4 Gramm Speed (Amphetamin), 1 Gramm Kokain und 100 Gramm Cannabisharz und Cannabiskraut um insgesamt 28.500 S an Wolfgang Sch*****,

(4) von Mai bis 11. November 1998 insgesamt 40 Amphetaminderivate enthaltende Ecstasytabletten, 1 Gramm Speed (Amphetamin) und 155 Gramm Cannabisharz und Cannabiskraut um insgesamt 28.500 S an Patrick S*****,

(5) von Juni bis Anfang November 1998 insgesamt 6 Gramm Cannabisharz und Cannabiskraut an Michael K*****,

(6) im Zeitraum Frühjahr 1997 bis Ende 1997 insgesamt 60 bis 70 Gramm Haschisch/Marihuana, 40 bis 60 Stück Ecstasytabletten, 10 Gramm Speed dem Philip Markus R*****,

(7) von März 1998 bis Oktober 1998 insgesamt ca 18 Gramm Haschisch und eine amphetaminhältige Ecstasytablette an Markus Ka*****,

(II) im Jahr 1997 und 1998 Suchtgifte erworben und besessen, indem er Cannabisprodukte, Heroin und Kokain und Ecstasytabletten erwarb und besaß bzw in weiterer Folge konsumierte.

Gegen den Schuldspruch Urteilsfaktum I richtet sich die aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene, die Priviligierung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde, die zwar ihr Ziel verfehlt, allerdings letztlich aus anderen Gründen (gemäß § 290 StPO) doch zum Erfolg führt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kritik der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass durch die Aktivität des Angeklagten einige Beschuldigte ausgeforscht werden konnten, betrifft ebensowenig eine entscheidende Tatsache, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgeblich ist, wie die Frage, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Angeklagte in einen Verdrängungswettbewerb (hinsichtlich anderer Suchtgifthändler) eingetreten ist, und vermag damit keinen formalen Begründungsmangel darzulegen. Entgegen dem weiteren Vorbringen haben die Tatrichter genaue Konstatierungen zu den Mengen des an Christian O***** weitergegebenen Suchtgifts getroffen (US 5 f) und - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe des § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - auch dargelegt, auf Grund welcher Beweisergebnisse sie zu dieser Überzeugung gekommen sind (US 7 f). Die bezüglichen Beschwerdeausführungen bekämpfen unter isolierter Hervorhebung von dem Angeklagten günstig scheinender Verfahrensergebnisse und Anstellen eigener Beweiswerterwägungen lediglich unzulässig die mängelfreie Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die - eine Verurteilung nach § 28 Abs 2 SMG anstrebende - Subsumtionsrüge (Z 10) versucht unter Behauptung von Feststellungsmängel die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen (entscheidenden) Konstatierungen zum Konsum von Suchtgiften und Handel mit Gewinnstreben (US 4 und 9) durch gegenteilige, dem Beschwerdeführer genehmere, nämlich "Gewöhnung und überwiegende Gebrauchsdeckung" zu ersetzen und erweist sich damit als nicht gesetzgemäß dargelegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, zum Teil Z 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass das Urteil an einem vom Angeklagten nicht geltend gemachten materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) leidet, der sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.

§ 28 Abs 3 SMG verlangt, dass die im Abs 2 bezeichnete Tat gewerbsmäßig begangen wird, d.h. dass sich die Absicht des Täters auf die wiederkehrende Begehung von strafbaren Handlungen bezieht, die jeweils für sich allein als Verbrechen nach Abs 2 zu beurteilen sind (somit auf ein wiederkehrendes Inverkehrsetzen jeweils großer Suchtgiftmengen, Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl VIII 1, 13 Os 8, 11/98, 11 Os 129/98, 13 Os 27/99, 13 Os 28/00, 15 Os 52/00, Ratz in WK2 § 28 StGB Rz 107). Die Konstatierungen, der Angeklagte habe die Absicht gehabt, sich durch die wiederkehrende Begehung "derartiger Suchtgiftverkäufe" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei er Suchtgifte in einer großen Menge im Sinn der Bestimmung des § 28 Abs 6 SMG in Verkehr setzte, vermögen die Qualifikation der gewerbsmäßigen Tatbegehung nach § 28 Abs 3 erster Satz erster Fall SMG nicht zu tragen. Denn laut Urteilsfeststellungen setzte er (mehr als 700 Amphetaminderivate enthaltende Ecstasytabletten und mehr als 190 Gramm Amphetamin) insgesamt eine große Menge in Verkehr (dies lässt sich bei verständiger Lesart zumindest beim Amphetamin aus dem Satz US 10 ableiten: "Unter Bedachtnahme auf lediglich durchschnittliche Straßenqualität - auf Grund der Angaben der Abnehmer und Konsumierer - ergibt sich weiters bei einem nur durchschnittlichen Reinheitsgehalt von etwa 10 bis 20 Gramm [gemeint wohl: %] eine entsprechend große Menge bei den Amphetaminen bzw auch Derivaten. Die Mengen der einzelnen Tathandlungen waren auf Grund des vom Tätervorsatzes mitumfassten Additionseffektes zusammenzuzählen.")

Zur spezifischen Absicht, jeweils große Suchtgiftmengen in Verkehr zu setzen, trifft das Erstgericht aber keine tauglichen Konstatierungen.

Da die aufgezeigten Feststellungsmängel vom Obersten Gerichtshof selbst nicht behoben werden können und somit insoweit die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unerlässlich ist, war das Urteil in diesem Punkte und im Strafausspruch von Amts wegen aufzuheben, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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